Bottrop. Abschied vom Borsigweg: Die AG Soziale Brennpunkte in Bottrop verschiedet ihre langjährige Geschäftsführerin Cornelia Kavermann in den Ruhestand.

Mit Cornelia Kavermann als Geschäftsführerin hat die Arbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte (AGSB) sich vom in Bottrop noch immer so verrufenen Borsigweg auf den Weg in die Bottroper Stadtteile gemacht. Nicht mehr nur Hilfen speziell für obdachlose Menschen in der Obdachlosensiedlung am Borsigweg sind heute die Domäne der AGSB, sondern Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche sowie Beratungsangebote für jedermann. Als Geschäftsführerin geht Cornelia Kavermann zum 1. August in Rente und betont: „Armut in Bottrop gibt es nicht nur am Borsigweg“.

Es ist schließlich auch gar nicht so lange her, dass das Bottroper Sozialamt einen umfassenden Bericht über die soziale Lage in der Stadt vorgelegt hatte. Danach bündeln sich soziale Probleme keineswegs nur im sogenannten Süden Bottrops. Auch in weiten Teilen der Innenstadt und der Altstadt verortet der städtische Sozialbericht soziale Brennpunkte.

Am schlechten Ruf hat sich in vier Jahrzehnten nichts geändert

Dennoch schließt sich zum Abschied Cornelia Kavermanns als hauptamtliche Kraft für sie ein Kreis. Als Cornelia Kavermann vor gut vier Jahrzehnten in Bottrop das erste Mal auch nur nach dem Borsigweg fragte, war ihr Gegenüber regelrecht fassungslos, dass die junge Frau dorthin wollte. Auch kurz vor ihrem Eintritt in die Rente erlebte die AGSB-Geschäftsführerin nun wieder eine heftige Debatte über den bis heute irreparablen Imageschaden des Borsigwegs. Dabei lobten selbst die schärfsten Kritikerinnen ausdrücklich die gute Arbeit, die die AG Soziale Brennpunkte auch im Umkreis des Borsigwegs bis heute leistet.

Engagiert in der Bildungsarbeit bei der Sache: Magdalena Schültingkemper (r.) und Barbara Josfeld (h.) vom Stadtteilbüro Batenbrock überreichten gemeinsam mit Cornelia Kavermann (l.) insgesamt sechzig Laptops und Tablets an die Schüler der Janusz-Korczak-Gesamtschule, die durch Mohammad Fares (18) vertreten wurden (Archivbild).
Engagiert in der Bildungsarbeit bei der Sache: Magdalena Schültingkemper (r.) und Barbara Josfeld (h.) vom Stadtteilbüro Batenbrock überreichten gemeinsam mit Cornelia Kavermann (l.) insgesamt sechzig Laptops und Tablets an die Schüler der Janusz-Korczak-Gesamtschule, die durch Mohammad Fares (18) vertreten wurden (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Dabei hat sich die soziale Arbeit in der sogenannten Obdachenlosensiedlung sehr gewandelt. Um die schnelle Wiedereingliederung von Obdachlosen geht es längt nicht mehr ausschließlich. Die intensiven Hilfen für Kinder etwa sollte ihnen einen Sprungbrett bieten, um die Siedlung einmal verlassen zu können. Um Bildungsarbeit mit Kindern sowie Rat und Hilfe für Familien geht es der AGSB bis heute und nicht nur dort. So trieb Cornelia Kavermann mit ihrem Team zum Beispiel die Neueröffnung der Rappellkiste-Kita an der Robert-Brenner-Straße und die neue Kita Ratz und Rübe an der Rheinbabenstraße auf dem Eigen voran.

Die Zahl der hauptamtlichen Kräfte gut verzehnfacht

Als die studierte Sozialpädagogin in Zeiten großen Jobmangels in sozialen Berufen vor 41 Jahren als Erzieherin am Borsigweg begann, hatte die AG Soziale Brennpunkte vier weitere hauptamtliche Kräfte. Auch um die Jugendarbeit im Jugendcafé am Borsigweg kümmerte sie sich danach, bevor Cornelia Kavermann schließlich nach zehn Jahren den hauptamtlichen Leitungsposten des Vereins übernahm. Inzwischen hat die Arbeitsgemeinschaft mehr als 40 Beschäftigte. Hinzu kommen gut 20 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Auch das Stadtteilbüro in Batenbrock, in dem ärmere Familien und Kinder Rat und Hilfen bekommen, eröffnete die AGSB bewusst nicht an ihrem Stammsitz in der einstigen Obdachenlosensiedlung, sondern an der Horster Straße 228. „Wir haben das Stadtteilbüro an einen neutralen Ort verlegt. Das sollte auf keinen Fall am Borsigweg stattfinden“, sagt Cornelia Kavermann. Denn selbstverständlich war ihr und ihrem Team klar, dass viele wegen des Imageschadens den Weg dorthin scheuen würden.

In der Flüchtlingshilfe bleibt noch viel zu tun

Am Borsigweg selbst kamen Spätaussiedler aus Osteuropa unter, später dann Flüchtlinge vor dem Krieg in Syrien, und gerade erst beschloss der Bottroper Ratsmehrheit den Krieg in der Ukraine vor Augen, die Unterkünfte sanieren zu lassen, weil die Stadt auf Dauer ohne sie nicht auskommt. Nicht nur am Borsigweg kümmern sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins um geflüchtete Menschen. Dort eröffneten sie etwa ein Elterncafé, in dem Familien leichter Sprachen erlernen können. Auch im Stadtteilbüro gibt es ein Sprachcafé, Hilfe bei Behördenpost und wie im Jugendcafé am Borsigweg auch eine Hausaufgabenhilfe.

In der Rappelkiste-Kita bietet der Verein geflüchteten Eltern mit kleinen Kindern Unterstützung an. Klar, dass die scheidende Geschäftsführerin da nicht auch noch groß betonen muss: „Mir ist das Engagement für die Flüchtlingshilfe wichtig“. Daran ändert sich auch nach dem Ausstieg aus dem Beruf nichts. Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist die 65-Jährige für die nächsten zwei Jahre außerdem. So ganz wird Bottrop also Cornelia Kavermann, die in Mülheim wohnt, auch als Rentnerin nicht los lassen. Mit Blick auf den Imageschades des Borsigwegs hat sie übrigens ganz spontan noch einen Rat - einen anderen Namen.