Bottrop. Corona hat den Bottroper Einzelhandel tief getroffen, trotzdem sieht der Verbandsvorsitzende eine positive Entwicklung und viele Chancen.
Der Einzelhandel wurde von Corona hart getroffen, langsam kehrt Normalität ein. Ein Gespräch mit Jan-Gerd Borgmann, dem Bottroper Einzelhandelsverbandsvorsitzenden und Inhaber der Baupart GmbH, der in der Pandemie auch etwas Positives sieht.
Seit einigen Wochen kehrt Normalität in den Einzelhandel ein, die Test- und Terminpflicht ist weggefallen. Viele Läden haben aber unter den Corona-Maßnahmen stark gelitten. Ihr Unternehmen hingegen dürfte ziemlich gut laufen in der Krise angesichts des Bau- und Heimwerk-Booms?
Die Branche, in der wir uns überwiegend befinden, technische Produkte rund um den Bau, ist zwar sehr konjunkturanfällig, wie der Bau generell, aber der Einzelhandel spielt nicht die entscheidende Rolle und alles, was mit Corona zu tun hat, auch nicht. Unsere Branche lebt von der allgemeinen Wirtschaftslage und davon, wie viel Geld der Staat für Baumaßnahmen ausgibt. Hinzu kommt die Bedeutung des Zinsniveaus. Bei nahezu Null-Zinsen entsteht ein enormer Bauboom.
Gab es trotzdem konkrete Auswirkungen von Corona auf die Baupart?
Corona hat uns im vergangenen Jahr veranlasst, einen Notfallplan zu machen. Gott sei Dank mussten wir ihn aber gar nicht in Kraft setzen. Als vorsichtige Kaufleute haben wir dennoch Kosten gespart wo es möglich war. Überall haben wir vorsichtig geplant. Den Neubau einer Halle haben wir verschoben, um Ausgaben von zwei Millionen zu vermeiden. Es bestand eine beachtliche Nervosität im Haus.
Ein aktuelles Problem für uns sind allerdings die Lieferzeiten beim Bau, es gibt kein Holz mehr, die Stahlpreise sind explodiert. Das landet jetzt bei uns. Wir haben einen großen Kunden, der macht Kurzarbeit, obwohl seine Bücher voll sind. Aber der kriegt kein Material. Ich sehe da eine Wolke aufziehen. Das ist eine Folge von Corona. Trotzdem wird uns der Markt nicht vollkommen wegbrechen – das ist nichts im Vergleich zum Einzelhandel. Gott sei Dank müssen wir uns keine existenziellen Sorgen machen.
Förderung im Einzelhandel: „Manche holen egoistisch das Beste für sich raus“
Die Einzelhändler haben aufgeatmet, als sich die Regeln gelockert haben. War das schon der Befreiungsschlag oder dauert es noch, bis die positiven Effekte spürbar sind?
Als noch getestet werden musste, war das ein erheblicher Einschnitt. Der Einkauf unter Corona-Bedingungen ist einfach nicht attraktiv. Dann kam die Übergangsphase vom Not- in den Normalbetrieb, wo es noch einen Hemmschuh gab, über den natürlich keiner gerne laut spricht: Die Einzelhändler und Gastronomen bekommen eine Förderung. Sie können 70 Prozent ihres Geschäftes erstattet bekommen. Als noch getestet werden musste, hat mir ein Händler gesagt: Ich mache nur 60, 70 Prozent Umsatz, wenn ich jetzt aufmache. Da lasse ich lieber zu, dann kriege ich die Förderung.
Sie meinen, einige nutzen die Förderung bewusst aus?
Ich habe einen Kollegen in Bayern, bei dem es ebenso gut lief im Corona-Jahr wie bei mir. Der hat aber Kurzarbeit gemacht hat und damit seinen Gewinn gesteigert. Politisch sage ich da: Wenn ich doch Volllast habe und dann die Gelegenheit habe, meinen Gewinn nach oben schießen zu lassen, nur weil eine Regelung so unscharf ist, dann ist das zwar völlig legal, aber nicht legitim. Manche holen aber ganz egoistisch das Beste für sich raus.
Die Corona-Tendenz ist aktuell sehr positiv. Wenn der Trend so weitergeht: Was zieht man für Schlüsse daraus, wie sieht der Einzelhandel, vor allem in der Innenstadt, in einem halben Jahr, in einem Jahr aus?
Wir haben eine Stadt Bottrop, die schon seit vielen Jahren Probleme hat. Überwiegend sind es Strukturprobleme, die auch nach Corona bestehen bleiben. Wir haben eine relativ kleine eigentümergeführte Unternehmerschaft und die meisten werden irgendwie mit Heulen und Zähneknirschen zurückkommen. Allerdings, diese Unternehmerschaft alleine kann die Probleme der Innenstadt nicht lösen.
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Den größeren Teil in Bottrop machen Konzernketten aus. Die Hansastraße ist ja auch deshalb eine Katastrophe, nicht nur, weil das Hansazentrum und der ehemalige Karstadt leer stehen und diese Straße in die Zange nehmen. Verstärkt wird dies durch den Weggang von Douglas und Christ. Bedauerlicherweise ist mit weiteren Schließungen zu rechnen, so dass dieser Bereich der Innenstadt mittelfristig ein Problem bleibt. Die Neubelebung verlangt umfangreiche Investitionen in die Immobilien. Glücklicherweise gibt es erste Ansätze.
„Corona ist wie ein Brennglas für manche Trends, auch in der Bottroper Innenstadt“
Aber wünschen sich die Bottroper nicht am Ende den kleinen Einzelhandel? Braucht es noch die großen Ketten? Kann es die Attraktivität der Innenstadt nicht sogar steigern, wenn man die großen Flächen umwandelt?
Die Bottroper Wünsche haben nicht verhindern können, dass der Einzelhandel sich ändert. Die Bottroper, die gerne ihre Textilboutique haben, gehen trotzdem ins Centro oder ins Internet. Der Wunsch vor Ort einzukaufen ist ein emotionaler, der aber nicht ausreicht, um das Verhalten generell in diese Richtung zu führen – nicht nur in Bottrop. Corona ist wie ein Brennglas für manche Trends, das gilt auch sicherlich für die Innenstadtentwicklung in Bottrop.
Das heißt, es geht weiter bergab?
Nein. Wir haben relativ früh angefangen, die Stadt unabhängiger vom Einzelhandel zu machen, also eine lebendige Stadt zu schaffen, in der der Einzelhandel nicht mehr die Rolle früherer Jahre spielt. Ich zähle ein paar Beispiele auf: Die evangelische Kirche hat vor einigen Jahren ein neues Gemeindezentrum in die Innenstadt gebaut, die katholische Kirche ist dabei, eins fertigzumachen, die Caritas hat Schritt für Schritt Büros zurück in die Innenstadt geholt, die Stadt baut das Kulturzentrum neu, das RAG-Gebäude wird saniert. Die Gastromeile hat sich entwickelt, da ist erheblich investiert worden. Nie hätte jemand für möglich gehalten, dass die schwächelnde Gladbecker Straße eine Gastromeile wird.
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Was muss passieren, damit sich dieser positive Trend fortsetzt?
Bei all dem gilt: Das Fundament in Bottrop sind die vernünftigen Immobilien. Wenn die Immobilien in Schuss sind, wenn die Stadt mitzieht mit ihren Nutzungsgenehmigungen und engagiertem City-Management, dann haben wir eine Voraussetzung für eine lebendige Zukunft.
Da wir wenige professionelle Investoren haben – die meisten dieser Immobilien gehören Bottropern –, haben Sie Menschen dahinter, die sagen: Lasst uns das doch gemeinsam machen. Es gibt einen Hebel und das finde ich ganz wichtig für Bottrop, damit wir Voraussetzungen schaffen für einen Trend, den wir gar nicht richtig antizipieren können – sicher wird es in der Stadt weniger Einzelhandel geben als wir es über Jahrzehnte kannten.
Wie sieht dann die Innenstadt der Zukunft aus? Sie beschreiben einen Ort der Begegnung.
Das ist eigentlich trivial, da sind sich alle einig: Die Innenstädte müssen sauber sein, die Immobilien müssen in Ordnung sein und dann wird man sich in der Stadt begegnen wollen. Dafür müssen neben dem Einzelhandel mehr Dinge sein, die miteinander verwoben sind. Da spielen Kultur und Gastronomie eine große Rolle, da spielt die Gesundheit eine große Rolle – Ärzte, Physiotherapeuten, Apotheken –, die Kirchen, der Einzelhandel. Junge und Alte, aber gezielt auch die vielen Menschen mit Migrationshintergrund, die angesprochen und eingebunden werden müssen. Da sind wir in Bottrop schon weit: Die Stadt ist in Bewegung und ihre Bürger sind vielfältig. Wir müssen alle einbinden, um einen guten „Bottroper Weg“ zu beschreiten.
Vielleicht hatte Corona sogar etwas Gutes: Weil es eine Art Stopp war – und alle sind so durchgeschüttelt worden, dass man vielleicht auch bereit ist, langfristiger zu denken und konsequenter zu entscheiden.