Bottrop. Stark reduzierte Öffnungszeiten bilden aber die Ausnahme. Personallage scheint entspannter. Viele fahren angesichts steigender Kosten auf Sicht.

Bottrops Gastronomie erlebt die letzten beiden Jahre wie ein Wechselbad. Erst die Coronakrise, dann für viele zuletzt ein super Sommergeschäft und jetzt ziehen schon wieder düstere Wolken auf. Niemand kann derzeit sagen, wie hoch die Kosten für Strom, Gas, aber auch den Wareneinkauf wirklich getrieben werden. Der Ukrainekrieg als auslösender Faktor ist, wie es scheint, noch länger traurige Wirklichkeit. Auch der Personalmangel ist längst nicht vorüber. Dazu steigt ab Oktober auch der Mindestlohn auf dann 12 Euro pro Stunde. Ein Mix, den die Gastronomie mit Sorge beobachtet.

Nicht alle ziehen so drastisch Konsequenzen wie Thorsten Stöcker. Der Inhaber des bekannten Lokals Bahnhof Nord hat dort den abendlichen Restaurantbetrieb von fünf auf zwei Tage deutlich reduziert. Speisen a la Carte: derzeit nur noch Freitag- und Samstagabend. „Es fehlen Kräfte im Service und in der Küche“, sagt Stöcker. Dazu kämen prognostizierte Energiepreise von bald wohl über 10.000 Euro im Monat (der Bahnhof kocht mit Strom, heizt mit Gas). „Eine Steigerung um ein Vielfaches, das kann ich nicht erwirtschaften“, so der Gastronom, der auch bei den Restaurantgästen von eher rückläufigen Zahlen spricht. „Sicher auch eine Folge wirtschaftlicher Unsicherheit bei den Leuten, die nicht wissen, welche Kosten bald auf sie zukommen“, meint Stöcker. Bei Veranstaltungen und Feiern spüre er die Entwicklung allerdings noch nicht. Auch das Sommergeschäft sei sehr gut gewesen, bis sich die Energiekrise immer deutlicher abzeichnete.

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Andere reagieren weniger drastisch auf die aktuelle Situation. „Wir fahren auf Sicht“, beschreibt Christian Erhard von der Factory (im früheren Brauhaus) sein Vorgehen. Die Preissteigerungen beim Wareneinkauf sind bekannt, der ab nächster Woche geltende Mindestlohn samt steigenden Lohnnebenkosten ebenfalls. Die größte Unsicherheit seien die Energiepreise, von denen niemand sagen kann, in welche Höhen sie in den nächsten Monaten steigen werden. Über Personalmangel kann sich der Factory-Betreiber nicht beklagen. Fast alle Mitarbeiter seien auch in der Coronazeit geblieben. So musste er auch im Gegensatz zu anderen Betrieben die Öffnungszeiten nicht einschränken. Auch ein deutlich geändertes Ausgehverhalten kann er bei seinen Gästen bislang nicht feststellen, obwohl die Preise zuletzt schon nach oben angepasst werden mussten. „Wir versuchen es derzeit mit einem ausgewogenen Mittelweg für Mitarbeiter, Gäste und uns als Gastronomen“, so Christian Erhard.

„Keine Panik schüren und mit Augenmaß auf die aktuellen Veränderungen reagieren“

„Keine Panik schüren, mit Augenmaß planen und so auf Veränderungen reagieren“, lautet das Motto von Yasin Erbay. Er betreibt seit 1999 mit seinem Kompagnon Christian Biesgen das Woodpecker’s, Herzblut und das Eiscafé Purple Turtle an der Grafenmühle. Dort habe sich vor allem die im Coronasommer 2021 zuweilen dramatische Personalsituation deutlich verbessert. „Zeitweise hatte wir für einen 400-Plätze-Biergarten zwei Kellner, wie sollte das gehen?“erinnert sich Erbay. Jetzt geht er bei den ohnehin rasant gestiegnen Mehrkosten für den Wareneinkauf und Löhnen von weiteren Steigerungen um 20 bis 30 Prozent aus. Energiepreise? „Kann keiner voraussagen, er wird nur sehr teuer werden.“

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Und die Gäste? Die gäben im Durchschnitt wohl auch etwas weniger aus, dafür seien aber neue Leute gekommen. Vielleicht auch, weil andere Läden heruntergefahren oder geschlossen hätten, vermutet Yasin Erbay. An der Grafenmühle habe er die Preise zuletzt um durchschnittlich zehn Prozent erhöht. „Alles können wir nicht gar nicht an die Kundschaft weitergeben.“ Auch will er zunächst an den täglichen Öffnungszeiten und der aktuellen Speisekarte festhalten. „Wir wollen abwägen, weder bei Gästen noch beim Personal Panik schüren oder alle paar Wochen neue Speisekarten auflegen“, so der Gastronom. Schon vor der Energiekrise plante er, eine Photovoltaikanlage installieren zu lassen. Bislang Fehlanzeige: „Keine Handwerker oder keine Teile oder beides, seit zwei Jahren.“ Energie ließe sich lediglich bei Heizstrahlern oder der Winterbeleuchtung sparen.

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Einsparungen will Manfred Süselbeck von der Bodega auf der Gastromeile im Bereich der Kühlhäuser und in der Küche erreichen. Dort steht er seit dem Weggang der Köchin wieder selbst am (Gas)Herd. „Nicht mehr sofort alle Flammen hochfahren, in den Kühlhäusern weniger auf Vorrat lagern, dafür öfter einkaufen gehen, das könnte etwas helfen“, so Süselbecks Plan. Dafür hat sich dort die Personalsituation etwas entspannt. Zwei frühere Mitarbeiter hätten sich wieder gemeldet. Ab dieser Woche öffnet die Bodega daher wieder an fünf statt wie zuletzt an vier Tagen.

Köchin weg – Bodega-Chef steht wieder selbst am Herd

Allerdings hätten Personalmangel und hohe Einkaufspreise auch für eine etwas reduzierte Speisekarte gesorgt. „Ein paar sehr arbeitsintensive Gerichte sind weggefallen.“ Aber das Kundenverhalten habe sich trotz moderater Preiserhöhung bis jetzt nicht geändert. „Wir hatten einen tollen Sommer ohne Feriendelle.“ Der neue Mindestlohn macht Süselbeck jedenfalls kein Kopfzerbrechen. Aber auch die Hoffnung auf Unterstützung am Herd gibt der 72-jährige Gastronom noch nicht auf.