Bottrop. Das Stadtteilbüro Batenbrock bietet jetzt Sozialberatung an. Claudia Kretschmer weiß, dass die Menschen dort bald Schlange stehen werden.

Das Stadtteilbüro Batenbrock an der Horster Straße 288 macht ein neues Angebot: Sozialberatung. Die Nachfrage danach wird explodieren, das wissen Claudia Kretschmer und Barbara Josfeld schon jetzt. Denn die Explosion der Energiekosten wird nicht nur die Empfänger von Transferleistungen vor unbezahlbare Rechnungen stellen. Alleinerziehende Eltern wird es ebenso treffen wie kinderreiche Familien oder Menschen, die länger krank sind, sagt Claudia Kretschmer: „Es zeichnet sich ab, dass die Armut in der Mittelschicht ankommt.“ Und da will sie helfen, wenn sie auch noch nicht wirklich weiß, wie.

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33 Jahre lang war Claudia Kretschmer bei der Evangelischen Sozialberatung (ESB) in Bottrop und hatte schon bei ihrer Verabschiedung in den Ruhestand gesagt: So ganz aufhören mit dem Kümmern um bedürftige Menschen wolle sie eigentlich noch nicht. Da kam ihr das Angebot von Cornelia Kavermann ganz gelegen: Die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Bottrop (AGSB) wollte in Batenbrock niederschwellige Sozialberatung anbieten. „Genau das habe ich mein ganzes Arbeitsleben lang gemacht“, sagt Claudia Kretschmer. „Da kann ich das Wissen in meinem Kopf auch für Bedürftige einsetzen.“

Und dieses Wissen wird sehr gefragt werden, wenn die nächsten Strom- und Heizkostenabrechnungen in den Bottroper Briefkästen landen. „Ein altes Problem explodiert jetzt“, sagt Claudia Kretschmer mit Blick auf den Regelsatz von Hartz IV, das ab Januar zum Bürgergeld werden soll. „Für Strom sind im Regelsatz 38 Euro im Monat veranschlagt“, rechnet sie vor. „Solche Stromrechnungen gibt es schon heute nicht mehr. Wie soll das werden, wenn die Rechnungen doppelt und dreifach so hoch ausfallen?“

„Wer arm ist, zahlt mehr Heizkosten“

Bücherschrank, bunte Bänke, Kleiderständer, Spiele zum Ausleihen: Kommt einfach mal vorbei, lädt das Team des Stadtteilbüros Batenbrock die Menschen ein.
Bücherschrank, bunte Bänke, Kleiderständer, Spiele zum Ausleihen: Kommt einfach mal vorbei, lädt das Team des Stadtteilbüros Batenbrock die Menschen ein. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Zumal viele bedürftige Menschen jetzt noch tiefer in die Kostenfalle rutschen. „Es war immer schon so: Wer arm ist, zahlt mehr Heizkosten“, sagt Claudia Kretschmer: „Die Menschen leben oft in schlecht gedämmten Wohnungen mit Einfachverglasung und haben alte Heizungen, die selten gewartet werden. Und zudem sind ihre Kühlschränke oft wahre Energiefresser.“ Barbara Josfeld ergänzt: „Ich kenne Wohnungen, die haben noch Nachtspeicherheizung. Wenn die Menschen dort sich aus Angst vor kalten Wohnungen Heizlüfter anschaffen, haben wir das nächste Problem.“

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Ja, der Problemdruck wird steigen, nicht nur in Batenbrock. Doch in der Krise sieht Barbara Josfeld auch eine Chance. Sie erfährt für ihre Arbeit vor Ort eine wachsende Wertschätzung aus Sozialpolitik und Verwaltung und einen Trend weg von der Zentralisierung von Angeboten und Leistungen hin zu Angeboten im Quartier: „Jetzt kommen die Institutionen zu den Menschen und nicht mehr umgekehrt“, sagt sie. Und das macht auch sehr viel Sinn: Die Angebote vor Ort sind niederschwellig, und die Menschen haben Vertrauen aufgebaut. „Ud wenn sie zum dritten Mal hier sind, weil sie ein Buch tauschen, ein Spiel ausleihen oder Kleidung abgeben, dann lässt sich über das Problem mit der Stromrechnung schon viel leichter reden.“

Das Stadtteilbüro Batenbrock

Das Stadtteilbüro ist geöffnet montags bis mittwochs von 9 bis 13 Uhr sowie donnerstags von 9 bis 17 Uhr. Das Team hat sich das Ziel gesetzt, „die Chancen von Kindern, Jugendlichen und Familien zu erhöhen, die von Armut und Ausgrenzung betroffen und bedroht sind. Gleichzeitig setzen wir uns ein, unseren Stadtteil Batenbrock weiter zu entwickeln und lebens- und liebenswürdiger zu machen.“

Das Team hat mit Bürgern aus dem Quartier das Fotoprojekt entwickelt: „Hier fühle ich mich wohl.“ Die Ergebnisse sind an der Horster Straße 228 in einer Ausstellung zu sehen. Eröffnet wird sie am Donnerstag, 20. November, von 18 bis 20 Uhr.