Duisburg. Kirchschließungen, weniger Personal – St. Michael in Duisburg reagiert auf Spardruck des Bistums. Wie die Pfarrei sich für die Zukunft aufstellt.

Die katholische Großpfarrei St. Michael will und muss sich für die Zukunft neu aufstellen. Mitgliederschwund einerseits und strenge Sparvorgaben vom Bistum Essen andererseits haben bereits dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren Kirchen geschlossen, abgerissen und sogar gesprengt wurden. Zwar ist dieser Prozess noch nicht beendet, doch St. Michael ist bereits auf dem Weg zur „Pfarrei ohne Gemeindegrenzen“ – ein Vorhaben, dass das Gemeindeleben stark verändern könnte.

„Junge Familien und Jugendliche wissen oft gar nicht mehr, aus welcher Gemeinde sie sind. Ihnen ist das nicht bewusst und auch gar nicht wichtig“, sagt Gemeindereferentin Christa Scholten-Herbst, die auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Pfarrei zuständig ist. Demnach suchen sich junge Leute nicht mehr nach der Wohnadresse aus, welche Gottesdienste sie besuchen. Vielleicht gefällt ihnen das Instagram-Profil eines Priesters, sie mögen die Ehrenamtler oder sie suchen sich die Messen ganz einfach nach der passenden Uhrzeit aus – längst über Stadtteilgrenzen hinweg.

Fördervereine und Ehrenamtler stärkt der Wandlungsprozess der Großpfarrei St. Michael

„Die Grenzen zwischen den Gemeinden verschwinden immer mehr“, so Christa Scholten-Herbst. Organisatorisch ist dies längst auf den Weg gebracht, indem nun etwa alle Katholiken im Pfarrgebiet einen gemeinsamen Gemeinderat wählen – wie auch schon St. Judas Thaddäus im Duisburger Süden. Was stark nach erzwungener Zentralisierung aussieht, wirke sich allerdings nicht so aus. „Statt einem großen Ganzen sind wir jetzt eher Klein-Klein“, findet die Gemeindereferentin, weil vor Ort die einzelnen Fördervereine gestärkt seien und ihnen „die Pfarrei nicht mehr so stark reinredet“. So hätten einige dieser Fördervereine inzwischen Pachtverträge für die jeweils betreuten Kirchen und könnten sie, sofern Corona das zulässt, etwa für Veranstaltungen vermieten.

Anders ist dies jedoch bei aufgegeben Kirchen wie bei St. Laurentius in Beeck oder bei der neuerdings denkmalgeschützten Kirche Herz-Jesu in Obermeiderich, wo auch künftig keine Messen mehr gefeiert werden. Klar ist aber: „Ein Abriss ist für uns die allerletzte Option, selbst für Kirchen ohne Denkmalschutz.“ In Meiderich blieben St. Matthias (2020) und Maria Königin (2021) davor nicht verschont und mussten Wohnbauprojekten weichen. Die übrigen aufgegebenen Gotteshäuser sollen jedoch erhalten bleiben und idealerweise anders genutzt werden. „Ich kann mir total viel vorstellen, von einer Bäckerei bis hin zur Kletterhalle“, sagt Christa Scholten-Herbst. So ist St. Antonius in Beeckerwerth etwa zur sogenannten Kulturkirche geworden und bietet Musical-Aufführungen eine Bühne.

Sparvorgabe des Bistums: Kirche St. Bernard muss bis 2024 schließen

Die Sparvorgaben des Bistums zwingen die Pfarrei jedoch nicht nur, bis 2024 auch noch die Kirche St. Bernhard in Obermeiderich aufzugeben, auch beim Personal setzt der Bischof den Rotstift an: Bis 2030 wird es wohl nur noch zwei Priester, einen Diakon und drei Laien im pastoralen Dienst geben. „Damit werden die Sakramente personell immer schwieriger zu stemmen“, sagt Scholten-Herbst voraus.

Auch darauf reagiert das Konzept „Pfarrei ohne Gemeindegrenzen“ und hat damit schon begonnen. Beerdigungen werden nun pfarreiweit nach Dienstplan vergeben, die Firmvorbereitungen sind zentralisiert und die Erstkommunion wird zweigeteilt: innerhalb von Meiderich und an der Rheinschiene (Beeck, Laar, Beeckerwerth und Ruhrort). Einen kompletten Rückzug aus einzelnen Stadtteilen soll es aber nicht geben, betont die Pfarrei. Denn auch dort, wo Kirchen geschlossen oder abgerissen sind, soll es weiterhin Kirchorte als Anlaufstellen geben – etwa den neuen Laurentius-Treff in Beeck. Diese seien besonders den älteren Mitgliedern wichtig, die weniger mobil sind als die Jüngeren.

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Die Kirche muss neue Wege zu den Menschen im Duisburger Norden finden

Der wohl wichtigste Zukunftsbaustein für die Großpfarrei ist jedoch, dass sie neue Wege zu den Menschen finden will. „Wir bringen die Kirche zu den Menschen, wollen nah bei ihnen sein“, so die Gemeindereferentin. Zumal viele Christen keine Kirche betreten würden, aber oft über Geselligkeit und Nächstenliebe zum Gemeindeleben fänden – etwa über das Café Klamotte, über Kleiderkammern, Armenspeisungen, Kindertreffs oder Trauercafés. Jugendliche der Pfarrei bieten zudem Nachbarschaftshilfen wie Einkaufen, Gartenarbeit oder Fensterputzen an. Ohnehin sollen das Ehrenamt ausgebaut und die Freiwilligen besser geschult werden.

Bald könnte sogar ein Doppeldeckerbus der Pfarrei durch den Duisburger Norden fahren und Biergarnituren, Kaffee und Kuchen ausladen, um die Mitglieder besser kennenzulernen. „Wir wollen nah und solidarisch bei den Menschen sein und lokal und mental bei ihnen wirken“, fasst Christa Scholten-Herbst einige Neuerungen und Ideen zusammen. Kurzum: „Wir werden unsere Pfarrei St. Michael aus dem Dornröschenschlaf wecken.“

>> DUISBURGER PFARREI ST. MICHAEL HAT RUND 19.300 MITGLIEDER

● Die katholische Großpfarrei St. Michael hat rund 19.300 Mitglieder (Stand 2018) und ein Großteil ist noch nicht aktiv ins Gemeindeleben eingebunden.

● In der Corona-Pandemie hat die Pfarrei insbesondere die Online-Angebote ausgeweitet. Die Ökumene soll ebenfalls ausgebaut werden. Damit die früheren Gemeinden nach Verteilungskämpfen und Rivalitäten besser zusammenwachsen, ist beispielsweise ein gemeinsamer Pfarrbrief und ein Willkommensgruß für Hinzugezogene geplant.