Duisburg-Hochfeld. Die Projektgesellschaft „Urbane Zukunft Ruhr“ will in Hochfeld Ideen testen. Welche, erklären die Chefs Ibrahim Yetim und Nils-Christof Ebsen.
Duisburg-Hochfeld soll von einem „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“ zu einem Vorzeige-Stadtteil im Ruhrgebiet werden. Das schwebt dem Wirtschaftsbündnis „Initiativkreis Ruhr“ vor, das vor einiger Zeit mit der Stadt Duisburg, vertreten durch die Gebag, die Projektgesellschaft „Urbane Zukunft Ruhr“ (UZR) gegründet hat. Mit Projekten in den Bereichen Bildung, Soziales, Mobilität, öffentlicher Raum und Wohnen, soll Hochfeld nicht nur eine neue Chance bekommen. In dem Stadtteil sollen auch wie in einem „wissenschaftlichen Reallabor“ Ideen getestet werden. Dank der wissenschaftlichen Begleitung und Analyse sollen die in Hochfeld erprobten Konzepte auch auf andere Städte und Quartiere übertragen werden.
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Nun ist Hochfeld auch Austragungsort der Internationalen Gartenausstellung (IGA) im Jahr 2027 und es werden Millionen in Infrastruktur-Projekte in den Stadtteil investiert. Die Gesellschaft „Urbane Zukunft Ruhr“ will aber auch nach der IGA noch vor Ort sein. Auf zehn Jahre ist der Entwicklungsprozess angelegt.
Für Geschäftsführer Ibrahim Yetim ist Duisburg ein Heimspiel
Vor vier Monaten haben die beiden UZR-Geschäftsführer Ibrahim Yetim und Nils-Christoph Ebsen ihren ersten Arbeitstag. Zusammen mit ihrem Mitarbeiter Ilyas Akdemir und Bernd Kreuzinger vom Initiativkreis Ruhr wollen sie bald ein Büro in Hochfeld beziehen. SPD-Politiker Yetim hat für seine neue Aufgabe sein Landtagsmandat niedergelegt. Er ist gelernter Bergmann, wuchs in Duisburg auf und kennt sich in der Stadt aus. Ebsen kommt aus Neuss, pendelt mit Bus und Bahn zu seiner neuen Wirkungsstätte und hat zuvor als Berater für „EY Etventure“ gearbeitet. Im Gespräch im Rheinpark schildern die Geschäftsführer ihre ersten Eindrücke von Hochfeld, wie sie ihre Arbeit gestalten wollen und wo sie Probleme und Potenziale in dem Stadtteil sehen.
Herr Ebsen, was ist einfacher zu transformieren – Firmen oder Stadtteile?
Ebsen: Firmen neu aufzustellen ist kompliziert. Man muss bei Veränderungsprozessen die Kunden und die Mitarbeiter im Betrieb im Blick behalten und dann herausfinden, was sich tut, wenn man an der einen Strippe zieht. Bei Stadtteilen ist es viel komplexer. Wir wollen in Hochfeld schließlich eine Blaupause für andere Stadtteile im Ruhrgebiet entwickeln.
Was hatten Sie für ein Bild von Duisburg-Hochfeld, bevor Sie den Job angetreten sind?
Ebsen: Es gibt ja den Spruch: ,Berlin kann jeder, Duisburg muss man wollen.’ Sicherlich hatte ich Klischees im Kopf, im negativen, aber auch im positiven Sinne. Immer, wenn ich mit der Bahn nach Duisburg fahre, sehe ich, wie in der Stadt an Veränderung und Zukunft gearbeitet wird – angefangen beim Bahnhof. Freunde und Bekannte haben mich beglückwünscht zu dem Job und der wirklich großen Aufgabe, an der wir hier arbeiten.
Herr Yetim, war es für Sie wie nach Hause kommen?
Yetim: Im Grunde schon, aber ich war ja nie wirklich weg.
Verantwortliche haben erste Kontakte im Stadtteil geknüpft
Wann war Ihr letzter Termin in Hochfeld und wie darf ich mir die Arbeit konkret vorstellen?
Yetim: Das war vergangene Woche, da waren wir im Blauen Haus. Da wird tolle Arbeit geleistet und ein wesentlicher Baustein wird sein, die Perspektiven für die Kinder und Menschen in Hochfeld zu verbessern. Wir tauschen uns regelmäßig mit anderen Akteuren in Hochfeld aus, haben bereits Kontakte zu den Stadtteilmanagern, den Wirtschaftsbetrieben und anderen Multiplikatoren geknüpft. Genauso waren wir aber auch schon auf der Wanheimer Straße unterwegs.
Hilft es, dass Sie Türkisch sprechen? Bekommen Sie so einen leichteren Zugang in die Community?
Yetim: Es hilft, dass die Leute meinen Background kennen. Ich bin in Duisburg aufgewachsen, habe hier als Bergmann gearbeitet und mich politisch engagiert. Ich verdanke der Stadt vieles und habe jetzt die Möglichkeit, etwas zurück zu geben.
An der Stadtentwicklung von Hochfeld haben sich schon viele versucht. Was können Sie besser als die Entwicklungsgesellschaft Duisburg oder die Stadt?
Ebsen: Wir wollen nicht die nächste Förderkulisse werden, sondern nachhaltig etwas verändern.
Haben Sie ein Budget für Ihre Arbeit?
Ebsen: Wir werden sicherlich auch Geld investieren, aber es geht gar nicht immer um Geld.
Yetim: Wir wollen Zugänge schaffen für Kinder und Jugendliche, damit sie teilhaben und beispielsweise eine Ausbildung beginnen können. Mit Ilyas Akdemir haben wir einen Koordinator, der sich um Projekte im Bereich Bildung und Soziales kümmert und Bernd Kreuzinger hat viel Erfahrung beim Initiativkreis Ruhr und der Talentmetropole Ruhr gesammelt. Auch die Mütter wollen wir erreichen, um ihnen eine Perspektive zu geben. Dafür ist eine Zusammenarbeit mit den Kindergärten und Schulen wichtig. Natürlich soll es auch Investitionen geben, die betriebswirtschaftlich sinnvoll sind. Die Unternehmen sollen ihr Knowhow einbringen. Gleichzeitig werden die Projekte und Entwicklungen von Studierenden der Uni Bochum begleitet und ausgewertet.
Ebsen: „Hochfeld soll kein Schickimicki-Stadtteil werden“
Herr Yetim, Sie befürworten das Vorgehen der Task Force, die immer wieder Schrottimmobilien in Hochfeld räumt. Dadurch werden Kinder und Familien aber aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen.
Yetim: Sie wissen ja vielleicht, dass die Bewohner teilweise Matratzengeld zahlen müssen. Im Kern geht es bei der Räumung dieser Bruchbuden darum, Menschen zu schützen. Wenn die Not von Menschen, von Kindern, ohne Rücksicht auf deren Gesundheit durch skrupellose Vermieter ausgenutzt wird und sie dadurch in Gefahr geraten, muss unsere Gesellschaft handeln. Kinder in verschimmelten, feuchten oder brandgefährdeten Häusern dürfen wir niemals akzeptieren. Deshalb ist der Einsatz der Taskforce richtig. Er richtet sich nämlich nicht gegen die Menschen die dort wohnen, sondern gegen die Vermieter dieser unhaltbaren Zustände.
Auf der anderen Seite werden gerade viele Häuser in Hochfeld gekauft – weil die Investoren auf einen Aufschwung spekulieren. Die Bewohner fürchten sich indes vor einer Gentrifizierung und dass sie sich die Mieten nicht mehr leisten können.
Ebsen: Hochfeld soll kein Schicki-MIcki-Stadtteil werden., aber durch die Lage zwischen Innenstadt und Rhein ist Hochfeld interessant für neue Bewohnerinnen und Bewohner. Auch Studenten könnten den Stadtteil bereichern.
Yetim: Hochfeld liegt nah an der Universität und an Wedau mit riesigem Freizeitangebot, Gleichzeitig gibt es viele städtebauliche Entwicklungen wie die Duisburger Dünen, Sechs-Seen-Wedau oder Rheinort. Wir wollen die Menschen dabei mitnehmen und mit ihnen Hochfeld gemeinsam entwickeln.
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Gibt es etwas, das Sie überrascht hat?
Ebsen: Wenn man die Wanheimer Straße entlang spaziert, findet man rund 50 Supermärkte und gastronomische Betriebe und keinesfalls nur Döner. Gemeinsam mit einem Blogger von „Pottspot“ haben wir „Foodfeld“ entwickelt, bei dem man die kulinarische Seite Hochfelds entdecken kann. Das ist ein ganz anderer Zugang als sonst.
Wie geht es nun weiter?
Yetim: Wir sind nun seit vier Monaten vor Ort und bauen gerade die Gesellschaft auf. Erste Unterstützungsangebote haben wir von städtischen Unternehmen, aber auch von unseren Partnerunternehmen zugesagt bekommen. Diese nun zu konkretisieren ist wichtig. Danach erst können wir seriös erste Meilensteine präsentieren.
>> DAS IST DER INITIATIVKREIS RUHR
- Der Initiativkreis Ruhr hat seinen Sitz in Essen und zählt mehr als 70 Unternehmen und Institutionen, die Partner sind. In der Gemeinschaft lässt sich mehr bewegen: Gemeinsam wollen sie das Ruhrgebiet weiterentwickeln und „nachhaltig zukunfts- und wettbewerbsfähig mitgestalten“.
- Handlungsfelder sind beispielsweise die Bereiche Wirtschaft, Bildung und Kultur. „Aus diesem Antrieb heraus entstanden Leitprojekte mit Strahlkraft“, heißt es von Seiten des Initiativkreises.
- „Urbane Zukunft Ruhr“ ist eines davon. „Innovation City in Bottrop“ ein anderes. Duisburger Mitglieder sind beispielsweise Duisport, Haniel, Klöckner und Siemens: