Duisburg. Ähnliche Probleme wie in Hochfeld. Nachbarn beschweren sich über Lärmbelästigung und Müllberge. Die Stadt aber ist noch auf der Suche nach einem Konzept.
Die Probleme mit Armutsflüchtlingen aus aus Osteuropa, in Hochfeld seit zwei Jahren ein Aufreger, sind in Rheinhausen angekommen. Ein siebenstöckiges Mehrfamilienhaus in Bergheim wird seitdem von einem Unternehmen aus Dinslaken hauptsächlich an Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien vermietet, laut Insidern an deutlich mehr Menschen, als dort menschenwürdig unterkommen können. „Einmal im Monat“, berichtet ein Nachbar (Name d.Red. bekannt), „kommt der Vermieter mit Bodyguards und kassiert bar ab.“ 269 Menschen sollen dort in 20 Wohneinheiten gemeldet sein. Die Nachbarn beklagen regelmäßige Ruhestörung, vermüllte Straßen und Grünanlagen.
In der Tat fallen Berge von Müllsäcken auf dem Hof auf. Die Wirtschaftsbetriebe bestätigen, dass man dem Vermieter kürzlich zwangsweise mehr und größere Container zugeteilt hat, um das Problem in den Griff zu bekommen. Ramon van der Maat, Sprecher der Duisburger Polizei, bestätigt, dass „diese Adresse uns seit ungefähr einem halben Jahr oft Arbeit macht.“ Vor allem wegen Lärmbelästigung, sagt er, würden dort oft Streifenwagen gerufen. Ordnungsrechtliche Belange rund um die Wohnungsbelegung seien aber Sache der Stadt.
Der sind laut Sprecherin Anja Huntgeburth hinsichtlich der Wohnverhältnisse als auch der sich belästigt fühlenden Nachbarn die Hände gebunden: Alles innerhalb einer Wohnung, etwa die Anzahl der dort lebenden Menschen, sei eine Sache zwischen Mieter und Vermieter. „Wären das städtische Wohnungen, würden wir den Teufel tun, sie zu solchen Konditionen zu vermieten.“ Sind es aber nicht.
Selbst wenn die hygienischen Zustände in den Häusern tatsächlich zu wünschen übrig ließen, könne die „Abfallaufsicht“ des Ordnungsamtes nur eingreifen, wenn der Außenbereich beeinträchtigt ist. Auch für ein Einschreiten des Jugendamtes wegen „Kindswohlgefährdung“, gäbe es hohe Hürden, die nur in Einzelfällen greifen.
Stadt: „Hände gebunden“
Ein Vorschlag von Karsten Vüllings, Bezirksvertreter für die Wählergemeinschaft „BL“: „Würde man diesen Menschen Notunterkünfte bereitstellen, wie es sie in den 1980er und 1990er Jahren für Flüchtlinge und Wohnungslose gab, wären sie schon einmal nicht gezwungen, sich für ein Dach über dem Kopf mit mindestens zweifelhaften Geschäftemachern einzulassen, und um die Zustände in solchen Unterkünften könnte man sich dann effektiv kümmern.“ Geld dafür müsse allerdings aus EU-Töpfen kommen: „Die Probleme durch die EU-Osterweiterung wurden nicht in Duisburg verursacht, aber die Kommunen haben es auszubaden. Das geht so nicht.“
Zugang zu Wohnraum ist auch für Karl-August Schwarthans, Geschäftsführer der AWO-Integrations gGmbH, ein zentrales Problem. Er kennt die Verhältnisse in Rheinhausen, weil viele Bewohner des Hauses seine Beratungsstelle in Duisburg aufsuchen. Ein weiteres Problem: „Weil Deutschland und Österreich als einzige EU-Länder die Bürger der neuen Mitglieder vom Arbeitsmarkt ausschließen, sind diese Leute, wenn sie hier sind, gezwungen, sich irgendwie durchzuschlagen.“
Im Gegensatz zu manchen anderen erwartet Schwarthans deshalb auch keine Verschärfung, sondern eine Entspannung, wenn rumänische und bulgarische Bürger ab 2014 auch in Deutschland volle Freizügigkeit, inklusive Arbeitserlaubnis und Recht auf Sozialleistungen, genießen. In puncto Schulpflicht sieht er die Stadt in Bringschuld: „Aus unseren Beratungen sind uns reichlich Zuwanderer bekannt, die ihre Kinder sehr wohl zur Schule schicken wollen, für die aber keine Schulplätze gibt und die jetzt auf Wartelisten stehen.“
Hochfeld im Brennpunkt
Bezirksbürgermeister Winfried Böckhorst, der im selben Viertel, nur wenige hundert Meter vom „Problemhaus“ entfernt wohnt, erklärte, dass sich die Politik des Problems annehmen will. Wie das konkret aussehen soll, konnte er noch nicht sagen. Als erster Schritt soll Bezirksamtsleiter Rainer Sanner demnächst regelmäßig an dem Arbeitskreis teilnehmen, der unter Federführung von Integrationsreferentin Leyla Özmal ein „Handlungskonzept“ für den Umgang der Stadt mit Zuwanderern aus Osteuropa entwirft - eigentlich für Hochfeld, mittlerweile auch für Rheinhausen.
Hintergrund: Zuwanderung rückläufig
Rumänien und Bulgarien sind seit 2007 Mitglieder der EU. Bis Ende 2013 genießen die dortigen Staatsbürger allerdings, anders als in anderen EU-Ländern, nur „eingeschränkte Freizügigkeit“ in Deutschland: Sie dürfen einreisen, können aber nicht legal arbeiten und haben in der Regel keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Dass, wie Karsten Vüllings (BL) vermutet, rumänische und bulgarische Staatsangehörige über eine vorgeschobene Gewerbeanmeldung massenweise nach Rheinhausen einreisen, um uneingeschränktes Bleiberecht zu erlangen, bestätigen die Zahlen der Stadt Duisburg nicht: Nur 25 bulgarische und ganze 17 rumänische Staatsangehörige hatten Ende Mai 2005 in diesem Bezirk ein Gewerbe angemeldet.
In ganz Duisburg sind es 618 beziehungsweise 147. Laut Karl-August Schwarthans von der Awo-Integrations gGmbH ist die Zuwanderung aus diesen Ländern nach Duisburg dieses Jahr erstmals seit langem rückläufig.