Bottrop. Die Einschränkungen für Ungeimpfte nehmen zu. Ein Bottroper erklärt, warum er sich trotz des Drucks nicht gegen Corona immunisieren lässt.

Er sei nicht grundsätzlich gegen das Impfen, doch die Immunisierung, die mehr als zwei Drittel der Deutschen erhalten haben, lehnt Thomas Martens* ab. Der Anfang 60-Jährige hat sich bislang nicht gegen Corona impfen lassen. Seine Gründe sind die von Millionen Menschen, die zur Kategorie der Skeptiker gehören, nicht zu denen, die Corona leugnen oder verharmlosen, es als Erfindung der Pharma-Industrie oder als Vorwand der Politik sehen, eine Diktatur zu etablieren.

Thomas Martens ist kein Querdenker. Dass in der Diskussion um Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, immer nur „diese Idioten“ gezeigt würden, ärgert ihn. Als Corona sich in Deutschland und der Welt breitmachte, die Schulen und Geschäfte schlossen, das Leben erst stillstand, sich im Sommer 2020 wieder normalisierte, bevor im Herbst die ersten Vakzine kurz vor der Zulassung standen, „habe ich das erstmal auf mich wirken lassen“.

Bottroper Impfgegner: Schlechte Kommunikation rund um Impfstoffe

Doch die Impfkampagne der Bundesrepublik hatte auf den Bottroper nicht die befreiende Wirkung, die sie bei vielen anderen auslöste. „Einige Impfstoffe standen zur Wahl und alle sollten gut sein“, sagt Martens. Doch es folgten die Nachrichten, die viele verunsicherten: Astrazeneca erst nur für unter, dann nur für über 60-Jährige, die Wirksamkeit von Johnson & Johnson, die schon nach vier Wochen nachlässt, Fälle von Hirnvenenthrombosen bei Vektor-Impfstoffen, von Herzmuskelentzündungen bei den mRNA-Vakzinen. Zuletzt die Rationierung von Biontech, um Moderna an die Impflinge zu kriegen, weil das Haltbarkeitsdatum des Impfstoffes bald abläuft.

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Martens zitiert den unglücklichen Satz des von Olaf Scholz, damals noch nicht Kanzler, der die bislang Geimpften als „Versuchskaninchen“ bezeichnete. Er stellt die 25.000 Grippe-Toten im Winter 2017/2018 den gut 30.000 Corona-Toten im Winter 2020/2021 gegenüber; er wolle Corona nicht kleinreden, aber sei der Unterschied so immens, dass er all die Maßnahmen rechtfertige?

Seine Skepsis rührt nicht nur von misslungener Kommunikation während der Impfkampagne her. Hinzu kommt für ihn die persönliche Betroffenheit. Ein Mitglied der Familie erkrankte nach einer Impfung schwer. Bis heute hat die Person gesundheitliche Probleme. Ob die Erkrankung tatsächlich mit der Immunisierung kurz zuvor zusammenhing, ist nicht belegt. Das hätten ihm die Ärzte damals nur hinter vorgehaltener Hand gesagt.

Ungeimpft gegen Geimpft: Mehr Toleranz in beide Richtungen?

Dass er nun von weiten Teilen des öffentlichen Freizeitlebens ausgeschlossen ist, stört Thomas Martens nicht. Der Anfang 60-Jährige, der schon seit einiger Zeit im Ruhestand ist, geht lieber spazieren als sich in eine volle Kneipe zu setzen. Und die geimpften Freunde, gehen sie auf Abstand zu dem Ungeimpften? Nein, sagt der Rentner. Mit seinen Nachbarn unterhält er sich an der frischen Luft. Der Ungeimpfte und der Geimpfte, sie haben kein Problem miteinander. „Sie sagen, sie fühlen sich sicher mit, ich sage, ich fühle mich sicher ohne Impfung.“

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Er wünscht sich mehr Toleranz in beide Richtungen. „Warum werde ich an den Pranger gestellt, weil ich mich nicht impfen lasse?“, fragt er. Viele ließen sich nun impfen, weil sie dazu gezwungen werden, weil 3G-Regeln am Arbeitsplatz und an der Uni ihnen zu aufwendig sind, sie weiter am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen. Nicht, weil sie nun überzeugt wären.

„Unser Land hat diese Leute verloren, das ist traurig“

Die von ihm empfundene Hetzjagd auf Ungeimpfte, sie führe zu einer gefährlichen Spaltung der Gesellschaft. „Die meisten von meiner Sorte sind keine Hardliner, sie möchten sich nur einfach nicht impfen lassen.“ Der nun aufgebaute Druck erzeuge Gegendruck. „Unser Land hat diese Leute verloren, die haben ihren Glauben an die Politik komplett verloren, das ist traurig.“

Und wenn ungeimpfte Covid-Patienten die Betten von anderen Schwerkranken blockieren, ihnen Kapazitäten wegnehmen? Thomas Martens verweist auf den massiven Abbau der Intensivbetten in den vergangenen Jahren, die jetzt während der saisonal erhöhten Atemwegserkrankungen dringend benötigt würden. Er selbst habe keine Angst, schwer an Corona zu erkranken. Er setze auf Prävention, in Form von Stärkung des Immunsystems, durch Bewegung an der frischen Luft, ausreichende Zufuhr gesundheitsfördernder Vitamine. Abstand und Hände-Desinfizieren seien für ihn zur Krankheitssaison ohnehin selbstverständlich gewesen.

Ernsthaft krank gewesen sei er nie – „wir haben immer versucht vorzubeugen“, sagt er über sich und seine Familie. Corona-Medikamente, die erst vor Kurzem ihre Not-Zulassung bekommen haben, würde er ablehnen. „Zumindest, wenn ich noch in der Lage dazu bin. Ich würde sie mir nur geben lassen, wenn es mein letzter Strohhalm wäre.“

Warten auf den Totimpfstoff gegen Corona

Seine Familie – sie alle sind bis heute nicht gegen Corona geimpft. Überzeugte Impfgegner waren sie vorher nicht, alle Standardimpfungen, die seit Jahrzehnten von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden, haben sie gemacht.

Thomas Martens wartet nun auf den Totimpfstoff gegen Corona, der nur abgetötete Krankheitserreger enthält, die sich im Körper nicht vermehren können. Solche Impfstoffe werden beispielsweise gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Pneumokokken- und Meningokokkenerkrankungen gespritzt. Im Frühjahr könnte es auch einen Corona-Impfstoff auf Basis toter Krankheitserreger geben. Und wenn vorher die Impfpflicht für alle kommt? „Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt...“

* Name geändert