Bochum. .
Schwangerschaftskonfliktberatung hat viele Facetten. Ingrid Borchert spricht über ihre Arbeit bei „donum vitae“ in Bochum.
In erster Linie kümmern Sie sich um „Schwangerschaftskonfliktberatung“. Ein sehr statisches Wort für welche Arbeit?
Ingrid Borchert: Was hinter dem Wort steckt, hat viele Facetten. Wir hören den Frauen in erster Linie zu. Beratung bedeutet ja gerade nicht, jemandem einen Rat zu erteilen. Vielmehr versuchen wir beide Seiten so genau wie möglich zu beleuchten – und den Frauen zu vermitteln, was ein Schwangerschaftsabbruch auch auf emotionaler Ebene bedeutet.
Also raten Sie tendenziell eher von einem Abbruch ab?
Borchert: Natürlich soll und muss letztlich die Frau entscheiden. Schließlich ist sie es auch, die ein Leben lang die Verantwortung für das Kind trägt. Aber wir freuen uns, wenn eine Frau trotz aller Widrigkeiten Ja zum Kind sagt. Dennoch beraten wir neutral, so dass die Klientin auch eine neutrale Entscheidung treffen kann: Fernab von den Einflüssen von Eltern, Partner oder Freunden.
Inwieweit spielt die private finanzielle Lage bei der Entscheidung ihrer Klientinnen eine Rolle?
Borchert: Dieses Problem hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Früher waren es meist die psychischen Belastungen. Heute kommen finanzielle Existenzängste hinzu. Was uns derzeit wieder besonders ärgert, ist die zum 1. Januar 2011 beschlossene Anrechnung des Elterngeldes für Mütter, die von Arbeitslosengeld II leben, bedeutet sie doch einen enormen Einschnitt. Bis Ende des Jahres haben auch arbeitslose Frauen nach der Geburt ihres Kindes den Mindestbetrag von 300 Euro monatlich anrechnungsfrei erhalten, bis zum ersten Geburtstag des Kindes. Seit Januar stehen ihnen nun monatlich 300 Euro weniger zur Verfügung, die dringend für Windeln, Babynahrung und Kleidung gebraucht würden.
Wo sehen Sie finanziellen Handlungsbedarf?
Borchert: Da gibt es eine Menge Baustellen. Es existiert beispielsweise keine offizielle Quelle für Gelder, die für Verhütungsmittel eingesetzt werden können. Der Einsatz einer Spirale kostet 180 Euro – viel Geld für eine Familie mit Kindern. Ich kann nicht verstehen, warum der Schwangerschaftsabbruch bezahlt wird, Verhütungsmittel für Bedürftige aber nicht.
Zu ihrem Arbeitsbereich gehört seit vergangenem Jahr auch, dass sie Mütter, die ein behindertes Kind erwarten, unterstützen. Wie unterscheidet sich diese Arbeit von der „herkömmlichen“ Konfliktberatung?
Borchert: Bei der pränatalen Diagnostik (PND) arbeiten wir eng mit einer Gynäkologin zusammen. Wir kümmern uns um den psychosozialen Dialog, der dringend notwendig ist, gerade bei sehr auffälligen Befunden. Etwa wenn die Frau mitgeteilt bekommt, dass ihr Kind noch im Mutterleib versterben oder das erste Lebensjahr nicht erreichen wird.
Gibt es bei Ihrer Arbeit auch erfreuliche Augenblicke?
Borchert: Durchaus. Etwa wenn eine Mutter nach einer solchen Tragödie wie den Verlust ihres Kindes ein zweites Mal schwanger wird und dann alles klappt. Oder wenn eine werdende Mama, die lange gehadert hat, sich für das Leben des Kindes entscheidet und uns Monate später samt Baby besuchen kommt.