Bochum. Der Angeklagte soll für den Tod seiner Freundin verantwortlich gewesen sein. Vorwurf: Körperverletzung mit Todesfolge. Das war nicht nachweisbar.
Der einsame Tod einer 45-jährigen Bochumerin in ihrer Wohnung in Bochum-Wattenscheid bleibt wohl für immer ungeklärt. Das Schwurgericht sprach am Montag ihren Freund (43), den Tatverdächtigen, frei. Es folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Bochumer Richter: „Im Zweifel für den Angeklagten“
Eine der „nobelsten Aufgaben“ eines Strafprozesses sei es, Klarheit zu schaffen, sagte Richter Jan Kieke und fügte hinzu: „Das muss ich für gescheitert erklären.“ Trotz fünf Verhandlungstagen blieben „durchgreifende Zweifel“, dass der Angeklagte schuld am Tod der Frau war. Deshalb griff hier der eherne Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
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Am 15. Dezember 2023 wurde die Mutter von drei Kindern in ihrer allein bewohnten Mietwohnung in der Achtermannstraße tot aufgefunden. Sie lag zwischen zwei Sofa-Teilen und wies schon Totenflecken auf. Das Gesicht war mit einem Kissen bedeckt. Am Kopf befanden sich Blutergüsse und Hautabschürfungen, zudem Gewaltspuren am Rücken.
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Ein Nachbar hatte für die zuckerkranke Frau ein Paket mit Diabetes-Arznei treuhänderisch angenommen und aus Sorge, weil sie nicht öffnete, den Rettungsdienst alarmiert. Die Einsatzkräfte verschafften sich Zutritt zur Wohnung und fanden die Leiche direkt hinter der Wohnzimmertür. Ermittlungen ergaben, dass die Frau bereits am späten Nachmittag des 12. Dezember gestorben war.
Noch am selben Tag geriet ihr Partner in Verdacht. Eine Woche lang kam er in U-Haft, zunächst wegen des Verdachts des Totschlags. Als sich dieser Vorwurf aber nicht stützen ließ, ging die Justiz nur noch von Körperverletzung mit Todesfolge aus und setzte den Haftbefehl außer Vollzug, so dass der Mann frei kam.
Todesursache konnte nicht geklärt werden
Laut Anklage soll er die Frau am 12. Dezember mehrfach ins Gesicht geschlagen und dort in einer hilflosen Lage zurückgelassen haben. Die 45-Jährige sei an einer „Zuckerentgleisung“ gestorben. Das hätte verhindert werden können, wenn sie nicht zuvor geschlagen und allein gelassen worden wäre – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Im kompletten Prozess schwieg der Angeklagte. Zuvor hatte er bestritten, etwas mit dem Tod der Frau zu tun zu haben. Das war ihm vor Gericht nicht zu widerlegen.
Belastet wurde er vor allem durch Totenflecken an der Leiche. Diese sollen belegen, dass die Frau nach ihrem Tod in der Wohnung aus unklaren Gründen umverlegt worden sei – und nur der Angeklagte soll Zugang zu der Wohnung gehabt haben. Zudem waren Blutspuren der Frau an seiner Hose verdächtig. Bewiesen war dadurch aber nichts.
„Keine ausreichende Sicherheit, was vorgefallen ist“
Das Gericht hatte – wie auch die Staatsanwaltschaft – „keine ausreichende Sicherheit, was vorgefallen ist“. Das Problem der Beweisführung begann schon damit, dass die Zuckerschock-These der Anklage im Prozess durch Ärzte erschüttert wurde und so gar nicht mehr feststellbar war, woran die Frau gestorben ist, an Gewalteinwirkung jedenfalls nicht. Im Raum stand die Annahme, dass die schwer alkoholkranke Frau wegen eines akuten Entzuges einen Krampfanfall erlitten haben könnte und erstickt sei. Aber auch das war nicht mehr als nur eine Option.
Der Richter betonte, dass eventuell gar keine Straftat vorliegt. „Auch ein tragischer Todesfall ist denkbar.“ Verteidigerin Cara Schulden sprach von einer „offensichtlichen Verkettung unglücklicher Umstände“ im Zusammenhang mit Diabetes und Alkohol bzw. einem Entzug.
Nebenklage fordert Schuldspruch
Der Vertreter der Nebenklage, der Hinterbliebenen, forderte einen Schuldspruch. Für welche Art der Straftat und wie hoch die Strafe sein sollte, sagte er aber nicht.
Im so genannten „letzten Wort“ vor dem Urteil sagte der Angeklagte: „Es tut mir einfach leid. Ich plädiere auf nicht schuldig.“
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hat er Schadensersatzansprüche wegen erlittener U-Haft (75 Euro pro Tag) und der polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung.
Trotz des Freispruchs stellte der Richter aber klar, dass die „erheblichen Verdachtsmomente“ gegen den Angeklagten nicht ausgeräumt worden seien. Für die Hinterbliebenen sei das Urteil deshalb „keine befriedigende Situation“.