Bottrop. Zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im Sinne der Istanbul-Konvention wird eine neue Koordinierungsstelle angestrebt. Das steckt dahinter.
„Es ist ein einschneidender Schritt für unsere Initiative“, sagt Silke Kutz vom Frauenzentrum Courage, und die städtische Gleichstellungsbeauftragte Susanne Lehmann sowie Frauenhaus-Mitarbeiterin Sylvia Rüdel können nur zustimmen: Der Sozialausschuss hat in seiner jüngsten Sitzung zugestimmt, dass die Stadt Bottrop größere Anstrengungen im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder unternimmt. Ziel ist, möglichst eine stadtweite, trägerübergreifende Koordinierungsstelle einzurichten. Das zahlt ein auf die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Bottrop.
Istanbul-Konvention: Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
Mit Istanbul-Konvention wird das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ bezeichnet, das bereits 2011 von den Mitgliedstaaten des Europarates in Istanbul unterzeichnet wurde. 2018 ist die Konvention in Deutschland in Kraft getreten.
Jede vierte Frau in Deutschland hat, so steht es in der Vorlage für den Sozialausschuss, Gewalt durch Beziehungspartner erlebt. Jede dritte Frau wird im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt. Dabei, verdeutlich Silke Kutz, sind Frauen von vielen Formen der Gewalt betroffen, diese kann körperlicher, sexueller, psychischer und/oder ökonomischer Art sein.
Nun gibt es in Bottrop ja schon etablierte Stellen, die um Prävention bemüht sind sowie betroffene Frauen und Mädchen beraten und auffangen. Wie eben die Beratungsstelle Courage oder das Frauenhaus der Awo. Diese vorhandenen Strukturen sollen daher auch gestärkt werden, verdeutlicht Susanne Lehmann.
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Aber im Sinne der Anforderungen aus der Istanbul-Konvention, die von den drei Fachfrauen als äußerst umfangreich beschrieben werden, soll nun in einem ersten Schritt eine Uni oder ein Planungsinstitut mit einer Bestandsanalyse beauftragt werden. Was ist schon vorhanden? Was fehlt aber noch? Wo und wie können Lücken geschlossen werden? Und zwar sowohl im Bereich der Verhinderung von Gewalt samt Bewusstseinsbildung in der gesamten Stadtgesellschaft als auch in der Frage von Schutz und Unterstützung Betroffener.
Unterstützung vom Arbeitskreis gegen häusliche und sexualisierte Gewalt
Die Fachfrauen, die unterstützt werden vom Bottroper Arbeitskreis gegen häusliche und sexualisierte Gewalt, haben da bereits Vorstellungen. So fehle etwa eine Anschlussbetreuung, wenn Frauen, die ihr bisheriges Leben aufgegeben haben und vielleicht nie ein eigenes Konto besaßen, aus dem Frauenhaus ausziehen. Zudem, so Frauenhaus-Mitarbeiterin Sylvia Rüdel: „Die Traumatisierung bleibt ja bestehen. Gerade, was die psychotherapeutische Anbindung angeht, fehlt es an Angeboten, dauert es zu lange oder scheitert an Sprachbarrieren.“
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Aus der Sicht von Courage-Beraterin Silke Kutz fehlen in Bottrop zum Beispiel auch noch „Angebote für Täter – im Sinne der Prävention“. Susanne Lehmann ergänzt, dass auch behinderte Menschen, Geflüchtete oder LSBTIQ*-Personen (die Abkürzung steht für die Vielfalt an Geschlechtern und sexuellen Orientierungen) als Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt verstärkt in den Fokus genommen werden müssen. Und damit sind ganz sicher noch nicht alle ausstehenden Bedarfe aufgelistet.
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Die Fachfrauen sind überzeugt, dass es am Ende einer Koordinierungsstelle bedarf, um ein übergreifendes Handlungskonzept und integrative Strukturen für Bottrop zu schaffen. „Zielgerichtet und mit größerer Reichweite“, wie Susanne Lehmann es formuliert. Zudem gebe es immer wieder neue Gewaltformen, die dort im Blick behalten werden könnten. „Wie jetzt zum Beispiel die digitalisierte Gewalt.“ Die ihre Opfer per Handy überall hin begleite, übrigens auch bis hinein ins Frauenhaus. Lehmann nennt hier als markantes Stichwort den „Täter in der Hosentasche“.
Ob diese zentrale Stelle aber tatsächlich kommt, wird sich erst durch die Bedarfsanalyse zeigen. Insgesamt wünscht sich Lehmann für die betroffenen Frauen, „dass jede sofort Zugang zu Schutz und Beratung bekommt und auch sofort sozial aufgefangen wird“.