Bottrop-Kirchhellen. Ein Brand vernichtete 1917 Kirchhellens alte Kirche und fast die gesamte Ausstattung. Was verschwunden ist – und was noch erhalten ist.
Mit Schätzen, die sofort ins Auge fallen, kann St. Johannes in Kirchhellen nicht aufwarten. Eine Innenausstattung wie aus einem Guss? Fehlanzeige. Auf den ersten Blick erstaunlich, handelt es sich bei der Pfarrkirche der inzwischen aus den ehemals selbstständigen Pfarreien Feldhausen und Grafenwald zusammengelegten Großgemeinde um eine der uralten Kirchen im heutigen Bottroper Stadtgebiet.
Aber der große Brand, dem die alte, seit dem Mittelalter immer wieder veränderte und erweiterte Kirche bis auf die Sakristei 1917 zum Opfer fiel, hat den größten Teil der alten Ausstattung vernichtet.
Was das Feuer verschonte, verschwand später unter teils mysteriösen Umständen
Was überlebte, vor allem aus der Sakristei, die das Feuer verschont hat, verschwand später, teils unter mysteriösen Umständen, denn Kirchhellen wollte seither immer „up to date“ sein. „In der alten Kirche gab es sogar barocke Altäre, die stammten aus dem Xantener Dom, dem Stift, das in der großen Säkularisation wie fast alle Klöster, Stifte und Bistümer aufgelöst aufgelöst wurde“, weiß Pfarrer Christoph Potowski. Aus Xanten stamme auch die Viktor-Reliquie im Altar.
Bis auf einige Statuen hat den Brand nichts überlebt. Die Barockaltäre schon gar nicht. Einige Statuen hatten es wohl geschafft, waren aber „nur“ aus dem 19. Jahrhundert und fielen dann später dem Zeitgeist zum Opfer. Warum zum Beispiel alte Messgewänder oder liturgisches Geräte aus der unzerstörten Sakristei nicht überdauerten, scheint ein Rätsel – zumindest für nicht Eingeweihte.
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Zeitgeist scheint ein wichtiges Stichwort in Kirchhellen gewesen zu sein. Denn auch, nachdem 1924/25 die heutige Johanneskirche am neuen Standort – damals noch außerhalb des alten Dorfkerns – erbaut worden ist, wurde immer wieder herausgenommen, neu hineingestellt, umgestaltet. Kurz: In St. Johannes blieb wenig lange am alten Ort. Ein paar Ausnahmen gibt es dennoch. Christoph Potowski zeigt den Kelch des legendären Kaplans Xanten, den die Gemeinde dem „ewigen Kaplan“ zum Weihejubiläum schenkte. „Eine ,Katalogarbeit’ wie so vieles, was im 19. und frühen 20. Jahrhundert in historisierenden Formen auf dem Sakralmarkt war, aber der Kelch hat natürlich einen ideellen Wert“, so der Pfarrer.
Ganz anders sieht es mit den Großskulpturen des Bildhauers Franz Rüther im Altarraum aus. „Seine letzten Monumentalfiguren“, sagt Christoph Potowski. Sie wurden 1938 für den erweiterten Hochaltar geschaffen, zusammen mit der alten Kanzel, deren Figuren heute über dem Haupteingang am anderen Ende der Kirche thronen.
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„Der Altar war ungewöhnlich modern für die Zeit, als man entweder üppige Hochaltäre aus Barock oder vor allem dem Historismus gewohnt war“, so Potowski. „Hier hat man sich aufs Wesentliche konzentriert, puristischer ging es nicht.“ Ebenfalls in den 30er-Jahren kamen Metallarbeiten für Franz Guntermann dazu. Drei Reliefs am alten Altar, von denen heute noch zwei erhalten sind. Sie hängen in den Querschiffen der Kirche.
Symbolische Motive auf den abstrakt-farbigen Glasfenstern
Prominent sind auch Arbeiten von Joachim Klos. Die abstrakt-farbigen Glasfenster aus den 60er-Jahren im Chorraum setzen sich von der einfachen Notverglasung im Kirchenschiff ab. „Aber selbst die ist inzwischen eine Besonderheit, weil sie erhalten blieb“, sagt Pfarrer Potowski. Einige Fenster zeigen schlichte Darstellungen, wie zum Beispiel der heiligen Barbara.
Die meisten haben aber symbolische Motive, die Tugenden oder die sieben Sakramente. „Im Ehe-Fenster sind sogar ganz dezent zwei Spielkarten zu erkennen, eine wurde damals vom Skatclub, dem Stifter des Fensters, eingefügt, die zweite von Nachfahren der Stifter, die das Schutzglas von außen finanziert haben“, sagt der Pfarrer.
Die ungleich wertvolleren Chorfenster allerdings führen künstlerisch auch nach Grafenwald. Die dortige hochwertige Verglasung stammt ebenfalls von Klos, der sie etwa fünf Jahre später für die neu erbaute Kirche Heilige Familie schuf. Neben den Fenstern schuf Klos auch den Altar, Ambo und Tabernakel für den Chorraum von St. Johannes. Wieder griff die Gemeinde (oder war es der Pfarrer?) ein: Der Tabernakel gefiel ein paar Jahre später nicht mehr und man bat die Künstlerin Tisa von der Schulenburg (sie schuf auch den Kupfer-Kreuzweg auf der Halde Haniel) um ein neues Gehäuse für das Allerheiligste.
Einen Kreuzweg für St. Johannes schuf sie ebenfalls. auch der ist inzwischen ersetzt worden durch gemalte Stationen, ganz realistisch, im so genannten Nazarener-Stil. „Aber immerhin einer der qualitätsvollsten Nazarener-Kreuzwege im ganzen Bistum, wie die Kunstkommission aus Münster feststellte.“
Das wertvollste Stück ist sicherlich ein einzelnes Messgewand aus den 60er-Jahren. Die Kasel zeigt Goldstickerei auf Seide die Kreuzigung und Auferstehung Christi und stammt von der Künstlerin Lotte Bach. „Das Gewand wurde sogar schon zu Ausstellungen ausgeliehen“, weiß Christoph Potowski.
Eine Kuriosität (zumindest aus heutiger Sicht) hat sich neben vielem Verschollenen auch erhalten: das rot-schwarze Gewand nebst Kopfbedeckung der früheren Kirchenschweizer. Als die Kirchen noch brechend voll waren, sorgten die gestandenen Männer dafür, dass alle einen Platz fanden, Liturgie und Prozessionen geordnet stattfanden. Heute kennt man die Männer mit den „Erdbeerhütchen“ auf dem Kopf noch aus dem Kölner Dom oder der Wallfahrtskirche in Kevelaer. Kirchhellen hat viel, aber doch nicht alles verloren.