Bottrop. Ehrenamtliche Gassigeher – wir stellen sie und ihre süßen Favoriten vor. Wie diese Bindung entsteht und warum manchmal Tränen fließen.
Einmal ist die Liebe bei Anita und Frank Mikolajczak so groß geworden, da haben sie ihren Tierheimliebling mit nach Hause genommen und adoptiert. Einen Schäferhund. Der ist inzwischen längst im Hundehimmel, doch die Liebe zur der Rasse, die ist bei dem Ehepaar geblieben. Und da ist es wenig verwunderlich, dass ihr jetziger Liebling im Tierheim auch ein Schäferhund ist.
Mischa, anderthalb Jahre jung und durchaus auch wild ist derzeit der Favorit der beiden Duisburger. Nahezu täglich kommen sie morgens nach Bottrop zum Tierheim, um mit dem Wildfang eine Runde zu drehen. Ihre Erfahrung mit Schäferhunden hilft ihnen da weiter. Trotzdem haben sie immer zwei Leinen dabei, um Mischa im Zweifel mit vereinten Kräften zurückhalten zu können. Denn wie gesagt, er ist kein einfacher Hund. Entsprechend froh ist Hildegard Tüllmann, Vorsitzende der Tierfreunde Bottrop, dass sie erfahrene Helfer hat, denen sie das Tier anvertrauen kann.
Trennung erfolgt oft mit einem lachenden und einem weinenden Auge
„Mischa hat Kraft, aber auch viel Potenzial“, schwärmt Frank Mikolajczak. Trotzdem lebt er nun schon fast ein halbes Jahr lang im Tierheim. Auch Vermittlungsversuche als Tier der Woche blieben erfolglos. Dabei wünscht das Ehepaar dem jungen Rüden durchaus ein richtiges Zuhause – auch wenn er dem Paar dann fehlen würde. Tatsächlich, gibt Anita Mikolajczak zu, habe sie beim ersten Lieblingstier, das dann vermittelt wurde, „erstmal geheult“.
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Denn selbstverständlich falle so eine Trennung schwer, auch wenn man weiß, dass der Hund in ein gutes Zuhause kommt. Es sei eben auch schön, wie viele Happy Ends für Hunde sie hier inzwischen mit erlebt hätten. „Man steht dann da tatsächlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, beschreibt Anita Mikolajczak die Gemütslage in solchen Fällen.
Bei den Bottroper Gassigehern fließen bei einer Trennung auch schonmal Tränen
Und dass bei den Gassigehern Tränen fließen, scheint häufiger vorzukommen. Auch Raimund Bienek gibt zu, dass er schonmal geweint habe, als sein damaliger Lieblingshund vermittelt wurde. Lissy sei verschrien gewesen als „Wadenbeißerin“, doch zwischen ihr und ihm, das habe einfach gepasst, erinnert sich der 70-Jährige. „Aber ich wusste ja im Nachhinein, dass sie in gute Hände gekommen ist, da war ich erleichtert.“
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Und inzwischen haben er und seine Frau einen neuen Liebling, Grisu, einen Mischling. Und das Schöne sei, sagt Inge Bienek, dass die Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruhe. „Man ist nicht irgendwer, der Hund freut sich immer schon, wenn er mich sieht und begrüßt mich dann auch.“ Man habe einfach einen Draht zueinander, sagt Inge Bienek, aber so richtig in Wort zu fassen sei das eben nicht. Seit 2010 ist das Ehepaar als Gassigeher im Tierheim aktiv, hat viele Hunde – darunter auch immer wieder Lieblinge – gehen sehen. Und ein Stück weit sei das ja auch ein Erfolgserlebnis, sagen die beiden.
Gassigeher leisten einen wichtigen Beitrag, um Hunde vermitteln zu können
Noch deutlicher wird Hildegard Tüllmann: Für sie leisten die Gassigeher einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung der Hunde. Gerade wenn sie mit ungestümen, nicht gut erzogenen Tieren unterwegs sind und so helfen, sie an Leine und erste Befehle zu gewöhnen. „Außerdem geben sie uns wertvolle Hinweise, wie die Tiere reagieren und wo unsere Trainerin noch dran arbeiten kann.“
Umgekehrt profitierten aber auch die Gassigeher, wissen Raimund und Inge Bienek. Man sei regelmäßig in Bewegung, bleibe aktiv und habe Kontakt zu den Tieren, ohne selbst eines zu halten. „Wir leben in der dritten Etage, da ist Hundehaltung nicht drin.“ Außerdem sei man als Gassigeher flexibler, etwa wenn man Urlaub machen will. Das Ehepaar sagt ganz klar: „Wer eine Affinität zu Hunden hat und keinen eigenen besitzt, der sollte hier nachfragen und sich engagieren. Das schließt eine Lücke.“
Auch Rosemarie Ortkemper kennt diese Erfolgserlebnisse, wenn es gelingt, schwierige Hunde soweit mit hinzukriegen, dass sie vermittelt werden können. Die 89-Jährige ist schon seit vielen Jahren im Tierheim aktiv. Lieblinge habe sie in der Zeit viele gehabt, momentan sei es Olivia. Warum die Liebe auf Olivia fiel: „Mir tun einfach die armen Socken leid, also die Hunde, die Probleme habe.“ Tatsächlich ist Olivia enorm ängstlich und schreckhaft, versteckt sich immer wieder.
Erfahrenen Gassigehern vertraut man in Bottrop auch schwierige Hunde an
Rosemarie Ortkemper kann mit fester Überzeugung sagen: „Wenn ein Hund vermittelt wird, dann freue ich mich.“ Das gilt auch, wenn sie sich dafür von einem Liebling trennen muss. „Die Freude überwiegt dann immer die Wehmut“, sagt sie. Zumal sich zu einigen neuen Besitzern auch ein guter Kontakt entwickelt habe. „Es ist schön zu sehen, wie ein Hund in der Familie aufblüht.“ Deshalb hofft sie auch für Olivia nur auf das Beste.
Hans-Olaf Kettler ist regelmäßig mit Dogge Enzo unterwegs. Er versucht, sich nicht zu sehr an ein Tier zu hängen. „Ich versuche, es distanzierter zu halten“, sagt er, gibt aber auch zu, dass das nicht immer klappt. „Es gab auch schon mal Spitzen nach oben“, so drückt er es aus. Bei Labradormix Billy habe es mit der Distanz nicht so geklappt, erinnert sich Kettler an das Tier, das letztlich im November vermittelt worden sei. Kein einfaches Tier, das Tierheim selbst hat ihn als „halbstarken Rüpel“ bezeichnet.
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Für Kettler kein Problem, er gehört zu den erfahrenen Helfern, denen das Tierheim auch solche Hunde anvertrauen kann. Auch Enzo ist kein leichter Fall – allein aufgrund von Größe und Gewicht. In der Regel ist er täglich drei Runden mit unterschiedlichen Tieren unterwegs. Neben Enzo gehören auch Mischa und Rottweiler-Mix Aladin zu den Hunden, um die er sich kümmert.
Zu sehen, wie sich Beziehung zwischen Hund und Interessent entwickelt tut der Seele gut
Carla Bodemann bezeichnet sich selbst als „Fan von großen Hunden“. Allerdings könne sie mit denen leider nicht unterwegs sein, bedauert die zierliche 67-Jährige. Aber auch unter den Kleinen gibt es Hunde, zu denen sie eine besondere Beziehung aufgebaut hat – etwa zu Muffin, einer französischen Bulldogge. Auch er gehört zu den Problemfällen im Tierheim, hat neurologische Probleme und Ausfälle. „Aber ich habe mittlerweile Tricks rausgefunden, wie ich ihn zum Laufen bringe.“
Auch für sie überwiegt bei aller Zuneigung zum Hund die Freude, wenn einer ihrer Lieblinge vermittelt wird. „Ich freue mich dann auch, wenn ich die Leute kennenlerne.“ Es sei schön zu sehen wie sich die Verbindung zwischen Hund und Interessent entwickle. „Es tut einfach der Seele gut.“
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Gassigeher gesucht
Nach langer Coronapause öffnet sich das Tierheim nun auch wieder für Besucher. Immer montags, dienstags, mittwochs, freitags und samstags ist das Haus nun von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Bisher hatte sich das Tierheim komplett abgeschottet, zum Schutz der Mitarbeiter und auch um letztlich die Versorgung der Tiere sicherstellen zu können. Nun hoffen die Verantwortlichen auch wieder darauf, neue ehrenamtliche Gassigeher gewinnen zu können. Wer Interesse hat, kann sich melden unter 02041 9 38 48, muss allerdings einen Sachkundenachweis vorlegen können. Außerdem ist Erfahrung mit Hunden gerngesehen, aber letztlich könne man das lernen, sagt Hildegard Tüllmann. Wenn sich mehrere Interessenten gemeldet haben, gibt es im Tierheim durch die Trainerin eine kleine Einweisung. Gleichzeitig stellt Hildegard Tüllmann klar, dass die erfahrenen Tierheimkräfte immer darauf achten, welcher Hund für welchen Gassigeher geeignet ist. „Wir kennen die Tiere und die Gassigeher, wissen um die Fähigkeiten und wer zusammenpasst.“Die Tierheim-Verantwortlichen suchen Helfer, die sich verlässlich und regelmäßig engagieren. Das heißt nicht, dass sie jeden Tag da sein müssen, was ja auch für berufstätige Menschen schwierig ist. Aber in so einem Fall könne man sich auch am Wochenende als Gassigeher einbringen.