Bottrop-Kirchhellen. Briefmarken, Briefe aus und nach Kirchhellen sowie Postkarten zeigt der Heimatverein in seiner Ausstellung. Ein Hingucker: alte Dorfansichten.
Einen „Gruß aus Grafenwald“ schickte im Jahr 1902 der Postkartenschreiber, mit Bildern des Hofes von Franz May, der katholischen Kirche, des Gasthauses Söller. Es ist eine von vielen Erinnerungsstücken auf alten Postkarten, die der Heimatverein Kirchhellen nun ausstellt – mit historischen Ansichten aus Kirchhellen, Feldhausen und Grafenwald. Die Ausstellung im Heimathaus am Wellbraucksweg wird am Sonntag, 24. September, um 11 Uhr eröffnet. Bis zum 12. November wird sie nun jeden Sonntag von 11 bis 14 Uhr zu sehen sein. Für Schüler und Gruppen können auch separate Termine ausgemacht werden: (02045) 40 25 00.
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Auf die Idee mit der Ausstellung kam der Heimatverein im vergangenen Jahr, als der Briefmarkensammlerverein Bottrop von 1930 seinen runden Geburtstag mit einer Ausstellung in der Alten Börse an der Kirchhellener Straße nachholte. „Können wir so etwas nicht auch im Heimathaus in Kirchhellen machen“, hat der Heimatvereinsvorsitzende Peter Pawliczek den Briefmarkensammler und Vereinsvorsitzenden Rainer Weiß gefragt. Der war genau der richtige Ansprechpartner: Weiß besitzt die wohl größte Sammlung von Ansichtskarten von Kirchhellen. „Als ich anfing zu sammeln, ging ich davon aus, dass es rund 500 Motive gibt“, sagt Weiß. „Heute habe ich 500 Motive und weiß von rund 100 weiteren.“
Neben den Ansichtskarten ist auch viel Wissenswertes über Briefmarken zu sehen und über Post nach Kirchhellen (der älteste Brief ist von 1816) und aus Kirchhellen (1811 und 1812). Dort wird auch die Geschichte der Kirchhellener Postleitzahlen erklärt. Außerdem gestalten die Bottroper Briefmarkensammler einen Raum mit Beispielen aus ihren Sammlungen. Auch die Arbeitsgemeinschaft Briefmarken der offenen Ganztagsbetreuung (OGS) der Fichteschule hat ein Stück der Ausstellung mitgestaltet: Sammler Heinz-Jürgen Grossmann betreut die Schüler seit Jahren. „Das wäre doch auch eine schöne Idee für eine unserer Kirchhellener Schulen“, sagt Pawliczek.
Hier einige Hingucker aus der Ausstellung im Heimathaus:
St. Antonius-Hospital
Die psychiatrische Klinik an der Gartenstraße hat gerade ihr 40-jähriges Bestehen gefeiert. Der Altbau des Krankenhauses wurde 1909 eröffnet. Zahlreiche Spender und Bürgen halfen der Gemeinde St. Johannes bei der Finanzierung
Katholische Kita St. Johannes Ekel
Die ehemalige Schule Ekel wurde 1876 erbaut und im Jahre 1910 aufgestockt und mit einer Lehrerwohnung versehen. Die Einrichtung der Kita St. Johannes Ekel in der ehemaligen Schule Ekel ist ein Verdienst des Kirchbauvereins, der die „Patenschaft“ über diesen Kindergarten übernommen hat.
Gast- und Schenkwirtschaft Schulte-Terhausen
Der Arbeitskreis Grafenwald verortet die Gaststätte an der heutigen Bottroper Straße 161 nördlich des heutigen Buswendeplatzes. Dann wäre an diesem Standort eine mehr als ein Jahrhundert währende gastronomische Tradition zumindest unterbrochen: Im Juli haben dort die Betreiber des „El Greco“ wegen Wirtschaftskrise, Inflation und Personalnot aufgegeben.
Schloss Beck in Feldhausen
Das zentrale Gebäude des heutigen Freizeitparks entstand aus einem Nutzungskonflikt. So berichtet jedenfalls der Landschaftsverband Westfalen-Lippe über die Entstehung des Baudenkmals. „Freiherr von der Wenge beabsichtigte zunächst nur, seine mittelalterliche Burg Alt-Beck zu einem funktionalen Wirtschaftshof zu erweitern. Ab 1746 aber brachte der westfälische Barock-Architekt Johann Conrad Schlaun den Gedanken an einen Neubau auf. Allmählich entwickelte er die Idee, statt eines westfälischen Wasserschlosses ohne Gartenbezüge eine ,Maison de plaisance’ nach französischem Vorbild zu bauen, bei der Garten, Vorwerk und Wohnhaus zusammen auf einer Insel liegen und eine Einheit bilden. Von der Wenge war jedoch die Funktionalität seines Wirtschaftshofes äußerst wichtig, so dass der Architekt viele Zugeständnisse machen musste und sich die Realisierung des Bauvorhabens über zwanzig Jahre hinzog.“ 1776 wurde der Bau fertiggestellt, Schlaun hat das nicht mehr erlebt.
Benningsmühle Kirchhellen
Seit 2016 befasst sich der Kirchhellener Reinhard Benning mit der Geschichte seiner Familie. Bereits 1806 errichteten die Vorfahren von Reinhard Benning die erste gemauerte Mühle an der heutigen Schulstraße. „Es ist eine typische holländische Windmühle“, so Benning. Wie es zum Bau dieses gigantischen Bauwerks aus Ziegeln kam, liegt aber noch im Familiendunkel. Später entstand an der Utschlagstraße eine weitere Windmühle, die aber in Holzbauweise errichtet wurde. Sie war in Kirchhellen später auch als „Terbracks-Mühle“ bekannt. „Auch hier gab es verwandtschaftliche Beziehungen“, sagt der Familienforscher.
Die „Dorfpartie Kirchhellen“
Diese Postkarte zeigt den Blick etwa von der heutigen Oberhofstraße über die Straße „Am Alten Kirchplatz“ auf die alte Dorfkirche. Sie wurde am 12. Juni 1917 zerstört bei einem Brand, über dessen Ursache bis heute nur spekuliert werden kann. Viele wertvolle Kirchenschätze wurden bei dem Feuer zerstört, nur einige wenige Teile sind noch in den neuen Kirche St. Johannes zu sehen. Sie wurde 1924/25 außerhalb des damaligen Dorfkerns gebaut. Die Ruinen der alten Kirche sind als Bodendenkmal erhalten. Zum 100. Jahrestag des Kirchenbrandes zeigt der Heimatverein eine Ausstellung mit Erinnerungsstücken.
Die Grafenmühle
Das heutige Freizeitgebiet verdankt seinen Namen tatsächlich einem Grafen: Dietrich Graf von Merveldt, Besitzer des Vossundern, betrieb am Haus Hove in Osterfeld zwei Wassermühlen. Um 1740 beantragte er die Verlegung einer dieser Mühlen nach dem Vossundern. 1755 wurde die Mühle vom Haus Hove „abgenommen und auf’m Vossundern vor dem daselbst neu anzulegenden Damm neu aufgesetzt“, zitiert der Arbeitskreis Grafenwald eine alte Chronik. Der bis heute erhaltene Mühlteich ist im Wortsinn der Ursprung des Mühlteichs. Ebersbach und Pötteringsbach speisen den Teich, dahinter heißt das Wasser Rotbach.
Warum die Mühle in Grafenwald „Prokelisermühle“ genannt wurde, dafür gibt es mindestens zwei Erklärungen. Eine ist ziemlich weit hergeholt und ziemlich ehrenrührig für die Zisterzienserinnen, die sich von 1240 bis 1247 am Hof Deffte ansiedelten und dann nach Sterkrade umzogen. Weil ab 1910 Motorkraft das Wasser unterstützte, gehen die Wöller lieber davon aus, dass der Name sich ableitet von Prokeliereisen, einem Mundartwort für ein Werkzeug.
Reichspost
Heimatforscher Wilhelm J. Fleitmann, Experte für das historische Postwesen im Vest Recklinghausen, hat oft und gern die Geschichte geschrieben, dass es die Alte Post in Kirchhellen gleich dreimal gibt. 1863 wurde eine „Postexpedition II. Klasse“ im Gebäude des heutigen Gasthauses Alte Post an der Bottroper Straße eröffnet. 1909 war der Postverkehr so stark angewachsen, dass die Postexpedition ein Häuschen weiterzog und aufgewertet wurde: In das neu gebaute Haus neben der „Alten Post“ zog das „Kaiserliche Postamt“ ein. Ende 1927 zog die Post, erweitert um den „Fernsprechselbstanschlussbetrieb“ um in einen Neubau an der heutigen Hauptstraße gegenüber der Brennerei Körner; heute steht dort statt der Schnapsfabrik das Jugendkloster. Und direkt neben der Brennerei, sagt Rainer Weiß, habe es eine weitere Postbaracke gegeben. Das wäre dann die vierte Alte Post gewesen; heute baut dort gerade Wohnbau Overhagen.
Gruß aus Grafenwald
Der „Gruß aus Grafenwald“ zeigt die 1899 eingeweihte katholische Kirche. 1970/71 entstand neben ihr die neue Kirche, 1972 wurde die alte Kirche abgerissen. Rechts ist die Gaststätte Söller, später Buschler, zu sehen. Die von Bernhard Söller betriebene Gastwirtschaft gab es schon bei der Kirchweihe 1899. Der Nachfolgebetrieb Buschler an der Schneiderstraße wurde 1998 geschlossen, 2016 wurde das Gebäude abgerissen. Heute steht dort ein Mehrfamilienhaus. Unten links der alte Mayhof.
Bahnhof Kirchhellen
Der Verein „Natürlich Kirchhellen fasst auf seiner Erklärtafel die Geschichte des Bahnhofs so zusammen: „Der alte Bahnhof Kirchhellen lag an der 1879 eröffneten ehemaligen Bahnstrecke Duisburg – Oberhausen – Kirchhellen – Rheine. Der erste Bahnhof befand sich kurz hinter der Gemeindegrenze auf Gladbecker Gebiet und wurde 1888 in die Nähe des Dorfes verlegt. Ende der 1950er Jahre wurde der Personenverkehr in Kirchhellen eingestellt. Der Güterbahnhof wurde von Dorsten bedient. Nach dem Tod des letzten Bahnhofswirts Anfang 1970 wurde die Bahnhofswirtschaft nicht wieder verpachtet. 1973 wurde schließlich das Bahnhofsgebäude abgerissen.“
Gruß aus Kirchhellen
Die „Chaussee Kirchhellen-Bottrop“ war natürlich die Bottroper Straße, dessen Befestigung Bürgermeister Wilhelm Tourneau viele Mühen und gute Worte gekostet hatten. Und die „Wirtschaft zur Post“ war der Vorgänger der heutigen „Alten Post“. Der umtriebige Josef Feldmann war nämlich gleichzeitig Rendant der Sparkasse, Wirt und Postagent.
Gast- und Schenkwirtschaft Heisterkamp
In dem 1833 erbauten Gebäude an der Hiesfelder Straße/Auf der Kämpe gab es etwa ab 1895 eine Gastwirtschaft. Bekannt sind die ersten Betreiber Spickenbaum, Heisterkamp, Föllmer sowie der Name, unter dem sie von verschiedenen Pächtern weitergeführt wurde: „Zur gemütlichen Kämpe“. Das Haus gibt es noch, die Gaststätte nicht mehr.
Die Mutter aller Kirchhellener Kneipen: Schulte-Wieschen
Mehr als 100 Jahre lang war das 1886 eröffnete Lokal die gefühlte Dorfmitte. Der Verein „Natürlich Kirchhellen“ erinnert daran, wie vielen Zwecken der Bau gedient hatte: der Saal war zum Beispiel nach dem Kirchenbrand von 1917 jahrelang Kirchhellens Notkirche.
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„Nach 1945 beherbergte er auch Flüchtlinge aus den früheren deutschen Ostgebieten. Dort feierten die großen Vereine wie der VfB, die Kolpingsfamilie und die Frauengemeinschaft ihre Feste. Etliche Vereinsgründungen fanden ebenfalls bei Schulte-Wieschen statt. Seit den 1960er Jahren war Josef Schulte-Wieschen, genannt „Löwen-Jupp“ das Gesicht der Traditionsgaststätte. Nach dessen Tod im Jahre 1979 wurde sie unter verschiedenen Pächtern noch bis Ende der 1990er Jahre betrieben.“ Dann wurde das Gebäude abgerissen.