Duisburg. . Die NRW School of Goverance ist zehn Jahre alt. Sie will politisches Anwendungswissen vermitteln, sagt ihr Direktor, Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte.
Die NRW School of Governance zählt zu den Aushängeschildern der Universität Duisburg-Essen (UDE). Ihr Masterstudiengang hat in zehn Jahren den Ruf erworben, ein Wegbereiter für Karrieren zu sein. Das liegt nicht zuletzt ihrem Direktor: Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist in den Medien gefragt als Analyst von Wahlergebnissen und politischen Entwicklungen. Zum Jahrestag spricht er über seinen Spaß an öffentlicher Kommunikation, über sein Interesse an den Mechanismen der Macht und die Zukunft der NRW School of Governance.
Was war Anlass für die Gründung der NRW School of Governance?
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte: Zum einen der Bologna-Prozess. Wir wollten einen profilierten Master-Studiengang für Politikmanagement und öffentliche Verwaltung attraktiv anbieten. Um interessante Studierende hierher zu bekommen, benötigte es eine zusätzliche Idee. Auch Drittmittel gibt es nicht für einen neuen Studiengang allein – es braucht noch etwas mehr. Wir wollten Elitenförderung starten um den Kernbereich herum – die Vermittlung modernen Gestaltungswissens. Die Professional School war unsere Antwort.
Sie betonen die Praxisorientierung?
Prof. Dr. Korte: Ja, denn wir sind Fachleute in Theorie und Methodik, nicht aber in der Anwendung. Wir brauchen wissenschaftlich reflektierten Praxisbezug. Experten aus der politischen Praxis kommen einmal, aber nicht regelmäßig. Dazu mussten wir zusätzliche Mittel einwerben für Gastprofessuren, Stipendienprogramme und neue Lehrformate. Der Unterschied etwa zur Hertie-School in Berlin ist, das unser Angebot kostenlos ist. Das wird von den Förderern besonders anerkannt.
Brauchen Universitäten mittlerweile diese „Markenbildung“?
Prof. Dr. Korte: Auf jeden Fall. Um den Master herum brauchen Sie eine Exzellenz-Aura, die sich als Profil klar abgrenzt. Das Elitebewusstsein der ausgewählten Studierenden gehört auch dazu, das ist ein Erkennungsmerkmal, das uns von anderen unterscheidet.
Öffentliche Präsenz des Direktors
Wie ist die Resonanz?
Prof. Dr. Korte: Von etwa 450 Bewerbern pro Jahr wählen wir 25 bis 30 zum Wintersemester aus. Gerade laufen die Auswahlgespräche. Wir legen Wert darauf, dass es sehr heterogen bleibt. Wir wollen idealerweise unterschiedliche Abschlüsse, ein Drittel eigene Bachelor, die anderen aus anderen Regionen. Es macht uns stolz, wenn Bewerber fünf Zusagen anderer Unis haben, aber unbedingt zu uns wollen – in die Metropole des Westens.
Eine Aura braucht auch Inhalt. Worauf setzen Sie?
Prof. Dr. Korte: Der Master Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung wird vom Institut für Politikwissenschaft getragen. Die NRW School of Governance verantwortet in Forschung und Lehre den Anwendungsbereich. Die Attraktivität hängt mit dem Rundum-Paket zusammen: theoretische Grundlagen mit Anwendung und Praxis zeitgemäß zu verknüpfen. Hier wird modernes sozialwissenschaftliches Gestaltungswissen erarbeitet und vermittelt. Mit diesem Wissen ausgestattet, sind unsere Absolventen sehr gefragt in Unternehmen, Verwaltung und Politik.
Gehört zur Aura auch die öffentliche Präsenz des Direktors?
Prof. Dr. Korte: Zu unserem Selbstverständnis gehört, dass wir Wissenstransfer ernst nehmen. Wir wollen unsere Forschungsergebnisse weitergeben. Teil der öffentlichen Kommunikation zu sein, erhöht das auch die eigene Analysefähigkeiten. Für die Studierenden eröffnen sich dadurch auch automatisch Möglichkeiten, an Politiker für Interviews heranzukommen. Vielen aus unserem Team macht es Spaß, medial präsent zu sein. Das hat auch dazu beigetragen, dass die NRW School of Governance bundesweit bekannt ist und Orientierungen, Bewertungen, Analysen multimedial vertritt.
Die Gastprofessoren
Wo bleiben Ihre Absolventen?
Prof. Dr. Korte: Ein Drittel geht in Unternehmen, etwa in die Strategie- und Kommunikations-Abteilungen, ein weiteres Drittel in die politiknahen Felder, in Ministerien, Parlamente, Berufsverbänden. Viele sind in Berlin gelandet, dort gibt es zudem eine eigene Alumni-Gruppe.
Hat die Wirtschaft die Politikwissenschaftler entdeckt oder liegt’s an der praxisorientierten Ausbildung?
Prof. Dr. Korte: Beides kommt wohl zusammen. Was wir machen, wird aufmerksam registriert, das zeigen mir die vielen Anfragen von Unternehmen. Auch in politischen Ämtern sind unsere Absolventen ankommen, als Beigeordnete in Rathäusern – der Krefelder Oberbürgermeister Frank Meyer ist unser erster Großstadt-OB und gehörte zum ersten Jahrgang des Masters vor zehn Jahren.
Wird es mit den Jahren einfacher, Gastprofessoren zu gewinnen?
Prof. Dr. Korte: Ja. Dabei: Schwer war es nie. Die meisten fühlen sich geehrt, viele wünschen sich, die Vorlesung in einem richtigen großen Vorlesungssaal zu halten. Der Nimbus der Uni zieht noch.
Politikwissenschaftler und Parteien
Ex-Bundespräsident Christian Wulff kommt, wen hätten noch Sie gern?
Prof. Dr. Korte: Am interessantesten fand ich immer jene, die sowohl in der Landes- als auch in der Bundespolitik unterwegs waren und noch eine zeitliche Nähe zum Amt stehen. Jürgen Rüttgers sollte sicher hier auch mal eine Gastprofessur für ein Semester wahrnehmen – als ehemaliger Forschungsminister im Kabinett Kohl und NRW-Ministerpräsident.
Wie groß ist für Sie die Gefahr, als Politikwissenschaftler mit einer bestimmten Partei in Verbindung gebracht zu werden?
Prof. Dr. Korte: Wir machen wissenschaftliche Politikberatung auch für Parteien. Distanz und Nähe muss bei wissenschaftlicher Politikberatung immer ausbalanciert sein. Verschwiegenheit gehört auch dazu.
Akzeptieren Parteien einen Diener zweier Herren?
Prof. Dr. Korte: Aber ja. Sie fragen sich: Mal sehen, ob wir den oder die auch kriegen? Sie sind an den Forschungsergebnissen interessiert. Es geht um politische Expertise.
Die nächsten zehn Jahre
Wie groß ist für Sie der Reiz, selbst Politik zu machen?
Prof. Dr. Korte: Den gibt es nicht. Ich bin unabhängig, der Wahrheit und dem Erkenntnisgewinn als Wissenschaftler verpflichtet, muss mich nicht dogmatisch an eine Parteiperspektive als Wahrheitssicht halten. Als Wissenschaftler gibt es immer wechselnde Wahrheiten, je nach Forschungsstand. Wir machen verschiedene Angebote. Die Politik muss sich auf ein Angebot verständigen. Zudem arbeitet man als Wissenschaftler hierarchiefrei, was man nicht eintauschen möchte.
Zehn Jahre sind vergangen, was planen sie für das nächste Jahrzehnt?
Prof. Dr. Korte: Frisch entwickelt ist unser Weiterbildungsmaster für Public Policy – da gab es wachsende Nachfrage aus Unternehmen, Verbänden, Ministerien. Die Bewerbungen laufen, bald starten wir mit dem zweiten Jahrgang. Es soll eine neue Marke werden. Außerdem wollen wir im Bereich der Forschung und der Lehre neugierig und sensibel bleiben für Themen und neue Lehrformate für eine neue Lese- und Lerngeneration. Traditionelle Forschung bleibt wichtig – dass wir in der Grundlagenforschung noch mehr angreifen, auch das ist mein Wunsch.
Welches Thema fesselt Ihr Interesse besonders?
Prof. Dr. Korte: Politisches Entscheiden in Krisensituationen. Wir erleben ein Ereignisgewitter – was macht das mit den Spitzenakteuren und mit denen, die das vorzubereiten haben? Wie entscheiden Politiker zukünftig in der Risikomoderne – unter Bedingungen der Beschleunigung, im Kommunikationsstress und bei Themen großer inhaltlicher Komplexität.