Duisburg-Ruhrort. Carl Schmidt und Robert Haeger wurden 1920 von Traditions-Stahlfirmen nach Duisburg gelockt. Seitdem wird hier tonnenweise Stahl umgeschlagen.

Auf der Stahlinsel im Duisburger Hafen ist seit 100 Jahren „Heavy Metal“ angesagt. Der Mittelständler „Haeger & Schmidt Logistics“ (HSL) schlägt hier seit 1920 Stahl in allen erdenklichen Formen um. Bleche, Brammen, Drahtrollen und Rohre werden per Lkw oder Bahn angeliefert und dann in die weite Welt verschifft. Zu den Kunden gehören etwa Thyssenkrupp, Arcelor-Mittal und Vallourec. Damals waren es die Rheinischen Stahlwerke, die die Herren Robert Haeger und Carl Schmidt nach Duisburg lockten, damit sie einen neuen Standort der Spedition gründeten.

Keine Binnenschiffer-Romantik wie in TV-Serien

Portraits der beiden Firmengründer, Robert Haeger und Carld Schmidt, finden sich noch heute in Dokumenten im Deutschen Binnenschifffahrtsmuseum in Duisburg-Ruhrort.
Portraits der beiden Firmengründer, Robert Haeger und Carld Schmidt, finden sich noch heute in Dokumenten im Deutschen Binnenschifffahrtsmuseum in Duisburg-Ruhrort. © FUNKE Foto Services | Repro: Jörg Schimmel

Die Firma ist streng genommen noch etwas älter. Robert Haeger und Carl Schmidt machten sich erstmals 1887 in Antwerpen selbstständig. Doch die belgische Regierung beschlagnahmte den Betrieb nach dem Ersten Weltkrieg. Die Duisburger Firmen brauchten einen Dienstleister, der für sie den Stahl zu den großen Seehäfen brachte. So kamen die beiden ins Ruhrgebiet. „Auch heute ist Antwerpen noch der wichtigste Seehafen für Stahlprodukte“, erklärt Heiko Brückner, Sprecher der HSL-Geschäftsführer. Er ist seit den 1980er Jahren dabei, hat als Speditionskaufmann-Azubi angefangen und für die Unternehmensgruppe seitdem neue Geschäftszweige mitentwickelt. „Wir hatten schon immer Kräne, hier wurde auch vor 100 Jahren nie per Hand verladen“, erzählt er lächelnd. Mit der Binnenschiffer-Romantik wie sie etwa die TV-Serie „MS Franziska“ vermittelte, hatte das Geschäft sowieso noch nie etwas zu tun, auch wenn sich immer noch der eine oder andere Schiffsjunge mit Name und Datum an der Spundwand verewigt. Das Geschäft ist schnelllebig.

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Die Ware wird angeliefert und verladen oder gelagert. Ein riesiger Kran hievt gerade eine Bandstahlrolle, Coil genannt, vom Lagerplatz. Gekonnt bugsiert der Kranführer das rund 24 Tonnen schwere Material in einen Container. Die Kisten werden längst nicht mehr nur mit Dingen des täglichen Bedarfs gefüllt, sondern eben auch mit Stahl. „Damit fließen sie im Warenverkehr mit“, erklärt der kaufmännische Geschäftsführer Per Nyström. 1000 Boxen werden jeden Monat „gestaut und gesichert“.

Duisburger Unternehmen beschäftigt europaweit 200 Mitarbeiter

Heiko Brückner, Per Nyström und Peter Stöttinger führen das Unternehmen heute.
Heiko Brückner, Per Nyström und Peter Stöttinger führen das Unternehmen heute. © RR | Foto: RR

Gearbeitet wird „trimodal“, das heißt, die Ware wird über Gleise per Bahn, mit Lkw über die Straße oder eben per Schiff abgefertigt. Von der Stahlinsel im Südhafen geht’s per Transporter zum gegenüberliegenden DeCeTe-Terminal und dann aufs Schiff. Die riesigen Hallen, die über das Hafenbecken ragen, prägen die Szenerie und sind schon von weitem zu sehen. Sie bieten Schutz für empfindliche Güter, 1980 war die damalige Thyssen-Tochter mit dieser Bauweise Pionier im Duisburger Hafen, 1990 wurde die zweite gebaut. Im Jubiläumsjahr soll der Spatenstich für eine dritte erfolgen. Dort, wo sich jetzt noch ein Freilager befindet, wird eine weitere, 9.180 Quadratmeter große, Halle mit zwei 40-Tonnen-Kränen errichtet. Zwölf Millionen Euro werden vom österreichischen Mutterkonzern Felbermayr, zu dem Haeger & Schmidt Logistics inzwischen gehört, investiert.

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Auf der Stahlinsel geht es ruhig und routiniert zu. 9,1 Millionen Tonnen werden pro Jahr umgeschlagen und transportiert, außerdem 400.000 Standardcontainer. Europaweit zählt die Unternehmensgruppe mehr als 200 Mitarbeiter und macht über 170 Millionen Euro Umsatz. Ein Motorschiff, die „Schwelgern“, nennt die Firma noch ihr eigen, der Rest der Flotte ist langfristig gechartert. „Das funktioniert wie bei der Straßenbahn. Die Unternehmen, die mit uns Transport-Verträge haben, wissen, wann wir fahren und buchen dann“, beschreibt Nyström das Prozedere.

„Stahlproduktion ist Hightech.“ Entsprechend sorgsam müssen die Coils verladen werden.
„Stahlproduktion ist Hightech.“ Entsprechend sorgsam müssen die Coils verladen werden. © FUNKE Foto Services | Foto: STEFAN AREND

„Die heutige Stahlproduktion ist Hightech, entsprechend vorsichtig müssen wir beim Verladen sein.“ Mit seinen aktuell 23.500 Quadratmetern offener Lager- und Umschlagsfläche gehöre das Unternehmen zu den „bedeutendsten Dienstleistern für die Stahlindustrie in Duisburg“, wirbt Nyström. Brückner ergänzt: „Auch dem absehbaren Strukturwandel der Stahlindustrie kommen wir mit unserem neuen Stahl-Hub entgegen.“ Zudem sei die Investition ein Bekenntnis zu Duisburg. Geplant und gebaut wird die Halle von Duisport und soll im ersten Quartal 2021 fertig sein. „Wir sind mit unseren Kunden, Partnern und Mitarbeitern gut für die Zukunft aufgestellt“, blickt Brückner zufrieden nach vorne.

Wechselvolle Geschichte

Kurz nach der Neugründung vor 100 Jahren am Duisburger Standort übertrugen Robert Haeger und Carl Schmidt ihre Anteile an ein Tochterunternehmen der Rheinischen Stahlwerke AG mit. In einer Selbstauskunft, die im Binnenschifffahrtmuseum zu finden ist, heißt es, dass das Stammkapital zehn Million D-Mark betrug.

Eine Werbung aus den 1980er Jahren.
Eine Werbung aus den 1980er Jahren. © FUNKE Foto Services | Repro: Jörg Schimmel

1926, schlossen sich verschiedene Stahlproduzenten, darunter die Erzgruben und Betriebe der Rheinischen Stahlwerke sowie die August Thyssen-Hütte in Bruckhausen zu den Vereinigten Stahlwerken zusammen. Rheinstahl verkaufte Haeger & Schmidt an Raab Karcher. Raab Karcher wiederum gehörte seit 1906 zur Bergwerks AG, die ebenfalls 1926 den Vereinigten Stahlwerken beitrat.

Zahlreiche Betriebe der Vereinigten Stahlwerke ließen ihre Güter von Haeger & Schmidt abwickeln. „Dies war die Grundlage für ein kräftiges Wachstum und bald konnte das Tausend-Fenster-Haus als Firmensitz bezogen werden“, heißt es in der Chronik. Nach dem Zweiten Weltkrieg tat das Wirtschaftswunder sein Übriges. „Neben der Binnenschifffahrt spielten auch andere Transporte eine immer größere Rolle“, erinnert sich Heiko Brückner. 1962 wird die Lkw-Spedition Rheinkraft gegründet und 1967 übernahm die August Thyssen-Hütte. Damit gehörte sie zu den großen Reedereien auf dem Rhein.

„In den 1980er Jahren kam das Short Sea-Geschäft mit den Küstenmotorschiffen hinzu. Auch für den Containerverkehr wurde im Unternehmen ein eigener Bereich aufgebaut“, erklärt Brückner. Erfolge wurden gefeiert. Zu den kuriosen Fundstücken im Museum gehört eine Speisekarte von der Veranstaltung „Niederrhein in Flammen“ am 16. September 1983. Die Gäste bekamen etwa „Doppelte Kraftbrühe Royal“, mild gepökelten Bauernschinken und eine Eisbombe samt Schlagsahne.

1998 verkaufte die Thyssen AG ihre Transport-Sparte – so kam es, dass das Unternehmen Teil der belgischen Bahn SNCB wurde. Nach 15 Jahren trennten sich die Belgier wieder und das österreichische Logistik-Familienunternehmen Felbermayr übernahm Haeger & Schmidt Logistics. „Das war ein großes Glück“, findet Brückner. Und Horst Felbermayr, der das Unternehmen in dritter Generation führt, sagt: „Wir kannten uns ja schon von gemeinsamen geschäftlichen Aktivitäten, das passt sehr gut.“ Er sei mit der Entwicklung sehr zufrieden.

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Duisport-Chef Erich Staake spricht dem Traditionslogistiker seine Glückwünsche aus: „Über all die Jahre hat Haeger & Schmidt Logistics bei Entscheidungen und Investitionen Kontinuität bewiesen und damit nicht nur die Grundlagen für geschäftlichen Erfolg gelegt, sondern den Duisburger Hafen sowie die Region nachhaltig gestärkt.“ Gemeinsam habe man den Strukturwandel im Ruhrgebiet bewältigt.