Duisburg. .

Als „Neuanfang für Duisburg“ die Unterschriften für einen Bürgerentscheid zur Abwahl von OB Sauerland übergab, erhob sich die Ratsmehrheit zum Applaus. Die Aktivisten hatten zuvor im Rat bereits einen überparteilichen Oberbürgermeister gefordert.

Der Mitglieder der rot-rot-grünen Mehrheit im Stadtrat spendeten der „Neuanfang für Duisburg“ am Montagnachmittag stehend Beifall, als die drei Sprecher der Initiative und einige Helfer im Ratssaal 17 Aktenordner symbolisch überreichten. 17 Aktenordner mit – das ergab die allerletzte Zählung vor der Übergabe – 79.193 Unterschriften von Duisburgern für einen Bürgerentscheid zur Abwahl des seit der Loveparade umstrittenen Oberbürgermeisters Adolf Sauerland. Zur Erinnerung: Nach der geänderten Gemeindeordnung sind für die Einleitung dieses Abwahlverfahrens 55.000 Unterschriften notwendig.

Die Listen nahm Bürgermeister Benno Lensdorf vor der Ratssitzung als Vertreter des befangenen OB entgegen. (Der hatte eine Stunde zuvor im Treppenhaus geäußert, sich bis zum 12. Dezember nicht zur eindrucksvollen Zahl der Unterschriften äußern zu wollen.) Die Sicht auf die Übergabe der Unterschriftenlisten versperrten den Ratsleuten Fotografen und Kamerateams. In Panik, die Bilder und O-Töne im Massenandrang nicht einfangen zu können, kletterten etliche Kameraleute auf die Tische der Kommunalpolitiker. Einen noch besseren Überblick hatten die etwa 100 Bürger auf den Emporen, darunter vor allem Unterstützer der Abwahlinitiative.

„Politische Würde zurückerobern“

Was deren drei Sprecher dem Duisburger Stadtrat zu sagen hatten, konnten aber alle im Sitzungssaal verstehen. So appellierte Werner Hüsken an Sauerland, der hochverschuldeten Stadt den „etwa 500.000 Euro teuren Bürgerentscheid zu ersparen“ und nach der amtlichen Bestätigung der Unterschriften durch die Stadtverwaltung zurückzutreten. Dafür gibt die Gemeindeordnung Oberbürgermeistern nach der Einleitung des Abwahlverfahrens sieben Tage Zeit.

In Umzugskartons trugen die Helfer der Initiative die Aktenordner hinauf in den Ratssaal. Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
In Umzugskartons trugen die Helfer der Initiative die Aktenordner hinauf in den Ratssaal. Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Harald Jochums war am Montag vor den Ratsleuten bereits einen Schritt weiter. Er forderte, „der neue Duisburger Oberbürgermeister“ müsse „unabhängig und überparteilich sein“. Nur so sei in Zukunft, „nach dem Neuanfang“ möglich, was die Bürger wünschten: „Mehr Offenheit! Mehr Transparenz! Stadtteile stärken.“

Dass die Duisburger „angefangen haben, ihre politische Würde zurückzuerobern“, attestierte ihnen Theo Steegmann, der dritte Sprecher der Initiative. Er kreidete der Stadtspitze erneut die „mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung der Loveparade-Katastrophe“ und „das 420.000 Euro teure Gefälligkeitsgutachten“ an. Vor dem Rathaus hatte er sich eine Stunde zuvor bei den Duisburgern bedankt: „Die Stärke unserer Initiative waren die vielen Bürger, die selbst gesammelt und uns volle Listen zurückgebracht haben.“

SPD-Fraktionschef wehrt sich gegen Kritik

SPD-Fraktionschef Herbert Mettler wehrte sich am Rande der Übergabe gegen Theo Steegmanns Kritik an den Duisburger Parteien. Bei der Pressekonferenz der Initiative „Neuanfang für Duisburg“ am Montagmittag hatte Steegmann kritisiert, die Partei- und Ratsmitglieder hätten sich „an unseren Infoständen zu selten blicken lassen“ und obendrein „zur Aufklärung der Loveparade-Katastrophe bislang zu wenig beigetragen“.

Mettlers Konter: „Unsere Ortsvereine haben sich bei der Unterschriftensammlung sehr wohl engagiert. Es war aber mit der Initiative abgemacht, dass wir uns im Hintergrund halten.“ Der „große Erfolg“ der Aktivisten sei, so der Fraktionsvorsitzende, ohne den Einsatz seiner Genossinnen und Genossen „kaum möglich gewesen“. Seine Fraktion habe zudem „alles uns Mögliche getan, um die Aufklärung voranzubringen und politische Konsequenzen herbeizuführen.“ Als Beispiel nannte Mettler den Einsatz für Sauerlands Abwahl kurz nach der Loveparade im September 2010: Damals war diese gescheitert, weil sich im Stadtrat nicht die nötige Zweidrittelmehrheit für die Einleitung eines Abwahlverfahrens fand.

„Sie spielen hier doch Normalität nur vor“

Das letzte Wort zum Thema des Tages aber hatte am Montag im Rathaus, zumindest in aller Öffentlichkeit, ein Bürger aus Neudorf. Franz Möhring war im Ratssaal sitzen geblieben, als die Sprecher und Helfer von „Neuanfang für Duisburg“ – und mit ihnen die Kamerateams und Fotografen – in den Raum 225 zur amtlichen Übergabe weitergezogen waren.

Er hatte wie die Fraktionen und städtischen Bediensteten etwa fünf Minuten darauf gewartet, dass der Oberbürgermeister nach all der Aufregung in den Saal kommt, um die Sitzung zu leiten. Und als Adolf Sauerland dann auf dem Podium Platz nahm und zur Tagesordnung überging, hielt es Franz Möhring doch nicht auf seinem Platz. Auf seinem Weg hinaus aus dem Saal fiel er dem Stadtoberhaupt mit Aufregung und Zorn in der Stimme ins Wort: „Treten Sie zurück, Herr Sauerland!“ Als dieser ihn zur Ordnung rief, brüllte der alte Mann zum Abschied über das diffuse Unbehagen im Saal hinweg: „Sie spielen hier doch Normalität nur vor.“