„Lukas, komm jetzt bitte wieder rein. Es wird Zeit“, ruft eine besorgte Mutter aus dem Fenster ihrer Wohnung in der zweiten Etage eines Haues an der Friedrich-Ebert-Straße. Um ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen, zeigt sie mit dem Finger auf die Polizeikolonne, die sich gerade nähert. Lukas senkt den Kopf und murmelt: „Nicht schon wieder“. Seine Mutter beobachtet ihn wachsam, bis er im Hausflur verschwindet. Dann schließt sie das Fenster, lässt die Jalousien runter.

Seit sich Mitte Februar Rocker der verfeindeten Gangs Satudarah MC und Hells Angels in Rheinhausen eine Massenschlägerei lieferten und Schüsse auf einen Pkw vor dem Rocker-Treffpunkt abgefeuert wurden, zeigt die Polizei hier verstärkt Präsenz. „Das ist hier jetzt jeden Abend so“, erklärt ein älterer Herr mit Krückstock. Manchmal stehen die hier bis drei Uhr morgens.“ Der Mann wohnt im Hochhaus hinter der Rockerkneipe, ist erst vor drei Monaten von der Mosel nach Rheinhausen gezogen. Sein Sohn hatte ihm die Wohnung organisiert, damit der Witwer näher bei seiner Familie ist. „Hätte ich das vorher gewusst“, sagt er und zeigt mit seinem Gehstock auf die Tür des Rockervereinsheimes, „dann wäre ich wohl in der Heimat geblieben.“

Unbehagen macht sich breit

Dabei seien es gar nicht die Rocker, die ihm Unbehagen bereiten. „Es ist die Polizei. Klar, die wollen uns nur schützen. Aber wenn die hier jeden Abend aufmarschieren, dann macht man sich erstmal Sorgen, dass wieder etwas passiert ist.“ Passiert ist heute nichts. Es ist halt nur normaler „Clubabend“.

Um 16.40 Uhr schlendert dann ein kleiner Mann mit schwarzer Lederjacke und unter dem Arm geklemmter Zeitung zur Kneipe und schließt die Tür auf. Bevor er hineingeht, dreht er sich um, als vermisse er jemanden. Im gleichen Augenblick fährt einer der acht Polizeibusse vor und hält genau auf Höhe des Kneipeneingangs. Der stoppelbärtige Rocker nickt den Polizisten zu, als grüße er einen entfernten Bekannten. Dann verschwindet er in dem Gebäude mit dem schwarzen Schriftzug auf gelber Fläche: „Satudarah MC – Clown-Town“.

Eine Anwohnerin mit kurzen blonden Haaren klopft sichtlich erregt ans Fenster des Polizeibusses. Sie will wissen, ob das heute wieder „der mittlerweile normale Wahnsinn wird“, oder ob sie heute Nacht besser bei ihrer Mutter in Hochfeld übernachten sollte. Der Polizist beruhigt sie: „Wir sind hier, um sie zu beschützen“, sagt er. Der 27-Jährigen geht es trotzdem „beschissen“. „Ich kriege Angst, wenn die hier in voller Kriegsbesatzung mit Panzerwagen anrücken.“ Ihren Namen will sie lieber nicht in der Zeitung lesen. Genau wie alle anderen. Sie fürchten „irgendwie in die Sache verwickelt zu werden.“

In einem offenen Brief an OB Sören Link beschwert sich ein Anwohner, dass seine Grundrechte im Zuge der Polizeikontrollen „massiv verletzt“ worden seien: „Als ich von der Arbeit kam, bin ich vor meiner Haustür von einem Panzerwagen und Polizisten mit Maschinenpistolen an der Weiterfahrt gehindert worden.“ Die Polizei habe ihm gesagt, er solle weiterfahren, sein Fahrzeug irgendwo am Rhein abstellen und es zu Fuß versuchen. Erst nach „45-minütigem Herumirren im Kriegsgebiet Rheinhausen“ habe der Mann eine Polizeisperre gefunden, die ihn passieren ließ.

Währenddessen nähert sich ein zweiter schwarzhaariger, junger Mann der Rockerkneipe. Er und der Lederjackenträger rauchen zusammen eine Zigarette vor der Clubtür, unterhalten sich und scherzen. Die beiden Männer haben Verständnis für das Unbehagen der Nachbarn. Aber dafür sei die Polizei verantwortlich, nicht sie. Im Laufe des Abends kommen noch zwei Dutzend Rocker dazu. Es bleibt ruhig.

Nur eine Straße weiter, in der Bernhardstraße, unterhalten sich zwei Anwohner übers Wetter. Zwischen ihren Wohnungen und der Kneipe liegt nur eine Häuserreihe, aber kein Blickkontakt. Sie haben gar nicht mitbekommen, dass die Polizei überhaupt wieder da ist.