Bottrop-Kirchhellen. Regional, saisonal und teuer: Wie kommt der Spargel in Bottrop-Kirchhellen vom Feld in den Hofladen? Ein Besuch beim Spargelhof Beckmann.
Spargel, das königliche Gemüse, ist wieder in aller Munde. Seit rund fünf Wochen läuft die Saison. Der Betrieb von Familie Beckmann hat sich auf den Anbau nur dieses einzigen Gemüses spezialisiert. Die WAZ durfte sich den Weg vom Feld bis in den Hofladen anschauen. Eines der Felder liegt in Kirchhellen.
Insgesamt baut die Familie den Spargel auf circa 40 Hektar an. Viel Werkzeug wird nicht benötigt. Wilhelm Beckmann genügen ein Stechmesser und eine Kiste. Noch sind die Dämme mit Folien geschützt. Die weiße Folienseite liegt nach außen und reflektiert einen Teil der Sonnenstrahlen, der Damm erwärmt sich dadurch langsamer.
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Wilhelm Beckmann entfernt an einer Stelle die Folie. Der Spargelkopf und ein Teil des Schafts schauen bereits heraus. Beckmann gräbt ein wenig Erde beiseite, legt das Messer an und sticht ab. Was einfach aussieht, bedarf jahrelanger Erfahrung. Wenn man zu tief schneidet, verletzt man die Wurzel. Wenn man zu hoch schneidet, bleibt zu wenig vom essbaren Teil der Stange übrig.
Die Familie Beckmann greift deshalb auf Spargelstecher aus Polen zurück, die seit Jahren zur Saison nach Kirchhellen kommen. Bei ihnen sitzt jeder Handgriff. Gezahlt wird mindestens der Mindestlohn, gestochen wird im Akkord, so Beckmann. Wer also viel sticht, bekommt noch mehr Lohn obendrauf.
Am Ende des frühen Arbeitstages werden mehrere Kisten mit Spargel zum Betrieb an die Rentforter Straße transportiert. Dort angekommen, erhalten sie ein sanftes Wasserbad. Alle Kisten werden zunächst in einem großen Behälter untergetaucht. Noch sind die Spargelstangen, vor allem der Schaft, verdreckt.
Anschließend folgt echte Handarbeit. Die Mitarbeiter streifen sich Handschuhe über, die bis zu den Ellenbogen reichen. Tief greifen sie ins Wasser und holen einen großen Schwung an Spargelstangen hoch. Auf einem Transportband werden sie abgelegt. Die Köpfe nach oben. Was sofort auffällt: Am Ende ist der Spargel vom Stechmesser nicht gerade abgeschnitten worden. „Er hat eine schräge Kante“, sagt Wilhelm Beckmann.
Ein falscher Schnitt kann fatale Folgen für den Spargel haben
Der Grund dafür liegt in der Handhabung des Stechmessers, das von oben führend die Stange abtrennt. Auch die Spitze des Messers weist eine abgewinkelte Form auf. Ein gerader Schnitt auf dem Feld könnte außerdem die Triebe verletzen oder im schlimmsten Fall die Pflanze zerstören.
Den typischen geraden Schnitt, wie Verbraucher ihn kennen, erhält der Spargel bei Beckmann erst in der Schneidemaschine auf dem Hof. Die Stangen werden zusätzlich mit Wasser gereinigt.
Direkt hinter der Schneidemaschine befindet sich auf dem Band eine Sortiermaschine. „Von jeder Stange werden drei Fotos gemacht“, erklärt Wilhelm Beckmann. So schnell, dass das menschliche Auge diesem Prozess nicht folgen kann. Ein Computer übernimmt automatisch die Sortierung und entscheidet über die Dicke der Stange und deren Form.
Die jeweiligen Stangen landen schließlich vom Band in den entsprechenden Kisten. Mitarbeiter kontrollieren zusätzlich, ob wirklich jede Stange in der richtigen Kiste gelandet ist. Zehn Kilo sollen die Kisten am Ende schwer sein. Im nächsten Schritt landen die vollen Spargelkisten, zusätzlich gekühlt mit Eiswasser, im hofeigenen Kühlhaus – jedoch nur für ganz kurze Zeit. „Es geht nicht darum, sie lange einzulagern“, so Wilhelm Beckmann.
Der Grund für den Besuch des Kühlhauses ist leicht erklärt: Die Frische und die Qualität sollen erhalten bleiben. Denn der Spargel wird bei milden bis sommerlichen Temperaturen gestochen, wenn er nach der Ernte im Betrieb ankommt. „Wir wollen die Kerntemperatur auf zwei Grad herunterbekommen“, sagt Beckmann.
Erst danach folgt der nächste Schritt in der Produktion: das Schälen. Die vollen Kisten werden zur automatischen Spargel-Schälmaschine transportiert. Hier legt ein Mitarbeiter die einzelnen Stangen in Förmchen, die wie Winkel aussehen, sodass sie nicht verrutschen können. Ein andauerndes Klack-Klack-Klack-Geräusch erfüllt den Raum.
Zwei Greifarme schnappen sich jeweils eine Stange, klemmen den Spargelkopf ein und heben die Stange hoch. Zugleich schälen zwei Klingen rundherum den Schaft ab. Theoretisch würde die Maschine, so Beckmann, bis zu 10.000 Stangen in einer Stunde schaffen. Dafür müsste jedes einzelnes Ablageförmchen belegt werden. „Diese perfekte Auslastung ist aber nicht nötig“, sagt der Spargelfachmann.
Tausende in einer Stunde: Hochwertige Stahlklingen schälen die Spargelstangen
Die Maschine ackert auch im Normalbetrieb wie im Akkord. Eine Stange nach der anderen wird geschält. Die beiden „hochwertigen Klingen“, so Beckmann, erbringen Höchstleistung. Der Druck, mit dem die Klingen auf den Schaft treffen, ist vorher eingestellt worden.
Während des Schälvorgangs läuft unentwegt Wasser an den Stangen und Klingen hinunter. „Damit werden die Schalenreste abgewaschen, und die Klingen bleiben sauber“, erklärt Beckmann. Die gesammelten Reste werden am selben Tag zu einer Mistplatte gebracht und als Dünger benutzt.
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Auf der anderen Seite der Maschine werden die frisch geschälten Stangen automatisch in die Förmchen zurückgelegt. Von dort erhalten sie ihren endgültigen Feinschliff.
Auf drei Hochbänken sitzen mehrere Damen. Mit geschultem Blick nehmen sie jede (!) einzelne Stange genau unter die Lupe. Das Auge der Kunden isst schließlich mit. Mit einem kleinen Messer werden die letzten Schalenreste entfernt. Das königliche Gemüse muss nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch die Verbraucher überzeugen.
Regionaler Spargel ist ein Luxusgemüse: Das sind die Gründe
Die fertigen Stangen landen nach der letzten Kontrolle in den Kisten, einige krumme Stange werden auch durchgeschnitten. Die Köpfe und die Schäfte werden bei Beckmann als Spargelbruch verkauft.
Frischer geht’s nicht. Vom Feld, direkt in den Betrieb und in die Direktvermarktung. So viel Aufwand hat seinen Preis. Wilhelm Beckmann: „Spargel ist ein Luxusprodukt.“ Bei Beckmann liegt die Preisspanne pro Kilo zwischen neun und 18 Euro. Spargelbruch gibt es dagegen schon für 5,50 Euro pro Kilo. Aber warum ist der Spargel teurer als andere Gemüsesorten? „Es ist die manuelle Arbeit“, sagt Wilhelm Beckmann.
Spargelstechen ist auch kein Schön-Wetter-Job. Als die Saison begann, mussten die Spargelstecher bei Beckmann raus aufs Feld die Folien auf den Tunneln auf- und ablegen, um nach dem ersten Spargel zu schauen und zu stechen – bei Wind und Wetter, nach Starkregen, matschigem Boden und mit Gummistiefeln.
Beckmann über den nächsten Grund: „Die Lohnkosten sind gestiegen. Die Mitarbeiter sollen auch ihren Lohn für diese harte Arbeit bekommen.“ Die Spargelpflanze benötigt zudem viel Pflege. Bis zu zehn Jahre kann Spargel dank einer Pflanze geerntet werden. Laien können mit dem falschen Stich diese und folgende Ernten zerstören.
Und der Spargel ist ein sensibles Gemüse. Er liebt Sonne, Hagel und Frost kann er gar nicht leiden. Die regionale Spargelsaison ist nur bis zum Johannistag, den 24. Juni. Das macht ihn außerdem so besonders.