Duisburg/Oberhausen. Nach der Festnahme eines Kölner Bandidos am Donnerstag hat ein Bandidos-Sprecher die Gewalttaten im neuen Rockerkrieg verurteilt. Indes warf eine berüchtigte Rotlichtgröße den Hells Angels öffentlich Betrug vor. Als Satudarah-Sprecher sagte Jan „Miami Gianni“ Sander: “Wir wollen in Deutschland an die Macht.“
Die von der Duisburger Mordkommission angeforderten Spezialeinheiten stürmten die Wohnungen zweier Tatverdächtiger am Donnerstagmorgen zeitgleich um sechs Uhr: eine Wohnung in Köln, eine in Oberhausen. In der Domstadt nahmen die Polizisten ein Mitglied des Kölner Bandidos-Chapters fest, die Wohnung in Oberhausen war leer. Der dort vermutete Mann und der 25-jährige Bandido stehen unter Verdacht, am Sonntag die Schüsse auf einen Unterstützer der Hells Angels in Oberhausen abgefeuert zu haben.
Zu den jüngsten Gewalttaten in NRW sagte der Sprecher des Bandidos MC Germany am Donnerstagvormittag: „Der Bandidos MC heißt diese Gewalttaten nicht gut. Sie schaden der gesamten Motorradclubszene.“ Zur Festnahme am Morgen wollte er sich nicht äußern. Noch am Dienstag hatte ein Polizeisprecher gesagt, es gebe „aktuell keine Hinweise darauf, dass die Bandidos in die Duisburger Auseinandersetzungen verwickelt sind.“
Rotlichtgröße „Miami Gianni“ spricht für Satudarah
Möglich also, dass die Warnschüsse und die Massenschlägerei von Duisburg in keinem direkten Zusammenhang zum Anschlag von Oberhausen stehen. Diese Option schließen die Ermittler zumindest nicht aus. Sie beschäftigt seit den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Satudarah und Hells Angels im Grunde dieselbe Frage wie verängstigte Anwohner, Journalisten, Biker und Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) bundesweit: Warum gehen die Rocker an Rhein und Ruhr gerade jetzt aufeinander los? Was hat die Gewaltausbrüche verursacht?
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Nicht bei jedem Scharmützel zwischen Rockern muss es um die Durchsetzung von Territorialansprüchen gehen. Das betont Polizeisprecher Stefan Hausch: „Da geht es nicht immer darum, wer wo die Tür machen darf. Oft lösen Emotionen oder persönliche Animositäten spontane Gewaltausbrüche aus.“ Zumal das Verständnis von Ehre und Respekt, das viele Gang-Mitglieder pflegten, ein Nährboden für Gewalt sei. „Wer den Gegner demütigt, verschafft sich ein Machtgefühl“, so Hausch, der gleichwohl hinzufügt: „Im Hintergrund geht es natürlich um Aufträge in der Türsteherszene, um Einnahmen aus Prostitution und Rauchgifthandel.“
Seine Version trägt nun erstmals auch ein in Duisburg aktiver Rocker in die Öffentlichkeit: Jan „Miami Gianni“ Sander machte als Rotlichtgröße und polizeibekannter Bordellbetreiber vor allem in Hamburg von sich reden – und spricht nun für den MC Satudarah Brotherhood Clown-Town in Duisburg.
„Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels“ heißt das Buch, das der medienerfahrene Muskelmann gemeinsam mit einem Journalisten über den Riva Verlag im März auf den Markt bringt. So bewirbt es der Verlag auf Amazon:
Satudarah-Rocker: „Alle gegen die Hells Angels“
„In diesem Buch schildert zum ersten Mal ein aktiver Rocker und Zuhälter die Machtstrukturen im deutschen Rotlichtmilieu, in dem noch immer Millionen umgesetzt werden. Ein Menschenleben zählt da nichts.“
Gegenüber Focus Online berichtete Jan Sander als Satudarah-Vertreter, die Hells Angels hätten andere Rockerbanden in den Niederlanden betrogen: „Seit dem Betrug in Holland ist klar: Wir wollen auch in Deutschland an die Macht. Wir haben uns gewehrt. Jetzt heißt es: Alle gegen die Hells Angels.“ Seine Aussagen über die Expansionspläne von Satudarah sorgen auch durch die Verbreitung im „Rockerportal“ für Diskussionen. „Wir wollen nicht in ihrem Schatten stehen“, sagt der 34-Jährige über Hells Angels und Bandidos. „Wir kumpeln nicht.“
In Köln sind seit zehn Jahren die Hells Angels dominant
Als der MC Brotherhood Clown-Town im Juni 2012 mit Satudarah fusionierte, waren zwar auch einzelne Bandidos zum Barbecue eingeladen. Mehr als der gemeinsame Feind, so hieß es bislang auch aus Polizeikreisen, verbinde die Clubs hierzulande nicht.
In Köln, wo der 25-jährige Bandido am Morgen festgenommen wurde, geben seit etwa zehn Jahren die Hells Angels den Ton in der Szene der Outlaw Motorcycle Gangs an. Damals war eine große Zahl an Gremium-Mitgliedern zu den Hells Angels gewechselt: Ihren Charter hatte Innenminister Ralf Jäger im Mai 2012 verboten. Das Kölner Bandidos-Chapter, dem der Tatverdächtige angehört, ist ein „Gründungschapter“, also so alt wie der MC Bandidos Germany: Ghostrider-Rocker hatten sich 1999 dem neuen deutschen Ableger der amerikanischen Bandidos angeschlossen.
In die aktuelle Rockerfehde an Rhein und Ruhr nicht verwickelt ist nach Angaben der Polizei die Türsteher-Gang „United Tribuns“. Einzelne Mitglieder der 2004 in Süddeutschland gegründeten Vereinigung aus Kampfsportlern und Türstehern sind auch in Duisburg aktiv. Nach Informationen der Behörden aufgelöst hat sich dagegen mittlerweile das erst Anfang 2012 in Dinslaken gegründete Chapter „Bosporus West“ des MC Gremium.