Krefeld. . Wegen der psychischen Folgen nach der Massenpanik ist die junge Frau aus Kevelaer bis heute arbeitsunfähig. Jetzt klagte sie gegen ihre Entlassung. Ihr Anwalt berichtet von Panikattacken und Schlafstörungen. „Sie hat Menschen sterben sehen.“
Die junge Frau aus Kevelaer hat die Loveparade überlebt. Sie sei ihr „mit Glück entkommen“, steht in ihrer Akte, mitten aus dem Gedränge zu Füßen der Treppe, in dem 21 Andere ums Leben kamen. Sie steht auch auf keiner Verletztenliste, ihr Körper hat keinen Schaden genommen, wohl aber ihre Seele. So sehr, dass die 27-Jährige acht Monate nicht zur Arbeit gehen konnte – und nun hat sie sie verloren.
Mitte Februar stellte ihr die Pharma-Firma aus Krefeld, bei der sie seit 2007 in der Qualitätskontrolle beschäftigt war, die Kündigung zum 31. März zu. Und dabei wird es wohl bleiben: Das Arbeitsgericht Krefeld schlug am Dienstag einen Vergleich vor, die übliche Lösung bei Streitigkeiten um den Kündigungsschutz. 3800 Euro brutto würde die Klägerin danach als Abfindung erhalten; ihren Job bekommt sie nicht zurück, um ihre Gesundheit kämpft sie.
„Sie hat Menschen sterben sehen"
Und sie ist nicht die Einzige. Mancher, der dem Grauen am 24. Juli in Duisburg entkam, hat seither seinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz verloren, weil die seelischen Folgen ihn arbeitsunfähig machten, bestätigte der Opferverein “Massenpanik Selbsthilfe“ der WAZ zu Jahresbeginn. Die 27-Jährige aus Kevelaer sei „in ein tiefes Loch gesunken“ und “schwer traumatisiert“, sagte ihr Anwalt Christian Schick am Dienstag vor Gericht. Sie habe „Angst um ihr Leben“ gehabt. Noch immer werde sie von Panikattacken, Schlaf- und Konzentrationsstörungen geplagt. „Sie hat Menschen sterben sehen.“
Und trotzdem versucht, ihre Arbeit zu tun. Einen halben Tag Anfang August hat sie geschafft, danach jedoch aufgeben müssen. In einer Klinik war sie danach in Behandlung, später ambulant. „Sie ist überhaupt nicht belastbar“, so Schick über ihren heutigen Zustand. Anfang dieses Monats hat seine Mandantin eine Wiedereingliederungs-Maßnahme in einem SOS-Kinderdorf begonnen. „Es ist ihr fester Wille, in ihr normales Leben zurückzukehren“, erklärte Schick, allerdings: „Wegnehmen kann ihr das Erlebte niemand“, es könne ein halbes Jahr dauern, bis sie wieder voll arbeitsfähig sei.
So lange wollte ihre alte Firma nicht mehr warten, zumal die Mitarbeiterin seit Beginn ihrer Krankheit „keinerlei Auskünfte über ihren Gesundheitszustand“ übermittelt habe. Angeblich verhängte die Mutter der damals „desorientierten“ Patientin eine Kontaktsperre, nachdem der Arbeitgeber im Krankenhaus um Informationen nachgesucht hatte. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei „unzumutbar“, begründete das Unternehmen jetzt gegenüber dem Arbeitsgericht Krefeld. Man habe „zwingend von einer negativen Zukunftsprognose ausgehen“ müssen, erklärte der Anwalt der Firma, Markus Bönninghausen.
Das sei „unverhältnismäßig“, argumentierte die Gegenseite, auch wenn Rechtsbeistand Schick es durchaus „nachvollziehbar“ nennt, was die Beklagte geltend machte: Man müsse den Arbeitsplatz anderweitig wieder besetzen. Zwei Wochen haben die Parteien nun Zeit, den Vergleichsvorschlag zu überdenken. Trotz ihrer Wiedereingliederung kann die junge Frau aus Kevelaer aber wohl nicht in ihre alte Firma zurück. Obwohl ihr Foto samt Namen aus deren Internet-Auftritt bis zum Tag des Gütetermins noch nicht gelöscht war.