Duisburg. . Im bürgerlichen Duisburg-Bergheim sorgt das “Roma-Hochhaus“, das von Menschen aus Rumänien bewohnt wird, für Unruhe. Anwohner wehren sich mit einer Unterschriftenaktion. Mehr als 5000 osteuropäische Armutsflüchtlinge stellen Duisburg vor große soziale Probleme, die Zahl der Straftaten solcher Armutsflüchtlinge steigt. NRW-Minister Jäger gibt den Schwarzen Peter weiter: Er wirft dem Bund Untätigkeit vor.

Die Stadt Duisburg sieht sich angesichts des stetigen Zuzugs von Roma-Familien aus Osteuropa am Rande ihrer Belastbarkeit. Inzwischen leben mehr als 5000 dieser Zuwanderer in der Revierstadt, monatlich kommen bis zu 300 neue hinzu. Die Duisburger Integrationsbeauftragte Leyla Özmal und Lokalpolitiker quer durch alle Parteien sprechen von einer „dramatischen“ Situation. Özmal fordert eine „politische Offensive“ und Hilfe von Bund, Land und Europäischer Union.

Die Neubürger aus Rumänien und Bulgarien stellen Duisburg vor soziale Probleme. Betroffen sind aber auch die Nachbarstädte. Laut Landeskriminalamt (LKA) verüben einige der Neubürger Straftaten im gesamten Ruhrgebiet. „Die Städte an der Rhein-Ruhr-Schiene zwischen Duisburg und Dortmund haben zunehmend mit dieser Kriminalität zu kämpfen. Die Fallzahlen steigen seit Monaten. Zunächst waren es Trickbetrügereien, inzwischen geht es vor allem um Diebstähle an Geldautomaten, verübt zum Teil mit brachialer Gewalt“, sagte LKA-Sprecher Frank Scheulen der WAZ Mediengruppe.

Migranten dürfen nicht arbeiten

Diese Migranten dürfen sich legal in Deutschland aufhalten, aber nicht arbeiten. Allenfalls Jobs als Tagelöhner kommen für sie infrage. Erst im Jahr 2014 werden die bisherigen Arbeitsbeschränkungen für osteuropäische EU-Bürger aufgehoben.

Auch interessant

NRW-Innenminister Ralf Jäger spricht von einer „Armutswanderung“. Er wirft der Bundesregierung vor, die Revierstädte im Stich zu lassen. „Der Bund muss dafür sorgen, dass sich die Lebensverhältnisse der Roma in Bulgarien und Rumänien verbessern. Dazu hätte die Bundesregierung längst über die EU Druck auf diese osteuropäischen Länder ausüben müssen. Die Folgen der Untätigkeit spüren jetzt die Menschen in den Städten an Rhein und Ruhr leidvoll“, sagte Jäger der WAZ Mediengruppe.

Diebstähle an Geldautomaten

Die NRW-Polizei gehe gezielt gegen südosteuropäische Banden vor. „Wir nehmen die Zunahme von Wohnungseinbrüchen und Diebstählen an Geldautomaten sehr ernst und handeln. Aber die Polizei kann das Problem allein nicht lösen“, kritisierte der NRW-Minister in Richtung Berlin.

Der Zuzug der Roma vollzieht sich nicht flächendeckend über die Bundesrepublik, sondern punktuell, heißt es dazu beim Deutschen Städtetag. Neben Duisburg sind auch Städte wie Mannheim oder Berlin-Neukölln betroffen. Vor einigen Wochen hat der Städtetag eine entsprechende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen.

Bürger klagen über Müll, Pöbeleien und Krach 

In Duisburg-Bergheim ist die Stimmung extrem aufgeheizt. Bisheriger Höhepunkt: eine Unterschriftensammlung. Vor wenigen Tagen unterzeichneten 330 Anwohner einen Brief an Oberbürgermeister Sören Link, an Hannelore Kraft und Angela Merkel. Sie fordern die „Umsiedelung“ der Rumänen.

Winfried Boeckhorst hat „Angst, dass sich da was aufstaut“. Der SPD-Bezirksbürgermeister von Rheinhausen bekommt den Zorn der Nachbarschaft in Bergheim ungefiltert zu spüren. Ein paar Dutzend „Wutbürger“ standen jüngst vorm Rathaus Rheinhausen, um der Bezirksvertretung Druck zu machen. Sie klagen über Müll, Pöbeleien und Krach im Umfeld eines „Problemhauses“. Boeckhorst möchte helfen, aber er kann nicht: „Es ist ein Missverständnis, dass wir hier diese Dinge lösen können. Wir dürfen niemanden umsiedeln und können Zuzüge nicht stoppen. Dafür ist der Bund zuständig oder die Europäische Union.“ „Heute rund 5000 und vielleicht später bis zu 10.000 rumänische und bulgarische Staatsbürger betreuen und begleiten zu müssen, ist das dickste Brett, das eine Stadt bohren muss“, sagt Ferdinand Seidelt, CDU-Fraktionschef in der Bezirksvertretung Rheinhausen.

Wie eine Elendsinsel

Reibereien zwischen Einwanderern aus Südosteuropa und alteingesessenen Bürgern gab und gibt es vielerorts. In der Dortmunder Nordstadt zum Beispiel, und noch immer in Duisburg-Hochfeld. Doch Bergheim ist anders. Bergheim ist kein sozialer Brennpunkt und kein Malocher-Stadtteil, der Ort trägt das Etikett „bürgerlich“. Wie eine Elendsinsel steht das von Roma bewohnte Gebäude inmitten schmucker Häuserzeilen. Hier prallen die Wohlstandsgegensätze des neuen Europas voll aufeinander.

Auch interessant

Zu dem Drama, das sich an dieser Stelle abspielt, gehört, dass niemand, auch nicht Politik und Verwaltung, genaues über die Zugezogenen wissen. Es kursieren vor allem Gerüchte. Rund 140 gemeldete Bewohner sollen es nach Auskunft der Behörden sein. Deniz Aksen, der sich im Auftrag des Jugendamtes um die Roma-Familien in Hochfeld und Bergheim kümmert, spricht hingegen von bis zu 240 Bewohnern. Alle sollen aus einer Region in Rumänien stammen. Aber keiner weiß so recht, aus welcher. Aksen, vom Duisburger „Verein Zukunftsorientierte Förderung“ (ZOF), gehört zu den wenigen, die hinter die Kulissen dieser Häuser blicken. Er sieht dort abgrundtiefe Armut. „Zwei bis drei Familien teilen sich eine Wohnung“, sagt er. Das heißt: bis zu zwölf Personen. Fast keiner ist krankenversichert. Die Menschen dürfen sich als EU-Bürger legal in Deutschland aufhalten, aber nicht arbeiten, von Tagelöhner-Jobs einmal abgesehen. Die Kinder dieser Rumänen gehen nicht zur Schule. Ihre Eltern bekommen zwar Kindergeld, aber darüber hinaus keine finanzielle Unterstützung. Die Verwaltung in Rheinhausen bestätigt Gerüchte, dass der Eigentümer des Hauses zum Rotlichtmilieu gehört.

146 Polizeieinsätze in diesem Jahr

Aksen berichtet von einigen kleinen Lichtblicken. So hätten die Roma-Familien aus Bergheim durchaus Interesse daran, ihre Kinder in die Schule oder in den Kindergarten zu schicken. Aber die Kommunikation mit den Rumänen dort sei zuweilen schwierig. Mitarbeiter von ZOF seien auch schon bedroht worden.

Auch interessant

Ramon van der Maat, Sprecher der Duisburger Polizei, erzählt, dass seine Kollegen seit Jahresbeginn 146-mal zum „Problemhaus“ nach Bergheim gerufen wurden. Forderungen von Anwohnern nach noch mehr polizeilicher Kontrolle erteilt der Sprecher der nordrhein-westfälischen Gewerkschaft der Polizei, Stephan Hegger, eine Absage. „Wir können nicht präventiv ein Wohnhaus stürmen, das überwiegend von Roma bewohnt wird“, sagt er. Die Unverletzlichkeit der Wohnung sei ein hohes Gut, ohne richterlichen Beschluss lasse sich in Fällen wie in Duisburg wenig unternehmen.

„Die Grundrechte müssen eingehalten werden“

Leyla Özmal, die Integrationsbeauftragte der Stadt Duisburg, sagt, dass die finanziell klamme Revierstadt diese Probleme nicht allein stemmen könne. Wir werden auf die Dramatik aufmerksam machen, gegenüber dem Deutschen Städtetag, den Ministerien auf Landes- und Bundesebene und gegenüber der EU.“ Besonders die Grundrechte der Kinder auf Gesundheitsschutz und Schulpflicht müssten eingehalten werden.

Winfried Boeckhorst, der Bezirksbürgermeister, freut sich über kleine Fortschritte, die es mittlerweile rund um das „Problemhaus“ gibt. Der Müll stapelt sich nicht mehr im Innenhof zu Bergen, sondern wird mehrmals in der Woche von den Entsorgungsbetrieben abgeholt. Was aus dieser konfliktreichen Nachbarschaft einmal wird, weiß Boeckhorst nicht.

Aber irgendwie fühlen sich hier in Duisburg alle, Bürger und Lokalpolitiker, mit diesen Schwierigkeiten allein gelassen.