Duisburg. .

Für die Anwälte der Loveparade-Opfer ist klar, dass Veranstalter, Stadt und Land Verantwortung für die Katastrophe tragen. Sie gehen davon aus, dass frühestens 2012 Anklage erhoben wird und das Gerichtsverfahren Jahre dauert.

Die jüngsten Enthüllungen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ zeigen nach Ansicht von Rechtsanwalt Dr. Julius Reiter „eine erdrückende Faktenlage“ auf, die eine Mitverantwortung des Landes an der Katastrophe der Loveparade deutlich mache. Der Jurist aus der Düsseldorfer Kanzlei „Baum, Reiter & Collegen“, die 70 Hinterbliebene und Verletzte der Loveparade in einem Sammelverfahren vertritt, fordert in diesem Zusammenhang „ein Ende des unwürdigen Gezerres um die Schuldfrage“,

„Die Polizei sollte nun endlich aufhören, die Schuld ausschließlich bei anderen Beteiligten zu suchen“, so Julius Reiter. Alle drei Beteiligten - Veranstalter, Stadt und Land trügen eine Mitverantwortung. „Es gibt keinen monokausalen Schadensverlauf, es gibt nicht einen Alleinverursacher der Katastrophe“, betont Reiter. Es gebe vielmehr ein Versagen aller drei Beteiligten.

Reiter fordert, die Frage nach der juristischen Schuld von der Entschädigungsfrage abzukoppeln. „Die Verantwortlichen sollten sich bereits jetzt - gemeinsam mit den Vertretern der Opfer - auf verbindliche Regeln der Entschädigung einigen.“

Reiter und die von ihm vertretenen Geschädigten appellieren deshalb an den Veranstalter Rainer Schaller und seine Versicherung AXA, an die Stadt Duisburg und den hinter ihr stehenden Kommunalversicherungsverband und an das Land, sich auf eine schnelle Lösung zu verständigen. „Wir wiederholen unseren Vorschlag, dazu eine öffentliche Stiftung einzurichten“, schlägt Reiter vor.

Die Opfer bestünden nachhaltig darauf, an diesen Verhandlungen beteiligt zu werden. Der Jurist: „Nichts darf mehr hinter ihrem Rücken geschehen.“ Über die Höhe der Schadenssumme wollte sich Julius Reiter am Montag nicht äußern. „Es ist ja auch noch gar nicht recht absehbar, was an Folgekosten zum Beispiel für die Behandlung von Traumata noch in den kommenden Jahren entstehen wird.“

Für die Behandlung der rund 500 Menschen, die bei der Loveparade verletzt wurden und die vielen Traumatisierten sehen sich derzeit vor allem die Krankenkassen in die Pflicht genommen. Doch die werden die Millionen-Kosten nach einer Klärung der Schuldfrage vom Verursacher einfordern. Schmerzensgeld und Schadenersatzansprüche Geschädigter und Hinterbliebener werden ebenfalls an die Verursacher gestellt. Versicherungsexperten gehen inzwischen davon aus, dass der Gesamtschaden einen dreistelligen Millionenbetrag erreichen könnte.

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„Auf jeden Fall ist klar, dass die siebeneinhalb Millionen Euro, über die der Veranstalter für die Loveparade bei der AXA versichert war, nicht annähernd ausreichen werden, um alle Ansprüche zu bedienen“, so Julius Reiter.

Zwei Notfallkassen

Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - also mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass damit keine Schuld eingestanden werde - hatten das Land und der Lopavent-Versicherer AXA nach der Loveparade Notfallkassen mit je einer Million Euro eingerichtet. „Das Land hat den Betrag inzwischen auf anderthalb Millionen Euro aufgestockt, weil die Summe nicht reichte“, weiß Reiter. Und auch bei der Regelung der drängendsten Ansprüche habe das Land Nordrhein-Westfalen „eine gute Figur gemacht“. Wohingegen die AXA einen vergleichsweise großen bürokratischen Aufwand betreibe, kritisiert Reiter.

Dass es der AXA am Ende gar gelingen könnte, mit Verweis auf erhebliche Rechtsverstöße durch Land und Stadt in eine Situation zu kommen, bei der sie als Versicherer gar nicht mehr leisten müsse, hält Julius Reiter für extrem unwahrscheinlich. „Es ist doch augenfällig, wie unvollkommen die Vorbereitung der Veranstaltung auf Seiten der Lopavent war.“

Ohne außergerichtliche Einigung könnte die zivilgerichtliche Schadensregelung viele Jahre dauern. Frühestens 2012 werden sich möglicherweise die ersten Angeklagten vor einem Strafgericht verantworten müssen. Die Strafverfahren könnten Jahre dauern und die Zivilgerichtsbarkeit würde die prozessuale Aufarbeitung erfahrungsgemäß erst nach den Urteilen der Strafrichter beginnen. Vor diesem Hintergrund fordert Reiter nun eine schnelle Einigung der Verantwortlichen zum Wohle der Opfer.