Austausch der Kulturen: Bayern und Jugendliche aus Batenbrock engagieren sich beim Beet-Projekt. Aber Stadtteilbüro blickt in ungewisse Zukunft.

Google muss bei der Ortssuche nicht helfen. „Wir wussten, wo Bottrop liegt“, sagt Jakob Holzwarth, Pfadfinder vom Stamm Max Kolbe aus Nürnberg. Sechs Rover zwischen 19 und 21 Jahren sowie deren Leiter haben drei Tage lang Bottrop anlässlich des Projekts „Rover Voco – Sei Deiner Meinung“ besucht. Bundesweit engagierten sich Pfadfinder dieser Altersstufe in der ersten Osterferienwoche bei zahlreichen, sozialen Projekten – entweder vor Ort oder unterwegs mit Rucksack.

Das Ziel der Nürnberger: das Stadtteilbüro Batenbrock an der Horster Straße. Zuvor führt ihre Anreise mit dem Quer-durchs-Land-Ticket der Deutschen Bahn unter anderem an der schönen Rheinschiene entlang. Bis sie im Herzen des Ruhrgebiets eintreffen. „Wir hatten ein festes Bild im Kopf“, gibt Jakob Holzwarth zu. „Viel Industrie, überall Bergbau und Schlöte.“ Und: „Ein tristes, graues Straßenbild.“ Dann korrigiert er sofort. „Aber das hat sich überhaupt nicht bestätigt.“

Kultgericht in Bottrop kommt auf den Tisch: Currywurst

Spätestens beim Mittagessen herrscht kulturelle Einigkeit. André Philipps hat vor Ort die Betreuung der Gruppe übernommen. Vor dem Stadtteilbüro tischt der Roverreferent im Bezirk Bottrop/ Gladbeck das Kultgericht schlechthin auf: Currywurst. Ist zwar keine Nürnberger Rostbratwurst, aber wie hat es gemundet? „Super“, sagt Jakob Holzwarth mit fränkischem Einschlag in der Stimme.

Frisch gestärkt geht’s also ans Werk. Das alte Hochbeet muss entfernt und das neue Beet vor dem Stadtteilbüro aufgebaut und mit Erde befüllt werden. Außerdem benötigt die Sitzecke frische Farbe. Unterdessen leitet ein Profi einen Graffiti-Workshop, bei dem diverse Spraytechniken erlernt werden. Einen Teil ihrer Werke werden die Pfadfinder im anschließenden Abschlusslager im Ziegeleipark Mildenberg in Brandenburg zeigen, wo die rund 1500 Teilnehmer der Aktion sich treffen, reflektieren und Ostern feiern.

Jugendliche arbeiten in Bottrop Hand in Hand

An der Horster Straße arbeiten Rover aus Nürnberg und Jugendliche aus dem Stadtteil Hand in Hand. Den Kontakt für dieses Projekt hat Tanja Philipps, Ehefrau von André, vermittelt. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin engagiert sie sich im Stadtteilbüro bei der Hausaufgabenhilfe. Da war der Weg nicht weit zu Barbara Josfeld. Die Leiterin des Stadtteilbüros ist sofort überzeugt gewesen von dem Projekt. „Für beide Gruppen ist dies eine gute Erfahrung“, findet sie. Bei der gemeinsamen Aktion geht es um mehr als nur um die Erneuerung des Hochbeets und Verschönerung der Sitzecke. „Ängste gegenüber Fremden überwinden, gegenseitiges Kennenlernen, neugierig machen und Vorurteile abbauen“, zählt sie auf.

Beim Graffiti-Workshop am Quartiersbüro Batenbrock: Miriam ist konzentriert bei der Sache. Das große Peace-Plakat in Bottrop sieht auch schon ziemlich gut aus.
Beim Graffiti-Workshop am Quartiersbüro Batenbrock: Miriam ist konzentriert bei der Sache. Das große Peace-Plakat in Bottrop sieht auch schon ziemlich gut aus. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die Kinder und Jugendlichen, die das Stadtteilbüro in Batenbrock aufsuchen, kommen zumeist aus einkommensschwachen Familien – unabhängig von der Nationalität. „Wir haben eine große Mischung von Kulturen“, sagt sie. Seit fünf Jahren existiert die Einrichtung an der Horster Straße. Träger ist die AG Soziale Brennpunkte. Josfeld ist von Beginn an dabei. In der Zeit wurden viele Projekte zu den Themen wie Armut und Ausgrenzung umgesetzt.

Landesförderung läuft erneut aus

Jedoch blickt das Stadtteilbüro in eine ungewisse Zukunft. Ende des Jahres läuft die Landesförderung aus. Mal wieder, möchte man sagen. Die Einrichtung hangelt sich von Jahresförderung zu Jahresförderung. Bis Ende Dezember wird es nach aktuellem Stand das Stadtteilbüro Batenbrock noch geben. Und dann? „Ein großes Fragezeichen“, sagt Josfeld. Man könne nicht garantieren, dass es ab Januar weitergeht. Die Leiterin ist deswegen oft im Austausch mit Politikern und kämpft für den Fortbestand der Anlaufstelle. „Viele sind überrascht, weil sie gar nicht wissen, dass das Stadtteilbüro nur noch bis Ende des Jahres finanziert wird.“ Wie wichtig die Aufgaben sind, erklärt sie an zwei Beispielen. Das Jobcenter wird laut Josfeld immer digitaler.

„Wo bleiben denn die Menschen, die nicht an Videokonferenzen teilnehmen können“, fragt sie und gibt selbst die Antwort: „Bei uns im Stadtteilbüro.“ In dem Zusammenhang weist sie auf das Projekt „Brieföffner“ hin. Es sind Ehrenamtliche, die helfen, die Amtspost zu bewältigen. „Mit hohem Engagement“, wie sie betont. Denn aufgrund von Corona seien viele Anträge komplizierter geworden.

Bundesweite Aktion

Das Stadtteilbüro Batenbrock ist in den Osterferien geschlossen und erst ab Montag, 25. April, wieder geöffnet. Dann sind die Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch von 9 bis 13 Uhr, Donnerstag von 9 bis 17 Uhr. Veranstalter der bundesweiten Pfadfinder-Aktion „Rover Voco“ ist die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG). Die DPSG ist mit zirka 80.000 Mitgliedern der größte katholische Pfadfinderverband und einer der größten Kinder- und Jugendverbände in Deutschland. Mehr Infos unter https://voco.rover.de

Oder es gibt Familien von Abiturienten der nahen Janusz-Korczak-Gesamtschule, die schlichtweg kein Geld haben, um sich Tablets, Computer oder Drucker leisten zu können. „Dieses Beispiel zeigt, wie sehr die Schere auseinandergeht“, sagt Barbara Josfeld. Da könnten die Schüler noch so intelligent sein. Der Start ins Studium verläuft für sie deutlich schwieriger. „Das hat nichts mehr mit Chancengleichheit zu tun.“