Bochum. .

Nach der Geburt ihrer Kinder steigen viele Mütter nicht mehr voll in den Beruf ein. Doch warum nur? WAZ-Mitarbeiterin Jimena Salloch sprach mit Sandra Hesse, die ihre Kinder mit ins Büro nehmen darf, über dieses Thema.

Rechtsanwältin Sandra Hesse kennt das große Problem, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Foto: Ingo Otto
Rechtsanwältin Sandra Hesse kennt das große Problem, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Foto: Ingo Otto © Ingo Otto / WAZ FotoPool

Weder Elterngeld noch Elternzeit führten bislang dazu, die Frauen nach der Geburt des Kindes so rasch wie möglich in Vollzeit in die Arbeitswelt zurückzuführen. Der Arbeitgeber der Rechtsanwältin Sandra Hesse, die advoprax AG, hat für dieses Problem ein clevere Lösung gefunden: Die Anwältin darf ihre Kinder einfach mit ins Büro nehmen. WAZ-Mitarbeiterin Jimena Salloch sprach mit ihr.

Was sollten junge Eltern zunächst beim Elterngeld beachten?

Sandra Hesse: Vorab sollte sich jedes Paar darüber Gedanken machen, wer von beiden zu Hause bleiben soll. Obwohl wir uns im 21. Jahrhundert befinden ist es ja meist die Frau, die daheim bleibt, weil das Rollenbild es halt so vorsieht. Natürlich spielen auch finanzielle Gründe eine Rolle, denn meist verdienen die Männer mehr.

Doch Elterngeld könnte doch ebenso der Vater beziehen?

Hesse: Das Elterngeld – 65 Prozent des Nettoeinkommens (maximal 1800 Euro) – wird an Väter und Mütter für maximal 14 Monate gezahlt. Beide können dabei den Zeitraum frei untereinander aufteilen: ein Elternteil mindestens zwei und höchstens zwölf Monate.

Wie sieht die Aufteilung in der Praxis aus?

Hesse: In der Praxis geht die Frau ein, zwei oder drei Jahre in Elternzeit und steigt dann nicht mehr in eine volle Stelle ein, sondern arbeitet Teilzeit. Viele Mütter wollen ihre Kinder halt nicht ganztägig in die Obhut einer anderen Person geben.

Weil sie dann als Rabenmütter beschimpft werden?

Hesse: Ganz genau. In kaum einem anderen Land gibt es ein solches Phänomen wie in Deutschland. In Frankreich oder Spanien – geschweige denn in allen skandinavischen Ländern – ist es vollkommen selbstverständlich, wenn die Mutter kurze Zeit nach der Geburt des Kindes wieder Vollzeit in den Beruf einsteigt. Hier ist es immer noch so, dass die Frau entweder als Rabenmutter beschimpft wird oder gefragt wird: „Habt ihr es denn so nötig?“

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Nicht gerade karrierefördernd…

Hesse: Das ist es ja eben. Wer einmal in Teilzeit arbeitet kommt da so schnell nicht wieder raus. Da hilft auch keine Quotenregelung. Vor allem ist es nicht zuletzt der Grund dafür, dass Arbeitgeber insbesondere in leitenden Positionen immer noch Männer bevorzugen. Da müssen sie eher selten befürchten, dass er irgendwann nur noch in Teilzeit zur Verfügung steht.

Haben deutsche Mütter keine Lust auf Arbeit?

Hesse: Der Trend geht leider ganz klar dahin, nach der Geburt eines Kindes beruflich kürzer zu treten. Das liegt in erster Linie an den Unternehmen, die den berufstätigen Müttern Steine in den Weg legen. Es müsste mehr Möglichkeiten geben, von zu Hause aus arbeiten zu können, zeitlich flexibel zu sein oder, wie in meinem Fall, die Kinder mit zur Arbeit nehmen zu können. Die Skandinavier machen es längst vor. In den Köpfen deutscher Unternehmer steckt die Devise: Je mehr Stunden der Arbeitnehmer arbeitet, desto effektiver.

Wie könnten Unternehmer dazu motiviert werden, die Arbeitsmöglichkeiten individueller und somit familienfreundlicher zu gestalten?

Hesse: Indem der Gesetzgeber allen Unternehmen ein Konzept auferlegt, Familie und Beruf vernünftig unter einen Hut zu bringen. Wir brauchen mehr Individualität, nicht nur straffe Organisation. Gesetze allein lösen keine Probleme. Vielmehr muss die Freiwilligkeit gefördert werden.