Duisburg. . Der letzte Supermarkt hat dicht gemacht und gen Nachmittag werden die Bürgersteige hochgeklappt: Ungelsheim ist Duisburgs ältester Stadtteil und das Durchschnittsalter liegt hier bei 51,6 Jahren. Die Senioren wollen den Stadtteil nach vorne bringen.

Im Ortskern von Ungelsheim sind an diesem Nachmittag die Bürgersteige hochgeklappt. Kaum ein Mensch auf der Straße, gerade mal fünf Autos kurven in dieser Stunde durch die Siedlung. Die wenigen Geschäfte, die es noch gibt, schließen bereits mittags. Nur den langen Donnerstag hat der Frisör beibehalten – bis 16.30 Uhr. Der einzige Supermarkt ist längst dicht gemacht worden. Die Grundschule verzeichnete nur sechs Anmeldungen und bringt keine Klasse mehr zustande. Die Kinder fahren nun nach Huckingen, um dort zu lernen. Willkommen in Duisburgs ältestem Stadtteil.

51,6 Jahre ist der Ungelsheimer im Durchschnitt. 1955 wurde die Siedlung errichtet, um für die Mitarbeiter der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann Wohnraum zu schaffen. Die Arbeiter zogen mit ihren Familien ein – und gehen nun beinahe gemeinsam am Stock. Dabei ist die Wohngegend eigentlich gefragt. Aber Häuser werden hier kaum frei und in die typischen Zwei-Zimmer-Wohnungen ziehen keine jungen Familien.

Klatsch und Tratsch im Seniorentreff

„Der ganze Ort ist ein Altersheim“, sagt eine Passantin, die gerade ihren Hund ausführt. Trotzdem fühlt sie sich wohl, „weil es so schön ruhig ist“. Die, die unterwegs sind, grüßen sich freundlich. „Vom Sehen“ kennen sie sich sowieso alle. Nur treffen sich die Einwohner nun seltener – seitdem der letzte Supermarkt geschlossen hat, fehlt einfach eine Anlaufstelle. Dabei gab’s in dem Lebensmittelladen nicht nur den Liter Milch, sondern auch den neuesten Klatsch und Tratsch aus dem Ort.

Den erzählen sich Erika Jobst (76), Marianne Bauer (84), Helga Greilich (86) und Irmgard Appelrath (88) nun im Awo-Seniorentreff. Dienstags gibt’s hier Skat für die Herren; mittwochs, zum Kaffee, sind die Frauen fast unter sich. Franz Langa ist einer von zwei Männern in der Runde – aber das zählt nicht, denn der 72-Jährige bedient die Damen. „Ich habe vorher ehrenamtlich im Altenheim geholfen, nun kochen und backen wir hier“, erklärt der Ungelsheimer, der den Betrieb mit seiner Frau aufrecht erhält.

Ein Denkmal für den Erfinder des Rollators

Shoppen, da sind sich die Damen einig, kann man in dem Stadtteil nicht. Pullover, T-Shirts und vielleicht noch ein Unterhemd bekommt man zwar bei Mode Makowiak. „Die haben aber zu kleine Größen“, winken die Frauen ab. Und „knatschig“ sind sie auf den letzten Einzelhändler, der seinen Laden dicht gemacht hat und stattdessen ein schickes Einkaufscenter in Huckingen baute. Nur kommt man da mit dem Rollator so schlecht hin! „Ohne den kann ich mich kein Stück bewegen“, sagt Helga Greilich. Sie findet: „Dem jungen Mann, der dieses Gefährt erfunden hat, gehört ein Denkmal gesetzt.“ Auch Margret Flothmann (83) kann sich nicht damit abfinden, dass es kein Geschäft mehr gibt: „Der hat sein Geld hier verdient und ist dann einfach abgehauen. Dahin, wo es mehr zu holen gibt.“ Auch der Bäcker hat das Weite gesucht. Im Schaufenster hängt noch das Schild. „Hörnchen, 85 Cent.“ Immerhin hat sich der kleine Drogeriemarkt nun ein paar Lebensmittel ins Regal gestellt.

Stefan Lindner, Vorsitzender des Bürgervereins, will den Stadtteil nach vorne bringen. „Wir brauchen Hilfe von der Stadt, damit Ungelsheim attraktiv wird für Jüngere.“ Neulich waren sogar Studenten der Uni Dortmund im Duisburger Süden unterwegs – um sich Ungelsheim als Praxis-Beispiel für den demografischen Wandel anzuschauen. Er ist sich sicher, dass der ruhige Stadtteil eine Zukunft hat und alle an einem Strang ziehen werden. Wie immer. Denn wenn’s was zu feiern gibt, dann halten sie hier auch alle zusammen, treffen sich im Ortskern und erzählen sich wieder die Neuigkeiten.