Duisburg-Beeck. Die Beecker Kirmes in Duisburg stand vor einigen Jahren schon einmal vor dem Aus. Warum ein Wiederbelebungsversuch scheiterte.

In Beeck lebt noch die Hoffnung, dass die Traditionskirmes im Stadtteil bleibt. Dabei hat der städtische Veranstalter Duisburg Kontor sie bereits für tot erklärt. Er setzt auf den Neustart am MSV-Stadion in Neudorf. Die Beteiligten sind sich über die Gründe für das Kirmes-Aus einig. Nur wollen Experten im Rathaus daraus andere Konsequenzen ziehen als die Schausteller.

Dass die beliebte Straßenkirmes mit jahrhundertealter Tradition und 480 Auflagen keine Zukunft hat, bedauert Albert Ritter. Der Präsident des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) ist ein ausgewiesener Kenner der Beecker Kirmes und begleitet ihren Niedergang schon lange. Hauptgrund für den schleichenden Tod des Rummels ist für Ritter der stetig sinkende Zuspruch bei Besucherinnen und Besuchern. Dadurch blieben auch Karussells und Buden weg, weil die Betreiber kaum mehr Geld verdienen konnten. Dies schrumpfte hingegen erneut die Besucherzahl. „Ein Teufelskreis“, weiß Ritter.

Die einst größte Kirmes am Niederrhein hat schon längst ihre Strahlkraft verloren. Zuletzt, im Sommer 2019, waren an fünf Tagen noch gerade mal 200.000 Gäste gekommen, im Vorjahr waren es noch hunderttausend mehr gewesen.

Schausteller bemerkten ein Motivationstief bei den Kirmes-Verantwortlichen

Auch interessant

Diese Entwicklung war über viele Jahre zu beobachten, bis vor gut zehn Jahren „ein Motivationstief bei den Verantwortlichen“ eintrat, erinnert sich der DSB-Präsident. Anschließend übernahm Duisburg Kontor 2013 die Beecker Kirmes vom Stadtmarketing, das vor der Übergabe schon gar keine neue Kirmes mehr ausgeschrieben hatte. Die Kirmes war praktisch halbtot, wie die Redaktion aus verlässlicher Quelle erfahren hat, und konnte in dem Jahr nur mit großer Mühe ausgerichtet werden. Dennoch lockten 17 Großfahrgeschäfte, zehn Kinderkarussells und gut 150 Buden, und neu war etwa eine riesige Geisterbahn.

War Duisburg-Kontor, sonst für Wochenmärkte verantwortlich, mit einem großen Volksfest überfordert? Den Vorwurf hört man dieser Tage oft aus Beeck. Tatsächlich hat die Stadttochter jedoch die für den Jahrmarkt zuständigen Mitarbeiter mit teils jahrelanger Erfahrung übernommen. Zuvor war im Gespräch, dass die Schausteller die Traditionskirmes in Eigenregie durchführen. Das lehnten sie ab.

Gescheiterte Verjüngungskur: Publikum nahm Neuerungen der Beecker Kirmes nicht an

Dass der Rummel eine Verjüngungskur brauchte, war den neuen Organisatoren durchaus bewusst. Die Konkurrenz zur Kirmes auf dem Neusser Bürgerschützenfest war letztlich so attraktiv, dass der Traditionstermin auf Anfang Juli verschoben wurde. Die Schausteller trugen dies mit. Davon versprach man sich auch, dass die Kirmesfans dann mehr Geld im Portemonnaie haben als Ende August um den gewohnten Bartholomäustag. Die Folge waren Boykottaufrufe.

Weder die Stadt Duisburg noch die Schausteller sehen eine Zukunft für ein großes Volksfest in Beeck. Doch soll ein neuer Rummel ans MSV-Stadion oder in den Landschaftspark?
Weder die Stadt Duisburg noch die Schausteller sehen eine Zukunft für ein großes Volksfest in Beeck. Doch soll ein neuer Rummel ans MSV-Stadion oder in den Landschaftspark? © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Die Eröffnungsfeier wurde wiederbelebt, der Sportplatz auf der früheren Kirmeswiese für Karussells ertüchtigt, Bodenplatten gegen dreckige Laufwege ausgelegt und ein Partyzelt aufgestellt. Alles ohne Erfolg. Der Zuspruch von Besuchern und Budenbetreibern sank und sank. Auch Sicherheitskonzepte ließen den Jahrmarkt schrumpfen, und die starke Polizeipräsenz schreckte viele Familien ab.

Zusätzlich haben sich Freizeitverhalten und Ansprüche der Menschen verändert, erläutert Ritter. Kirmesfans locke man heutzutage nur noch mit attraktiven Großkarussells. Diese kamen jedoch zuletzt nicht mehr nach Duisburg. Dennoch kann eine Straßenkirmes funktionieren, sagt der Fachmann, sofern es eine starke, verbindende Tradition gibt – wie die Fronleichnamsprozession in Sterkrade, ein Erntedankfest oder hunderte Schützen, die sich auf eine Erbsensuppe treffen. „In Beeck ist solch eine Tradition leider auf der Strecke geblieben.“ Daher sieht auch der Schaustellerpräsident keine Chance mehr für ein großes Volksfest im Stadtteil.

Neuer Kirmesstandort: Schausteller fordern weiterhin den Landschaftspark

Auch interessant

Für einen Neustart braucht es aus seiner Sicht „einen imageträchtigen Standort“. Diesen Anspruch erfülle der Parkplatz am MSV-Stadion nicht, den die Stadt Duisburg jetzt vorschlägt. Vielmehr stimmt Ritter dem Duisburger Schausteller-Chef Mike Bengel zu und unterstützt dessen Forderung, künftig einen Rummel im Landschaftspark Duisburg-Nord zu organisieren. Als Denkmal der Industriegeschichte ist der Landschaftspark überregional bekannt und ist daher für den DSB-Chef als neuer Kirmesort gesetzt.

Die Gegenargumente aus dem Rathaus lässt Albert Ritter nicht gelten. Ein Jahrmarkt ist dort zu klein? Für ihn ist Qualität immer besser als Quantität. Karussells können den Bereich wegen Bodenproblemen nicht befahren? „Überall, wo ein Lkw, Feuerwehrauto oder Müllwagen fahren kann,“ sagt Ritter „kommt auch ein Karussell hin“. Die Stromversorgung ist schwierig? Für die Branche sei längst Standard, dass Strom und Wasser mobil angeschlossen werden. Die Standortfrage will der Stadtrat am 31. März entscheiden.

Für Neustart müssen auch Konzept und Rahmenprogramm stimmen

Natürlich kommt es beim Neustart auch auf ein modernes Konzept an. Ebenso auf ein schönes Rahmenprogramm. Zielgruppe sollten laut der Schausteller die Familien sein. Deshalb gehört neben Entenangeln und Kinderschminken auch eine Kinderbetreuung dazu. Und weiterhin für die Jugend schnelle Fahrgeschäfte wie „Breakdance“. Doch es brauche auch schöne Ideen, vielleicht die Wahl einer Kirmeskönigin.

Ob im Landschaftspark oder am MSV-Stadion, DSB-Präsident Albert Ritter rät der Stadt Duisburg, einen neuen Standort mindestens dreimal auszuprobieren.

>> PLÄDOYER FÜR DIE KIRMES

● Sind viele Besucher der Beecker Kirmes ferngeblieben, weil Lebensmittel und Karussellfahrten zuletzt viel zu teuer waren? Schausteller-Präsident Albert Ritter widerspricht: „Bei jeder Kirmes ist der Eintritt frei.“ Man könne kostenlos hingehen, die Atmosphäre genießen, sich die Karussells ansehen oder seine nächste Freundin kennenlernen, „ohne einen Cent auszugeben“. Genauso wie bei einem Weihnachtsmarkt. Doch eine Limo, ein Bier oder eine Bratwurst können sich die meisten Leute leisten.

● Ein Jahrmarkt habe zudem eine „enorme Integrationsgewalt“, weil die Professorin neben dem Maurer sitzt und beide gemeinsam Spaß haben. Bundesweit besuchten, sagt Ritter, vor der Corona-Zeit rund 22 Millionen Menschen einen Rummel. „Kirmes ist die Philharmonie des kleinen Mannes“. Doch über diese Breitenkultur würden viele Städte inzwischen die Nase rümpfen und lieber fürs Theater oder die Oper Geld ausgeben – obwohl die Hochkultur deutlich weniger Menschen erreiche.

● So sieht Ritter auch den Rückhalt im Duisburger Rathaus für die Beecker Kirmes schwinden – anders als in Herne, wo etwa zehn Tage lang sogar eine Bundesstraße für den Rummel gesperrt wird. Doch in Beeck hätten sich allein die Standgebühren seit den 80er Jahren vervierfacht. „Bei aller Traditionspflege sind wir immer noch Geschäftstreibende.“