Bottrop. Mancher denkt über ein Tier als Geschenk nach. Das Bottroper Tierheim rät dringend davon ab und stoppt die Vermittlung über Weihnachten.

Im Bottroper Tierheim geht der Betrieb selbst über Weihnachten regulär weiter. Allerdings stoppt der Verein der Tierfreunde die Vermittlung der heimatlosen Haustiere über die Festtage. Und das, obwohl sich viele Haushalte zum Ende des Jahres überlegen, ob ein tierisches Familienmitglied den Alltag bereichern könnte. Die Tierfreunde Bottrop begründen diesen Schritt mit den schlechten Erfahrungswerten der vergangenen Jahre.

Familien würden ihren Kindern überstürzt Haustiere zu Weihnachten schenken, ohne die mit diesem Schritt verbundene Verantwortung zu kennen. So landen eigentlich zu Weihnachten vermittelte Hunde, Katzen und Kleintiere oft schon nach wenigen Wochen wieder im Heim.

Viel Arbeit an Weihnachten für das Bottroper Tierheim

Hildegard Frank-Tüllmann und ihr zwanzigköpfiges Team betreuen die Tiere von morgens bis spät abends. Sie arbeitet seit 35 Jahren mit Tieren und hat eine Ausbildung zur Tierpflegerin gemacht. „Im Gegensatz zur regulären Arbeitswelt können wir unsere Arbeit an Festtagen nicht ruhen lassen. Auch über Weihnachten und Neujahr müssen die Tiere gefüttert, gepflegt und betreut werden.“

Für Hildegard Frank-Tüllmann bedeuten die Weihnachtszeit und die Monate danach immer ein hohes Arbeitspensum. Die Zwinger und Häuser müssen winterfest sein und die Tiere gerade an Silvester vor dem Knallen und Getöse der Feuerwerke geschützt werden. „Viele unserer Bewohner sind durch ihre ehemaligen Lebensumstände traumatisiert. Diese nervösen und verängstigten Tiere werden durch den Lärm besonders gestresst“, so Frank-Tüllmann.

Tierpflegerin Astrid Cremers mit der Katze Pippa.
Tierpflegerin Astrid Cremers mit der Katze Pippa. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Wer sich ein Haustier zulegt, sollte auch bereit dafür sein“

Hinzu kommt die traurige Tatsache, dass besonders nach Weihnachten die Zahl der im Tierheim abgegebenen Tiere erheblich steigt. Es sei üblich, dass sich Familien kurz vor Heiligabend für ein Haustier interessieren, um dem eigenen Kind Verantwortung beizubringen oder ihm einen Freund an die Seite zu stellen. Diese wenden sich dann an Züchter oder das Tierheim, um sich ohne Vorbereitung oder Erfahrungen mit Haustieren einzudecken.

„Tiere zu verschenken, finde ich falsch. Sich einen Hund oder eine Katze anzuschaffen, ist wie ein Kind zu bekommen. Man benötigt viel Zeit, Geduld und Liebe um das Tier an die neuen Lebensbedingungen zu gewöhnen. Wer sich ein Haustier zulegt, sollte auch bereit dafür sein“, so Frank-Tüllmann. Wer diese Attribute nicht vorzeigen kann, sei schnell mit einem Haustier überfordert oder kann die notwendige Zeit im nach Weihnachten wieder anlaufenden Berufsalltag nicht aufbringen. Und so werden vor wenigen Wochen noch heißgeliebte Vierbeiner in die Tierheime abgeschoben.

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Hildegard Frank-Tüllmann begrüßt generell die Idee, sich an Weihnachten zusammenzusetzen und zu überlegen, ob man bereit ist, ein Tier zu retten und ihm eine zweite Chance in einem neuen Zuhause zu geben. Nur müssen sich die neuen Besitzer der Aufgabe auch bewusst sein. „Bevor wir ein Tier vermitteln, überprüfen wir zuerst, ob die Bewerber genug Platz und Zeit haben. In einer Eingewöhnungsphase besuchen diese das Tier im Tierheim und gehen gegebenenfalls Gassi“, so Frank-Tüllmann. „In Ausnahmefällen vermitteln wir die Tiere dann auch über Weihnachten.“

Bottroper Tierheimleiterin wünscht sich bessere Kontrolle des Welpenhandels

Finanziell stehen dem Verein harte Zeiten bevor. Auch dieser leidet unter den hohen Strom- und Gaspreisen. Die in diesem Jahr besonders gestiegenen Tierarztkosten erhöhen die Zahl der im Tierheim abgegebenen Tiere. „Durch die explodierenden Pflegekosten können es sich viele Besitzer schlichtweg nicht mehr leisten, ein Haustier zu halten“, so die Leiterin des Tierheims. Häufig unterstütze der Verein diese Personen dann finanziell, zusätzlich zu den rund 250 Tieren im Heim selbst.

Von staatlicher Seite gebe es keine derartige Hilfe. Haustiere werden nämlich als Luxusgut geführt, auf die es in finanziellen Notlagen doch zu verzichten gilt. „Besonders tragisch ist das Abschieben des Tieres selbst. Aus Angst oder Scham stellen Besitzer ihre Tiere in Kartons oder nachts angebunden kommentarlos vor dem Tierheim ab. So kennen wir weder Name, Alter oder Gesundheitszustand des Tieres“, so Frank-Tüllmann.

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Zukünftig wünscht sich die Tierheimleiterin eine bessere Kontrolle des Welpenhandels, da durch das Hochzüchten bestimmter Merkmale das Risiko für Fehlbildungen oder psychischer Erkrankungen steigt. Auch auf mehr staatliche Unterstützung wäre das Tierheim dringend angewiesen. „Wir erhalten von der Stadt eine kleine Summe, wenn wir Fundtiere aufnehmen. Wenn aber beispielsweise wie nach dem Lockdown zig Tiere abgegeben werden, weil deren Besitzer mit dem erneuten Schulstart keine Lust oder Zeit für ein Tier mehr haben, reichen unsere Mittel schlichtweg nicht“, so Hildegard Frank-Tüllmann.

Dreimal vermittelt und dreimal abgeschoben

Wie unglücklich es für manche Tiere laufen kann, zeigt Hund Lucky. Weil seine Besitzer umziehen mussten, musste auch Lucky im Tierheim ein neues Zuhause finden. Der friedsame Hund fand schnell neue Besitzer in Person einer tierlieben Rentnerin. Tragischer Weise stab diese nur kurz nachdem sie Lucky bei sich aufgenommen hatte, sodass der Hund abermals ins Tierheim kam. Auch der dritte Versuch scheiterte nach wenigen Monaten. Nun sucht Lucky wieder ein Zuhause.

Info: Den Verein Tierfreunde Bottrop freut sich über Spenden, Gutscheine für Tiernahrung oder die Patenschaft für einen Bewohner. Für 5 Euro kann man eine solche Tierpatenschaft erwerben und erhält eine Urkunde mit Bild des Tieres.