Duisburg. Erstwähler in Duisburg bereiten sich jetzt auf die Kommunalwahl vor, auch im Unterricht. Angehende Abiturienten mahnen dabei viele Missstände an.

Knapp 13.000 Erstwähler gibt es unter den 360.000 Duisburgern, die bei der Kommunalwahl ihre Stimme abgeben dürfen, darunter zahlreiche Schüler. An der Theodor-König-Gesamtschule in Beeck werden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum Urnengang ermutigt. So behandelt etwa Lehrerin Zübeyda Uzum mit ihren Abiturienten im Sozialwissenschaftskurs die verschiedenen Wahlprogramme.

„Das ist eine sehr gute Hilfe und eine sehr gute Vorbereitung“, findet die Schülerin Linda Gündüz, die erstmals bei der Kommunalwahl abstimmt. Anders als viele ihrer jüngeren Mitschüler ist die 20-Jährige aber keine waschechte Erstwählerin, da sie schon 2019 ihr Kreuz bei der Europawahl machte. Dadurch weiß sie aber sehr zu schätzen, dass sie sich im Unterricht mit Parteien und ihren Forderungen auseinandersetzen darf. Denn das ist besser, findet sie, als sich alleine die Wahlziele durchzulesen.

Duisburger Parteien haben ähnliche Ziele, aber andere Schwerpunkte

Wer genau wissen will, wofür eine Partei in Duisburg steht, muss dennoch ins Wahlprogramm schauen. Denn die Referate über die politischen Ziele müssen in eine Doppelstunde passen und sind jeweils nur knapp zehn Minuten lang.

Ist es schlimm, dass sich manchmal auch Bundesthemen in die Referate einschleichen? Geschenkt! Die Dreizehner sind trotzdem froh über den Unterricht. „Eigentlich ähnelt sich alles“, stellt eine Gesamtschülerin jedoch fest. Alle Parteien wollen den Lebensstandard erhöhen, bezahlbaren Wohnraum schaffen und viele wollen neue Arbeitsplätze. „Nur der Schwerpunkt ist anders“, so die Schülerin weiter. Ihre Lehrerin nickt zufrieden. „Die Ziele klingen sehr, sehr ähnlich. Aber ihr müsst genau hinschauen, denn für jede Partei liegt ein Ziel im Vordergrund.“

Um das zu erkennen, reichen die Kurzvorträge: Die CDU will die Arbeitgeber stärken, die SPD dagegen die Arbeitnehmerrechte, die Grünen wollen mehr Naturschutz, die AfD mehr Sicherheit durch Überwachung und die Linken die Armen unterstützen.

Abiturienten beklagen zahlreiche Missstände im Duisburger Norden

Bei der anschließenden Diskussion zeichnet sich bei den rund 20 Abiturienten im Kurs breite Sympathie für die Sozialdemokraten und die Grünen ab. Die Umwelt und das Tierwohl sind vielen wichtig. Enttäuscht sind jedoch eine Handvoll Schülerinnen, dass niemand den Zoo schließen möchte, den sie als Ort der Tierquälerei empfinden.

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„Die SPD ist in Duisburg aber am besten aufgestellt“, findet Ali Adigüzel in der Diskussion, „sie haben mehr Ansprechpartner in den Bezirken“ und könnten daher tatsächlich etwas bewirken. Aber ein Klassenkamerad widerspricht entschieden: „Was die Parteien versprechen, stimmt doch nicht mit dem überein, was sie umsetzen“. Solche „leeren Versprechungen“ ärgern ihn. Daher müsse man die Politiker an ihren Taten messen. Und da ziehen die Abiturienten eine düstere Bilanz: Ob beim Nahverkehr, bei wilden Müllkippen und bei der Verbrechensbekämpfung, überall liefe es im Duisburger Norden schlecht.

Gesamtschülerin aus Meiderich ist sehr zufrieden in Duisburg

Dennoch wirken gerade die Wahlversprechen der SPD seriös auf die Gesamtschüler, während etwa „die AfD noch in keinem Parlament irgendwas geleistet hat“. Allerdings wünschen sich längst nicht alle den großen Umbruch. „Ich wohne in Meiderich und bin sehr zufrieden“, sagt Linda Gündüz.

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Stört sie überhaupt etwas? „Nur Kleinigkeiten“, sagt sie: „richtig große Schlaglöcher“, die ihr Auto beschädigen. Und wilde Müllkippen, findet sie, müssten härter bestraft werden. „Wer Probleme ignoriert, ändert nie was“, weiß Gündüz und deshalb will sie wegen der Schlaglöcher bald die Stadt informieren – und sich nicht auf den Wahlsieger verlassen.

Politik scheint Bruckhausen vergessen zu haben

Dagegen empfindet der 18-jährige Ali Adigüzel seinen Stadtteil Bruckhausen als von der Politik vergessen. Er wünscht sich eine Anlaufstelle für alle Menschen, vielleicht ein Bürgerhaus. Das würde, hofft er, dort die Integration unterstützen. Dass er wählen geht, steht für ihn übrigens fest, doch wo er sein Kreuz macht, weiß er noch nicht – ebensowenig wie viele seiner Mitschüler.

>> JUGENDRING RUFT ERSTWÄHLER ZUM URNENGANG AUF

  • Bei der Kommunalwahl ist wahlberechtigt, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und mindestens 16 Jahre alt sind. Wählen dürfen auch Duisburger aus EU-Staaten. Die Gesamtschüler aus Beeck fänden es aber besser, wenn alle Menschen, die in Duisburg leben, wählen dürften – unabhängig vom Pass.
  • „Viele meiner Freundinnen wollen nicht wählen gehen“, sagt Linda Gündüz, „weil sie glauben, mit ihrer Stimme könnten sie nichts verändern.“ Auch Ali Adigüzel kennt Mitschüler, denen die nächste Mathe-Klausur wichtiger ist, als die Wahlprogramme durchzuarbeiten.
  • Ein Wahlaufruf an Erstwähler kommt hingegen vom Jugendring Duisburg. „Aufgabe von Kommunalpolitik ist es, für die Menschen vor Ort da zu sein. Es sind deine Nachbarn, die sich ehrenamtlich engagieren und deine Interessen vertreten. Kommunalpolitik entscheidet, ob es ein kostenloses Mittagessen in deiner Schule gibt oder ob dein Fußballverein einen Kunstrasenplatz bekommt“, betont die Vorsitzende Jennifer Jonczyk. Daher sei es wichtig, dass jeder am 13. September durch seine Stimme mitentscheidet.