Duisburg. . In dem Stadtteil im Duisburger Süden leben im Durchschnitt die ältesten Menschen im Ruhrgebiet.

Der Pizzabäcker macht es sich auf einem Stuhl vor seinem Restaurant gemütlich. Zeit zum Entspannen. Es ist Mittagszeit, doch in seiner Pizzeria herrscht eher Siesta-Stimmung. Was nichts mit seinen Speisen zu tun haben dürfte, sondern vielmehr mit Ungelsheim an sich. Nur eine Handvoll Menschen sind im Ort zu sehen. Zu Fuß, auf dem Fahrrad, mit dem Rollator. Mittagszeit in Duisburg-Ungelsheim, dem Stadtteil, der die ältesten Einwohner im gesamten Ruhrgebiet beherbergt.

Ungelsheim zur Mittagszeit, das ist wie eine Geisterstadt ohne Geister. Im bräunlich getönten Schaufenster des Modeladens Volkhardt, der seine Türen zur Mittagsruhe noch geschlossen hat, liegt eine Schaufensterpuppe ohne Oberkörper. Das Schild daneben verspricht nicht nur Rabatte, sondern informiert auch darüber, dass dies nicht nur ein Modegeschäft für die betagte Generation ist. Hier gibt es Lösungen für alle Probleme: Schuhreparaturen, Teppich- und Lederreinigung, Heißmangel, Lottoannahme. All inclusive sozusagen. Gegenüber vereinsamt ein Edeka-Laden, in dem Ladenlokal ein paar Häuser weiter klebt vergilbtes Papier in dem Schaufenster, in dem einst Fleischwaren angepriesen wurden. Der Metzger fehlt Ungelsheim genauso wie der Edeka-Markt. Vor allem wegen des Lebens auf der Straße. „Die Leute haben hier ihre Quätschchen gehalten“, weiß Stefan Lindner.

Sieben Schüler in einer Klasse

Heute sind nur noch ein paar Ungelsheimer im Ortskern anzutreffen, aber denen winkt Stefan Lindner dafür umso freundlicher zu. Seitdem er der erste Vorsitzende des noch jungen Ungelsheimer Bürgervereins ist, kennt er Hinz und Kunz.

Lindner wohnt seit 16 Jahren hier, seine Großeltern gehörten zu den ersten Bewohner von Ungelsheim. Er weiß, wie es mal war. Mit einem Kino im jetzigen Physiozentrum. Mit einer Post, einer Polizeidienststelle, einer Wäscherei, einer Kneipe und einer Grundschule. Die schloss im vergangenen Jahr. Zu wenige Kinder. Lindners eigene Tochter war davon betroffen – gerade mal sieben Schüler gingen in die dritte Klasse.

Aber anders als das Metzgergeschäft und der Edeka-Laden bleibt das Gebäude der Grundschule nicht leer, die private englischsprachige St. George’s School zieht demnächst ein. „Vielleicht entdeckt langfristig die eine oder andere Familie Ungelsheim für sich“, sagt Lindner. Denn der Ortsteil braucht Nachwuchs, braucht zu den vielen Senioren auch junge Familien. Mit 51,8 Jahren im Durchschnitt ist Ungelsheim laut des Amtes für Statistik und Europaangelegenheiten in Duisburg der älteste Stadtteil des Ruhrgebiets.

Ungelsheim ist ein Produkt aus der Ansiedlung der Mannesmann-Werke in Huckingen. Rund 1500 Wohnungen entstanden hier für die Mannesmann-Mitarbeiter, meist Zweifamilienhäuser oder Miethäuser, alle im ähnlichen Stil. Anfang der 60er Jahre stieg der Bedarf auf 2300 Wohneinheiten – für rund 6400 Bewohner. Die Anzahl der Wohnungen ist geblieben, die der Einwohner nicht. Die hat sich mehr als halbiert, rund 3200 Bürger zählt Ungelsheim heute nur noch.

Von den ursprünglichen Bewohner sind einige gestorben, neue Bürger, vor allem Familien, kommen kaum nach. „Die meisten Wohneinheiten sind zirka 60 Quadratmeter oder kleiner. Für Familien ist das Wohnungsangebot unattraktiv“, sagt Lindner. Daran müsste sich etwas ändern, meint der Vorsitzende des Bürgervereins. Denn prinzipiell sei Ungelsheim mit seiner Lage im Grünen und seiner guten Verkehrsanbindung attraktiv.

Langer Donnerstag – bis 16.30 Uhr

Nur die Infrastruktur lässt zu wünschen übrig. Dabei appelliert der Bürgerverein auch an die Stadt Duisburg. „Wir bräuchten professionelle Hilfe, so etwas wie ein Stadtteilmanagement“, sagt Lindner. Auch wenn er Optimist ist, so fürchtet er doch manchmal, dass die bestehenden Geschäfte irgendwann schließen, wenn das Umfeld nicht stimmt. Zwei Bäcker gibt es noch, einen Drogerieladen, der sogar mittags geöffnet hat, eine Apotheke, einen Schreibwarenladen, einen Frisör mit langem Donnerstag – dann hat er bis 16.30 Uhr geöffnet. Und der Geschenkartikelhändler, der Marillen-Likör und Bärwurz anbietet, hat sich sogar erst kürzlich „Am Finkenacker“ angesiedelt. Stefan Lindner grinst. „Es gibt auch tatsächlich Neueröffnungen in Ungelsheim.“