Duisburg. Rockerfehde oder Rockerkrieg: Immer wieder geraten Mitglieder der Rockergruppen oder ihrer Unterstützer aneinander. Nun geben sie sich gar im Fernsehen als total friedliche Zeitgenossen. Wie schätzen Ordnungskräfte die Lage ein? Die NRZ befragte einen beteiligten Experten aus Polizeikreisen.
Jetzt gehen die verfeindeten Rocker-Banden, die sich nachts auf den Straßen an Rhein und Ruhr mit Waffengewalt bekämpfen, in die Medien und führen eine Schlacht der Worte. Während es in diesen Tagen zwei Vertreter der Hells Angels in trauter Runde mit TV-Talkerin Sandra Maischberger und u. a. dem Innenminister des Landes Baden-Württemberg verstanden, sich als unschuldig Verfolgte hinzustellen, deren Rechte angeblich permanent mit Füßen getreten werden, konnte man in der Bild-Zeitung nachlesen, dass ein Vertreter der Holland-Rocker „Satudarah“ von „Krieg“ sprach, der im vollen Gange sei. Die NRZ befragte einen beteiligten Experten aus Polizeikreisen über die aktuelle Lage.
Die einen spielen im TV den harmlosen Rocker, der nur einem mal „aufs Maul haut, wenn man ihm blöd“ komme, die anderen sprechen vom „Krieg“ und davon „dass in Duisburg die Zukunft Europas entschieden“ werde. Wie sieht dies die Polizei?
Antwort: Es ist schon ein starkes Stück, im Fernsehen mit anschauen zu müssen, wie Vertreter der Hells Angels bei „Maischberger“ scheinbar gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit einem Landes-Innenminister auf der gleichen Couch sitzen. Und das Gerede vom „Krieg“ des Satudarah-Sprechers mit dem Künstlernamen „Ali Osman“ muss man als Provokation betrachten. Als den Versuch, mit dem Säbel zu rasseln, um den Gegner auf die Palme zu bringen.
Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis es zwischen den Rocker-Bands zu offenen Gewaltausbrüchen kommt?
Antwort: Derzeit herrscht hier in Duisburg Ruhe im Karton. Das hat was damit zu tun, dass die Polizei mit massiver Präsenz die drei Rockerbanden - die Bandidos und deren aktuellen Partner die Satudarah auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Hells Angels fest in den Fokus genommen hat. Die Polizei kontrolliert nach wie vor in Rheinhausen vor dem Satudarah-Vereinsheim alles, ebenso im Rotlicht-Milieu von Duisburg und Oberhausen.
Die Polizei hat einen Führungsstab eingerichtet, der sehr genau weiß, wo sich welche Rocker-Figuren bewegen; sie kann darauf reagieren und das Lagebild anpassen. Ob es jetzt zu einem Konflikt kommt, in Duisburg oder anderswo, oder zu einem späteren Zeitpunkt, können sie aber nicht vorhersagen. Es wäre aber - wieder mit Blick auf die Medien und die Öffentlichkeit - von den Rockergruppen taktisch unklug, wenn sie jetzt nach diesen gegenseitigen Provokationen voll auf einander losgehen würden.
Sie würden den ultimativen Beweis abliefern, dass man gegen diese Form von Gewalt und Bedrohung für die Gesellschaft jetzt deutlich mehr tun muss. Das Feld ist aber auf jeden Fall nicht befriedet. Und die Polizei wird mit massiver Präsenz energisch dafür sorgen, dass diesen Banden keine rechtsfreien Räume bleiben.
Ist das Thema Rockerfehde nur ein lokales Duisburger Problem?
Antwort: Nein, ganz und gar nicht. Es gab in den letzten Wochen Auseinandersetzungen in Köln, Düsseldorf, Oberhausen und Mettmann. Duisburg steht bei den Medien zur Zeit im Mittelpunkt, weil es in Duisburg drei Clubs gibt, die ihre Verteilungskämpfe austragen. Organisierte Kriminalität im Rotlichtmilieu durch Rocker gibt es überall in Deutschland und im benachbarten Ausland. Aber: Bislang hatten wir in Duisburg nur zwei Rockerbanden, die sich spinnefeind gegenüber standen. Seit dem Sommer 2012 gibt es aber jetzt leider eine dritte Gruppe, die Holland-Rocker, die sich Duisburg als erste Niederlassung in Deutschland ausgesucht haben.
Warum, glauben Sie, haben Anrainer am Rockervereinsheim von Rheinhausen, Angst vor der Polizeipräsenz mit Panzerwagen und schwerer Bewaffnung, die doch vor Ort ist, um Sicherheit für die Bürger herzustellen? Verkehrte Welt?
Antwort: Also, ich glaube, die Bürger bekommen deshalb ein mulmiges Gefühl, weil ihnen erst durch die starke Polizeipräsenz die reale Gefahr und die akute Brisanz der Lage deutlich wird. Durch die Gegenwart der Polizei wird der Konflikt täglich sichtbar. Auch dann, wenn die Rocker sich taktisch in der Deckung halten. Ich kann es verstehen, dass es kein schönes Gefühl für harmlose Bürger ist, wenn da uniformierte, schwer bewaffnet Polizisten vor ihrem Wohnhaus stehen und Passanten kontrollieren und womöglich auch von der Waffe Gebrauch machen müssen.