Duisburg. Sollte Duisburgs OB Sören Link (SPD) im Wahlkampf neutral sein, weil er nicht zur Wahl steht? Das sagt Politikwissenschaftlerin Sandra Plümer.

Bei keiner Wahl hat die Stimme des Einzelnen so viel Gewicht wie bei der Kommunalwahl. „Deshalb ist es eigentlich nicht gerechtfertigt, dass die Wahlbeteiligung regelmäßig so niedrig ist“, sagt Sandra Plümer. Mit der Politikwissenschaftlerin, die an der NRW School of Governance der Uni Duisburg-Essen (UDE) zur Kommunalpolitik lehrt, haben wir über die Kommunalwahl am 13. September gesprochen.

Welchen Stellenwert hat die Kommunalwahl aus politikwissenschaftlicher Sicht?

Sandra Plümer: Es gibt den Begriff der „Second-Order-Election“. Ähnlich wie Europawahlen sind sie zweit-, wenn nicht drittrangig für viele Bürger. Eigentlich verwundert das. Denn die Auswirkungen von Politik sind nirgendwo so sichtbar wie vor der eigenen Haustür. Deshalb ist es wichtig, darüber zu informieren, wer und was überhaupt gewählt wird.

Kommunalwahl Duisburg: Corona und fehlende OB-Wahl könnten Wahlbeteiligung beeinflussen

Warum gelingt das nicht, die Sicht des Wählers zu verändern?

Leider sind Unkenntnis und Nichtwissen über kommunale Strukturen und Prozesse weit verbreitet. Da muss mehr informiert und kommuniziert werden. Dauerhaft und nicht nur in der heißen Wahlkampfphase. In einigen Städten gibt es digitale Ratssitzungen – das ist ein Angebot, dass zumindest Transparenz schafft.

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Tatsächlich findet Kommunalpolitik, von Ausnahmen abgesehen, ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt.

Kommunikation muss nicht zwingend institutionalisiert sein. Aber mit den gängigen Formaten erreichen die Ratsmitglieder viele Bürger offenbar nicht.

Sind die Entscheidungsprozesse zu kompliziert?

Die Strukturen scheinen in der Tat etwas verworren. Jetzt kommt mit dem Ruhrparlament ein weiteres Organ hinzu, das erstmals direkt gewählt wird. Dessen Rechte, Pflichten und Aufgaben sind kaum bekannt und sehr vage. Man merkt, dass es auch bei den Parteien nicht an erster Stelle steht. Dabei könnte es ein wichtiges Gremium für die Region werden.

In Duisburg wird der Oberbürgermeister nicht gewählt. Fehlt ein wichtiger Anreiz, zu Wahl zu gehen?

Das könnte durchaus einen negativen Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben. Aber: Eventuell gibt es durch die Corona-Pandemie eine Re-Politisierung der Gesellschaft, die das ausgleicht. Die Frage ist vielmehr: Wie bekannt ist eigentlich, dass der OB nicht zur Wahl steht.

Den Vorwurf, er verstoße gegen das Neutralitätsgebot, muss sich Duisburgs OB Sören Link gefallen lassen, der am 13. September nicht zur Wahl steht.
Den Vorwurf, er verstoße gegen das Neutralitätsgebot, muss sich Duisburgs OB Sören Link gefallen lassen, der am 13. September nicht zur Wahl steht. © Foto: SPD Duisburg

Die SPD wirbt auf ihren Plakaten mit Oberbürgermeister Link. Verstößt das gegen das Neutralitätsgebot?

Staatsorgane sollten laut Neutralitätsgebot keinen Einfluss auf Wahlkämpfe nehmen, dürfen nicht parteiisch sein. Für den OB gilt bei der Wahl des Neutralitätsgebot. Wenn offen mit dem OB geworben wird, ist sicherlich zu überdenken, ob das mit dem Neutralitätsgebot vereinbar ist. Den Vorwurf des Verstoßes gibt es ja auch von Duisburger Parteien.

Zur Wahl für den Rat stellen sich 20 Parteien und Wählervereinigungen. Wie erklärt sich die Vielfalt?

Das kommunale Landschaft hat sich stärker ausdifferenziert. Das sah man schon bei der Wahl 2014. Es ist zudem ein europaweiter Trend erkennbar, dass die Anzahl an parteilosen Bürgermeistern stetig zunimmt. Es ist wohl eine Reaktion darauf, dass die herkömmlichen Parteien die Bürgerinteressen vermeintlich nicht mehr ausreichend spiegeln. Dabei gibt es oft eine große thematische Nähe zwischen kleineren Parteien, Wählergemeinschaften und parteilosen Kandidaten zu den anderen Parteien. Es führt aber vielfach dazu, dass der OB keine Ratsmehrheit mehr hinter sich weiß. Das macht Kommunalpolitik nicht einfacher.

Kommunalwahlen und Corona: In Bayern starke Präferenz für Amtsinhaber

Duisburg hat versucht, es durch eine Große Koalition zu lösen. Ist das eine gute Lösung?

Per se schlecht ist das nicht. Wenn es thematisch passt – warum nicht?

Die Ergebnisse der rechten und rechtsextremen Parteien – das war ein Schock nach der Wahl 2014. Was ist da passiert?

Das war teilweise inhaltliche Überzeugung, teilweise auch Protest. Die rechten Parteien profitierten in Duisburg damals von einer starken Diskussion um Armutszuwanderung, die seitens der CDU angestoßen wurde.

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Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Wahl?

Die Kommunalwahl kann als eine Art Bewertung des kommunalen und landespolitischen, wenn nicht bundespolitischen Corona-Krisenmanagements gesehen werden. Vielleicht nimmt thematisch auch die Diskussion über die öffentliche Daseinsvorsorge Fahrt auf. In Essen ist das beim Thema Krankenhäuser ein Riesenthema. Man kann nur hoffen, dass Inhalte wieder mehr zählen. Dabei: In der Literatur zu Wahlen in Krisen heißt es eigentlich, dass intuitive Entscheidungen in Krisenzeiten zunehmen. Es wäre zu wünschen, dass die kommunalen Themen in der Krise mehr Bedeutung gewinnen.

Wie haben sich die Amtsinhaber in dieser Situation geschlagen?

Die Kommunalwahlen in Bayern, die ja zu Beginn der Pandemie stattfanden, zeigten in diesem Zusammenhang eine starke Präferenz für Amtsinhaber, wenngleich es signifikante Unterschiede zwischen den Parteiensystemen in NRW und Bayern gibt. Dennoch zeigt dies eine gewisse Tendenz auf. Rechte Parteien gewannen übrigens nicht an Stärke hinzu.

Wahlkampf ist schwierig. Gibt es erfolgreiche Formate?

Viel Neues gibt es zunächst nicht. Die Parteien bemühen sich, traditionelle Formate wie Infostände auch unter Corona-Bedingungen zu machen. Dann ist da eine allmähliche Digitalisierung, unterschiedlich stark ausgeprägt. Es wird spannend sein zu sehen, in welche Richtung das in den nächsten Wochen geht. Es hängt stark von den Kandidierenden und ihren finanziellen Mitteln ab, wie sie sich präsentieren können.

Wagen Sie eine Prognose für die Wahlbeteiligung?

Vielleicht gibt es durch die Pandemie ein steigendes Interesse an Politik. Aber es gibt damit wenig Erfahrung: 2009 hat dieses Effekt durch die Finanzkrise nicht gegeben. Ich hoffe, dass möglichst viele Duisburger zur Wahl gehen, und kann nur appellieren, das zu tun, aber ich bin nicht optimistisch, was eine hohe Wahlbeteiligung betrifft.

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>> Sandra Plümer: Fachfrau für Kommunal- und Landespolitik

  • Die Politikwissenschaftlerin Sandra Plümer lehrt an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen und promoviert derzeit zur NRW-Landespolitik.
  • Am Duisburger Uni-Campus gibt sie Seminare zur Kommunalpolitik und zur Kommunalwahl.
  • Die Essenerin war außerdem als Autorin beteiligt an der Publikation „Wahlen in NRW“ von Prof. Dr. Rudolf Korte, die die Landeszentrale für politische Bildung herausgibt.