Bottrop. Die Booster-Kampagne läuft an und der Bundesgesundheitsminister schränkt die Biontech-Lieferung ein. Das sagen Bottroper Ärzte zur Impfkampagne.
Die Bottroper Ärzte sind sauer. Oder wie es Dr. Christoph Giepen, Sprecher des Bottroper Ärztevereins formuliert: „Es rumort sehr in der Ärzteschaft in Bottrop.“ Der Grund dafür: Die Ankündigung vin Bundesgesundheitsminister Jens Span, die Biontech-Lieferungen erst einmal einzuschränken, damit zunächst der Moderna-Impfstoff aufgebraucht wird. Die Bottroper Haus- und Fachärzte seien „fassungslos“, so Giepen.
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Auf den Terminlisten der Praxen stünden Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen für Menschen im Alter von zwölf bis 99 Jahren. Der Organisationsaufwand werde nun noch zusätzlich vergrößert, weil Unter-30-Jährige kein Moderna verabreicht bekommen dürfen. Und überhaupt gingen die Patientinnen und Patienten davon aus, mit Biontech geimpft zu werden.
Bottroper Ärzte betonen, dass Moderna und Biontech gleichwertige Impfstoffe sind
Um das klarzustellen, den Bottroper Ärzten geht es nicht darum, Moderna als weniger wirksamen Impfstoff darzustellen – das ist er nämlich ganz sicher nicht, betont Dr. Giepen. „Aus medizinischer Sicht sind die beiden Impfstoffe gleichwertig.“
Nur: Durch den abrupte Kurswechsel des Ministers werde der Aufwand für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte immer größer. In seiner Praxis impft Christoph Giepen gemeinsam mit zwei Kollegen 150 bis 170 Patienten pro Woche, manchmal auch rund 200 – allerdings zu 90 Prozent Booster. Jedoch: Mit den angekündigten 30 Dosen Biontech käme er da nicht weit.
Viele Impflinge erwarten jedoch die Immunisierung mit Biontch-Pfizer
Allerdings sei derzeit gar nicht die Zeit eingeplant, um im Zweifel Überzeugungsarbeit für Moderna zu leisten. Schon jetzt seien Termine bis in den Januar vereinbart, die Menschen könne man im Vorfeld gar nicht alle anrufen und informieren, dass sie nun Moderna anstatt Biontech erhalten sollen. Und das gelte in allen Praxen, so Giepen.
Er fürchtet daher, dass ein Drittel, wenn nicht gar die Hälfte der Patienten, auf den Booster verzichte – zumindest, so lange Biontech derart rationalisiert werde. „Das wäre dann ein medizinischer Nachteil.“ Für die Mediziner ist das nicht zu verstehen. Sie sehen die Gefahr, dass die Booster-Kampagne schon kurz nach dem Start wieder abgewürgt wird.
Bottroper Ärzte schreiben an Jens Spahn und Karl-Joseph Laumann
„Das unerwartete politische Vorgehen bei der Impfstoffverteilung ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die seit Monaten in dieser Pandemie medizinisch für die Menschen in Deutschland da sind und ständig am Rande Ihrer Belastbarkeit arbeiten“ – so das harsche Urteil des Bottroper Ärztevereins in einem Schreiben dass sie unter anderem an Jens Spahn und an dessen Kollegen auf Landeseben, Karl-Josef Laumann, geschickt haben .
Dabei liefen die Booster-Impfungen in Bottrop nun gut – nach anfänglichen Startschwierigkeiten, urteilt der Sprecher des Ärztevereins. Die Auffrischungen in den Heimen seien anfangs nicht so gut gelaufen, dann habe sich der Ärzteverein da anders organisiert und so die erneute Immunisierung recht schnell hingekriegt.
Gute Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Bottroper Impfzentrum
Dass Bottrop nun als eine der ersten Städte auch das Impfzentrum wieder öffnet, sei angesichts der schieren Menge die richtige Entscheidung, so der Mediziner. Denn allein könnten die niedergelassenen Ärzte die nun anstehenden Boster-Impfungen nicht stemmen, gibt er zu.
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Die Zusammenarbeit zwischen dem Bottroper Impfzentrum – insbesondere dem ärztlichen Leiter Dr. Harald Hofer – und den niedergelassenen Ärzten sei gut gewesen und funktioniere auch jetzt wieder. Man unterstütze sich gegenseitig. So ist ja am 11. Dezember – ein Samstag – ein großer Impftag geplant, eine vorherige Terminvereinbarung ist nicht nötig. Auch vor diesem Hintergrund sei die Biontech-Begrenzung übrigens ein echtes Problem, so Giepen.
Bottroper Ärzte wollen nicht, dass Apotheker impfen
An einer Stelle allerdings zieht der Sprecher des Ärztevereins eine Grenze. Ideen aus der Politik, wonach auch Apotheker impfen sollten, erteilt er eine Absage. „Die Impfung muss in ärztlicher Hand bleiben“, sagt er. Die Aufklärung müsse durch einen Arzt verantwortet werden und wenn es im Zuge einer Impfung nun doch zu Komplikationen komme, dürfe nur ein Arzt auch entsprechend Medikamente verabreichen, verweist er auf die Rechtslage.
Verbände üben heftige Kritik
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat schon am Samstag eine Resolution verfasst, in der sie Jens Spahn auffordert, die Entscheidung rückgängig zu machen. „Es kann nicht sein, dass eine weitere unsinnige Last auf den Schultern der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und des Praxispersonals abgeladen wird“, ärgert sich Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL.
Harte Worte findet auch der Hausärzteverband Westfalen-Lippe. Dessen Vorsitzende Anke Richter-Scheer spricht angesichts der angekündigten Liefereinschränkungen von einer „Provokation“. Gerade jetzt stiegen die Impfzahlen in den Praxen wieder an und genau dann müssten Ärzte und vor allem das Praxispersonal die Diskussionen mit den Patienten führen. „Auch jetzt wird wieder ein Chaos angerichtet, für das wir nicht verantwortlich sind, das wir aber ausbaden müssen“, so Anke Richter-Scheer. Die Praxen hätten Impftermine bis weit in den Januar hinein koordiniert, basierend auf der vorher zugesagten unbegrenzten Liefermenge von Biontech.