Bottrop. Die Präsentation der Urzeit im Bottroper Museumszentrum Quadrat wird auf den neuesten Stand gebracht. Expertin: „Die Sammlung ist großartig.“
Die Pläne für die Neukonzeption der berühmten Eiszeithalle im Museumszentrum Quadrat nehmen konkretere Gestalt an. Jetzt gab es eine erste Gelegenheit, mit Ulrike Stottrop, der früheren Leiterin der Naturkundlichen Sammlungen des Ruhrmuseums, und Museumschefin Dr. Linda Walther über den Umbau der Präsentation zu sprechen, deren herausragende Exponate die Skelettrekonstruktionen von Mammut, Höhlenbär und Wollnashorn sind. Dazu gehört auch die Bottroper Fährtenplatte mit seltenen Tierspuren.
Entlang der A 42 tummelten sich vor 35.000 Jahren Pferd, Bison, Rentier und Löwe
An der A 42, dort, wo nachts die blau angestrahlten Faultürme der Emscher-Kläranlage leuchten, hatten vor 35.000 Jahren Pferde und Bisons, mehrere Rentiere, Wolf und Löwe ihre Fußabdrücke in einem Auelehm der Emscher hinterlassen. „Allein die aktuell gezeigten 35 von etwa 150 Quadratmetern sind neben den zahlreichen Skelettrekonstruktionen schon ein Höhepunkt der bedeutenden eiszeitlichen Sammlung“, schwärmt Ulrike Stottrop beim Rundgang durch die Halle. „Und darüber hinaus noch eine präparatorische Meisterleistung!“
Mit Linda Walther ist die Geologin einig: „Wir müssen die naturkundliche Geschichte hier stringenter erzählen, den Raum mit seinen Aus- und Durchblicken stärker mit einbeziehen, Blickachsen bis hin zum Park freilegen“, so das Duo. Für beide ist nach der Umgestaltung der ortskundlichen Sammlung in der alten Villa, an der Ulrike Stottrop ebenfalls maßgeblich beteiligt war, und der Eröffnung der Josef-Albers-Galerie für Wechselausstellungen nun die Aktualisierung der Abteilung für Urgeschichte der Abschluss der Arbeiten, mit denen das Museumszentrum dann für viele Jahre wieder auf der Höhe der Zeit sein wird.
Fünf Themenbereiche werden künftig stärker herausgearbeitet
Fünf thematische Bereiche umfasst der künftige Rundgang durch die Halle. Das reicht vom „Eiszeitprolog“ über das „Kommen und Gehen“ von Arten, die „Entstehung der Landschaft“ dieser Region, über Knochen vom „Friedhof der Eiszeit“, wie Ulrike Stottrop die geborgenen Relikte augenzwinkernd nennt, bis zum Menschen, der „auf dem Weg ins Anthropozän“, Teil des großen Naturgefüges wird. Manches wird nicht mehr, anderes aus den Depots dafür neu, in anderen Zusammenhängen, zu sehen sein.
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Und auch die erklärenden Tafeln entlang der Wände in ihrer Wortlastigkeit sollen erneuert werden. Über Manches sei einfach die Zeit hinweggegangen. „Die DDR, die noch als Fund- oder Forschungsort in der Ausstellung vorkommt, existiert einfach nicht mehr, bei anderem gibt es längst neue wissenschaftliche Erkenntnisse“, sagt Ulrike Stottrop.
Sie könnte sich auch vorstellen, aus skandinavischen Museumssammlungen ein Rentier nach Bottrop zu holen oder einen Wolf aus der Sammlung des Potsdamer Naturmuseums als Dauerleihgabe. „Beide sind ja mit Abdrücken auf der Fährtenplatte vertreten aber nicht als dreidimensionales Exponat“, so die Wissenschaftlerin. Das wäre aber auch das einzige. Denn: „Der Bottroper Fundus, die Sammlung, ist großartig und vollkommen ausreichend.“
Umstellungen von Vitrinen oder Neuplatzierung einiger der großen Skelette und Tierpräparate wird es auf jeden Fall geben. Eine wichtige Sichtachse auf die Findlingsgruppe im Stadtgarten soll freigelegt werden. Man könne dort zum Beispiel wunderbar zeigen, dass Bottrop einst unter Gletschereis lag.
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Die einzelnen Exponate betrachten, vergleichen, gewissermaßen eine Schule des Sehens im Sinne von Josef Albers zu inszenieren, dem ja die bedeutende Kunstabteilung des Museumszentrum gewidmet ist, das liegt sowohl der Naturwissenschaftlerin Ulrike Stottrop als auch der Kunsthistorikerin Linda Walther am Herzen. Zu schauen – zu erkennen – zu verstehen – zu wissen, das sei auch eines der großen Anliegen von Sammlungsgründer Arno Heinrich gewesen, mit dem Ulrike Stottrop früher zusammengearbeitet hat. „Seine Leistung für den Aufbau dieser Sammlung, bis hin zum zehrenden körperlichen Einsatz soll in der neuen Konzeption der Ausstellung gewürdigt werden, den allein zwischen 1963 und 1976 konnte er bei Bauarbeiten zur Erweiterung des Rhein-Herne-Kanals mehr als 7000 Tierreste und zahlreiche Steinwerkzeuge bergen, die er bei Nassbaggerungen aus den Spülfeldern aufsammelte“, erzählt Ulrike Stottrop.
Und diese Sammlung, die seit 1976 in dem heute denkmalgeschützten Haus zu sehen ist, soll so behutsam aber doch deutlich sichtbar eine Neuausrichtung erfahren, die nicht zuletzt den veränderten Seh- und vor allem auch Lesegewohnheiten Rechnung trägt.
Erneuerung, Kosten und Zeitplan
Bauliche Veränderungen vor allem der in die Jahre gekommenen Ausstellungsarchitektur wie Vitrinen und Beleuchtung wird es geben müssen.
Es wurden bereits Summen von rund einer halben Million Euro für Neukonzeption und knapp einer Viertelmillion für bauliche Änderungen genannt. „Wir müssen sehen, wie die Mittel eingeworben werden können“, so Museumsleiterin Linda Walther. Angesichts fast monatlich sich ändernder Preise, Beschaffungskosten, Lohnentwicklung, Inflation sei zunächst nicht konkret zu beziffern. Beginn der Arbeiten könnte 2024 sein.
Der Raum an sich soll seinen Charakter bewahren. Die Empore in der Mitte bietet einen attraktiven Rundumblick auf die Ausstellung. Sie soll künftig „Lounge“ sein, zum Betrachten einladen und auch Kindern Möglichkeiten zur medialen Erfahrung der Schau bieten.