Duisburg. . Zu Besuch in Bruckhausen, Duisburgs jüngstem Stadtteil: 34,59 Jahre ist der Bruckhausener durchschnittlich alt. Der Stadtteil ist geprägt von abblätternden Fassaden, Industriegeruch und sozialen Problemen. Rachid und Kadir gefällt’s dort trotzdem.
Zwischen den Häusern wabert der Geruch von Kohleöfen. Die Straßen sind trist, obwohl die Sonne strahlt. In der Kneipe „Tante Emma“ ist schon lange keiner mehr eingekehrt. Die Fassaden könnten alle einen Eimer Farbe vertragen. Auch wenn einige Gebäude dem Grüngürtel weichen müssen – idyllisch wird Bruckhausen wohl nie. Für all das haben Rachid (18) und Mücahit (12) keinen Blick. Das hier ist ihre Heimat, ihr Block. Sie und die vielen anderen Jugendlichen machen Bruckhausen zum jüngsten Stadtteil Duisburgs. 34,59 ist der Bruckhausener durchschnittlich alt.
"Da wissen wir wenigstens, wo wir arbeiten werden“
Wer mit dem Begriff „jung“ automatisch die Wörter „trendig“ oder „szenig“ assoziiert, liegt hier falsch. Alle, die sich über das Kohlenpott-Klischee aufregen, sollten mal durch die Straßen in diesem nördlichen Stadtteil streifen. Er ist Prototyp des alten Bilds von Duisburg: grau, die Fenster blind, halb verdeckt von abgerissenen, vergilbten Gardinen. Und direkt gegenüber: Ausblick auf den Hochofen. Es dampft und raucht über der Industriekulisse. „Mich stört das nicht. Wir sind hier aufgewachsen. Da wissen wir wenigstens, wo wir später mal arbeiten werden“, sagt Kadir (16). Er findet sowieso nicht gut, dass die Häuser abgerissen werden sollen. „Dadurch verändert sich der Stadtteil, ich mag ihn so.“
Und noch etwas finden er und seine Freunde gut: Man trifft immer junge Leute auf der Straße. Kunststück, es gibt ja auch viele davon. Meist sind sie draußen unterwegs. Mücahit (12) geht mit Gleichaltrigen freitags immer in die Moschee. Da gibt’s dann spezielle Jugendangebote. Meist treffen sie sich beim Sport. Dreimal in der Woche wird im Fitnessraum des Kulturbunkers geboxt.
"Wir passen uns langsam den Deutschen an"
Die Musik hämmert aus den Lautsprechern. Im Hintergrund baumeln Sandsäcke von der Decke herab. „Seitdem ich hier hinkomme, bin ich viel ruhiger geworden. Es gibt nicht so oft Stress“, erklärt Rachid (18). Er will einmal sein Abitur machen und später studieren. Was genau, weiß er noch nicht.
Dursun Kaya passt auf, dass die Jungs sich ordentlich benehmen. Er trainiert die Truppe. Zunächst hüpft der athletische Thyssen-Angestellte mit den Teenagern durch den Raum. Anschließend müssen sie Sit-Ups machen. „Mitzählen“, fordert er auf. Die Anstrengung ist ihnen anzusehen. Fit wollen sie alle werden. Aber darum geht es Dursun Kaya nicht nur: Wenn es Ärger gibt oder wichtige Arbeiten in der Schule anstehen, setzt er sich mit ihnen zusammen. Ihm geht es nicht nur um Sport, sondern auch um Werte. Disziplin gehört dazu. Warum Bruckhausen so jung ist? Der Trainer kann es sich nicht erklären. „An den vielen Kindern kann es eigentlich nicht liegen“, rätselt er und führt aus: „Ich kenne viele Familien, die haben nur noch zwei Kinder. Da passen wir uns langsam den Deutschen an.“
Türkische Popmusik in den Straßen
Bruckhausen ist noch in einer anderen Disziplin Spitzenreiter: Wenn es um die „Verdichtung von sozialen Problemlagen“ geht. So geht es auf dem „Kinder- und Jugendförderplan“ der Stadt hervor. Soll heißen: Bei der Sprache gibt es bei den Jungen und Mädchen Defizite, viele Familien beziehen Sozialleistungen und auch bei der Gesundheitsvorsorge gibt’s Verbesserungsbedarf. Die Stadt steuert gegen, indem sie vor Ort viele Hilfen anbietet
Das Training ist beendet. Rachid und Kadir machen sich auf den Weg nach Hause. An der Kreuzung steht ein Auto und beschallt die Straße mit türkischer Popmusik.
Kein Klischee, sondern Bruckhausen.