Oberhausen/Duisburg. Bereits eine halbe Stunde vor den Schüssen auf einen Unterstützer der Hells Angels in Oberhausen-Sterkrade am 24. Februar sind verfeindete Rocker auf offener Straße aufeinander losgegangen – anscheinend sogar unmittelbar Beteiligte. Der gesuchte Bandido Kim N. hat offenbar nicht geschossen. Weiter unklar ist, wie viele Schützen feuerten.
Am Wochenende konnte der Duisburger Unterstützer (23) der Hells Angels, der am 24. Februar in Oberhausen von zwei Projektilen des Kalibers neun Millimeter im Bauch getroffen wurde, das Helios-Krankenhaus in Duisburg-Hamborn verlassen. Wie die Duisburger Mordkommission jetzt meldet, waren verfeindete Rocker an jenem Sonntag offenbar schon vor der Schießerei in Oberhausen aneinander geraten: Als er die Berichte über die Schüsse im Rockerkrieg las, erinnerte sich ein Unbeteiligter an einen merkwürdigen Vorfall auf der Konrad-Adenauer-Allee (B 223) ...
Auf der Bundesstraße, zwischen Schloss Oberhausen und der Autobahn 42, kamen dem Zeugen etwa eine halbe Stunde vor dem Anschlag an der Bahnhofstraße drei Fahrzeuge in die Quere. Mitten auf der Fahrbahn standen drei leere Wagen mit offenen Türen: ein weißer Porsche, eingekeilt von zwei anderen Autos. Deren Fahrer hatten den Mann am Lenkrad des Porsche anscheinend ausgebremst. Der Zeuge allerdings dachte zunächst an einen Unfall und wollte helfen. Dann aber tauchten nach seinen Angaben plötzlich mehrere Männer aus der Dunkelheit auf, sprangen in die Wagen und rasten davon.
Bandido Kim N. hat wohl nicht geschossen
Der Fahrer des weißen Porsche ist der Mann, den ein Sondereinsatzkommando der Polizei vier Tage später in einer Oberhausener Wohnung festnehmen wollte: der dänische Bandido Kim N. (43), der untergetaucht ist. Er soll auf dem Parkplatz gewesen sein, als die Schüsse aus einer Gruppe heraus abgefeuert wurden. Die Polizei sucht ihn noch immer, allerdings liegt gegen ihn "nichts vor, was für einen Haftbefehl reichen würde", sagt Polizeisprecher Stefan Hausch. Heißt: Der Bandido hat nach neuen Erkenntnissen der Ermittler offenbar doch nicht geschossen.
Möglicherweise aber sind die beiden Autos, die der Zeuge vor und hinter dem Porsche auf der B 223 halten sah, die beiden Wagen, auf die kurze Zeit später, um 17.40 Uhr, geschossen wurde: der schwarze BMW, den die Polizei am Krankenhaus in Hamborn sicherstellte, und ein vermutliche silberner Mercedes. Nicht ausgeschlossen scheint sogar, dass der Schütze vom Sterkrader Tor und der 23-jährige "81er" sich auf der B 223 gegenüberstanden. Hausch: "Das ist offen, aber vorstellbar."
Wie viele Tatwaffen, wie viele Schützen?
Noch immer unklar ist, aus wie vielen Waffen die 13 Kugeln abgefeuert wurden, die die Spurensicherung fand: LKA und BKA untersuchen die Projektile, die Ergebnisse der Kriminaltechnischen Untersuchung werden wohl erst kommende Woche vorliegen. Tatverdächtig ist bislang ein Bandido, der zur Führungsriege im des Kölner Chapters gehört: Er sitzt seit voriger Woche in Untersuchungshaft.
Schüsse in Oberhausen
Die Kripo geht davon aus, dass noch mehr Menschen Zeuge der Schießerei am Sterkrader Burger-King-Restaurant geworden sind als sich bislang gemeldet haben. Aus Angst davor, in die Rockerfehde verwickelt zu werden, so glauben die Ermittler, dürften etliche Augenzeugen zögern, ihre Beobachtungen zu schildern: "Wenn diese Leute aus Angst schweigen oder anderweitige bedenken haben, so können wir ihnen Vertraulichkeit zusichern", sagt Polizeisprecher Stefan Hausch. "In diesem Fall von Rockerkriminalität geht sowas." Die Duisburger Kripo ist unter anderem unter der Telefonnummer 0203/2800 erreichbar. Keine Überraschung: Der getroffene Hells-Angels-Supporter der "81er" und der verhaftete Bandido schweigen beharrlich.
Die Schüsse am Sterkrader Tor waren aus einer Gruppe heraus abgefeuert worden. Die Männer standen bereits am späteren Tatort, als ihre Kontrahenten aus dem Umfeld der Hells Angels in dem BMW und dem Mercedes gezielt und schnell auf den Parkplatz fuhren:
Satudarah-Supporter "Sadaura" – "Muskelmasse schnell erhöhen"
Die Ermittler schließen nicht aus, dass sich Rocker verfeindeter Motorradclubs am Tag der Tat zuvor schon in der Region bekriegt haben und auch deshalb sehr viele Bandenmitglieder in Oberhausen unterwegs waren – anscheinend auch viele Biker auswärtiger Vereinigungen. Sie hoffen auf weitere Zeugen, die Verdächtiges beobachtet haben.
OMCG-Szene wird durch Supporterclubs unüberschaubar
Mit Sorge registriert die Polizei Duisburg indes die Pläne des Motorradclubs Satudarah: Ali Osman, der Präsident des Duisburger Chapters Clown-Town, hatte die Gründung von Supporterclubs angekündigt. "Sadaura" soll der Club "für Brüder ohne Motorrad" heißen, so Osman.
Die Polizei erkennt darin dieselbe Strategie, mit der bereits Hells Angels und Bandidos in den vergangenen Jahren "die Muskelmasse ihrer Gruppierungen in kurzer Zeit erhöht haben", so Hausch. So wolle auch der MC Satudarah mit Hilfe von Unterstützerclubs seine Präsenz auf der Straße erhöhen und eine Drohkulisse aufbauen.
Zumal Satudarah MC Clown-Town den Hells Angels und den Bandidos in Duisburg zahlenmäßig deutlich unterlegen ist: Die Polizei geht davon aus, dass den Rockerbanden – offiziellen Chaptern und Unterstützerclubs – "unter 500 Männer" angehören. Im Zeichen des doppelköpfigen Indianers, des Satudarah-Emblems, sind bislang lediglich etwa 20 bis 30 Rocker unterwegs. Durch die Supportergruppen, so Hausch, werde die Szene noch unüberschaubar: "Der beteiligte Personenkreis wird nebulöser und die Hierarchien verschieben sich weiter."