Bochum. Die Stadt Bochum ist an mehr als 90 Unternehmen beteiligt. Während besonders eines von ihnen für einen Geld-Regen sorgt, machen andere Verluste.
Das Jahr 2024 fängt gut an. Es hat Bochum um 187 Millionen Euro reicher gemacht. So viel Geld ist aus dem Verkauf der 18-prozentigen Beteiligung der Stadt über ihre Stadtwerke am Energiekonzern Steag geflossen, einige weitere Millionen werden wohl noch folgen. Damit hat sich das Steag-Geschäft doch noch als Erfolg erwiesen – was sich nicht für jede Beteiligung Bochums sagen lässt; zumindest nicht unter finanziellen Gesichtspunkten.
Stadt Bochum ist an mehr als 90 Unternehmen beteiligt
Mehr als 90 hält die Stadt momentan unmittelbar oder mittelbar über ihre stadteigenen Unternehmen (Stand 2022). Das geht aus dem jüngsten Beteiligungsbericht hervor. Er gibt einen Überblick über die Firmen, ihren Zweck, ihre Größe und ihre finanzielle Lage.
Nicht mehr enthalten darin sind die Anteile, die sich in den vergangenen Jahren als die aufreibendste entpuppt haben: die an RWE. Zwischen 2016 und 2018 hat Bochum seine Aktien mit einem Gewinn von insgesamt 65,6 Millionen verkauft und damit einen Schlussstrich gezogen.
Stadtwerke Bochum haben bislang 574,2 Millionen aus Gelsenwasser-Beteiligung erhalten
Aufgeführt wird im Beteiligungsbericht weiterhin eine Energiebeteiligung, die sich als die bislang ertragreichste und stabilste erwiesen hat; die an der Gelsenwasser AG. Seit die Stadtwerke Bochum 2003 von Eon gemeinsam mit den Stadtwerken Dortmund für 835 Millionen Euro 80,5 Prozent der Gelsenwasser-Aktien übernommen haben, sprudeln Jahr für Jahr Erträge in achtstelliger Höhe über die Stadtgrenze. 38,05 Millionen Euro waren es allein 2022 (Grafik). Nach Abzug der Finanzierungskosten sind es nach Auskunft der Stadtwerke noch 31,6 Millionen Euro Gewinn: Seit der ersten Ausschüttung 2004 hat das städtische Tochterunternehmen aus der Gelsenwasser-Beteiligung Erträge in Höhe von 574,2 Millionen erhalten. Ein „Glücksfall für das Unternehmen“ hat der frühere Stadtwerke-Chef Bernd Wilmert einmal den Zuschlag für den Kauf von Gelsenwasser genannt.
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Oft resultiert mehr als die Hälfte der Gewinne, die die Stadtwerke Bochum jedes Jahr an die Stadt ausschütten, aus dieser Beteiligung. Das städtische Unternehmen, zu 100 Prozent im Eigentum der Kommune, ist im Besitz der Gelsenwasser-Anteile und hält ohnehin zahlreiche Beteiligungen der Stadt.
Viele Beteiligungen im Bereich Entsorgung, Verkehr und Versorgung
Allein 49 Beteiligungen und damit die meisten überhaupt entfallen auf den Bereich „Entsorgung, Verkehr und Versorgung“: von den Stadtwerken selbst über die Glasfaser Ruhr und den Versorgungsbetrieb USB bis zur Kueppers Solutions GmbH, einem Anbieter für innovative Wärmetechnik mit Sitz in Dortmund. Dahinter folgen „Wirtschaft, Entwicklung, Forschung, Technologie“ (12 Beteiligungen), „Bildung, Freizeit, Kultur, Tourismus“ und „Banken, Einkaufsgemeinschaften und Sonstige“ (je 11) sowie „Immobilienwirtschaft und soziale Einrichtungen“ (7).
Die gesamte Liste reicht von der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (WEG) bis zur Stiftung des Ruhrgebiets, von der beka GmbH (Einkaufsdienstleister) bis zum Zweckverband KDN (Dachverband kommunaler IT-Dienstleister).
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Es ist ein weites Spektrum an Firmen und Vereinigungen, die einen öffentlichen Zweck erfüllen sollen. „Damit ist im Wesentlichen die Wahrnehmung von gemeinwohlorientierten Aufgaben gemeint, die die Versorgung der Einwohner und Einwohnerinnen zum Ziel hat“, heißt es dazu im aktuellen Beteiligungsbericht.
Genau daran, am „öffentlichen Zweck“, scheiden sich nicht selten die politischen Geister; allen voran an jener nun verkauften Steag-Beteiligung. Nicht zuletzt die internationalen Projekte des Essener Energieunternehmens, die von Kommunalpolitikern kaum zu kontrollieren seien, waren immer wieder Anlass für Kritik.
Bochum hat ertragreiche und kostspielige Beteiligungen
Grundsätzlich lassen sich zwei große Gruppen von Beteiligungen unterscheiden: Jene, die der Stadt Geld einbringen, und jene, die die Stadt Geld kosten.
Größter Verlustbringer ist die Bogestra. Allein 2022 musste Bochum Verluste in Höhe von 50,645 Millionen Euro des Nahverkehrsunternehmens stemmen. Die Stadt trägt als größter Anteilseigner auch den größten Teil der jährlichen Defizite. Einen Teil davon hat sie 2022 durch Corona-Hilfe des Bundes mindern können. Der hat 12,7 Millionen Euro nach Bochum überwiesen.
Zweifel an der vermeintlichen Unvermeidbarkeit struktureller Defizite
Die Verluste wiederum sind im Wesentlichen strukturell bedingt. Öffentlicher Nahverkehr, heißt es, sei nicht ohne Zuschuss zu betreiben. Zum Vergleich: In Wuppertal hat das Nahverkehrsunternehmen WSW mobil 2022 mit einem Minus von 60 Millionen Euro abgeschlossen, in Bielefeld (Mobiel) war es ein Defizit von 29,4 Millionen Euro. Noch größer sind die negativen Ergebnisse in Metropolen; in Köln (KVB) etwa lagen sie 2022 bei 143,5 Millionen Euro.
Allerdings: Aus Sicht von Verkehrsexperte Stefan Weigele sind die Kommunen nicht ganz unschuldig an dieser Situation, wie er in einem Interview mit „Zeit online“ erklärt. Das liegt an fehlenden verkehrspolitischen Gesamtkonzepten und an politischer Einflussnahme. Nicht immer sei das Angebot der Verkehrsunternehmen das, „was die Bürger wirklich brauchen“. Und: Häufig müssten Kommunen andere Themen mittragen; angefangen von der Beschäftigungssicherung bis zu unflexiblen Schulzeiten, die sich auf den ÖPNV auswirken. „Alles unter dem Deckmangel der Daseinsvorsorge“, so Weigel, der Kommunen auch vorwirft, sie würden „Geld verbrennen“, weil sie Doppelstrukturen unterhalten.
Doppelstrukturen sind im Ruhrgebiet ein großes Thema
Tatsächlich sind diese Doppelstrukturen gerade im Ruhrgebiet ein Thema. „Wir brauchen nicht unzählige Wasserköpfe wie Geschäftsführer und Aufsichtsräte sowie weitere Mehrfachstrukturen wie z.B. Marketing, Vertrieb oder Personalabteilungen der vielen Nahverkehrsbetriebe im Ruhrgebiet“, hat unlängst Bochums Ratsmitglied Volker Steude (Die Stadtgestalter) moniert. Bochum und Essen planen zwar eine Kooperation ihrer Verkehrsbetriebe; der erhoffte Einstieg in einen großen Verkehrsanbieter für das ganze Ruhrgebiet ist das aber wohl nicht.
Fakt ist: Die hohen Gewinne der Energiebeteiligungen Bochums, sie liegen seit Jahren im Durchschnitt bei etwa 55 Millionen Euro, werden in erster Linie dazu verwendet, die Defizite der Bogestra auszugleichen.
Auch Schaulspielhaus, Wasserwelten und Seniorenheim sind kostspielig
Es gibt noch weitere große Verlustbringer; so etwa das Schauspielhaus mit seinen 20,382 Millionen Euro Defizit allein im Jahr 2022, die Senioreneinrichtungen SBO und die Wasserwelten; Erstere haben die Stadt allein zwischen 2012 und 2022 etwa 27,5 Millionen Euro gekostet, sollen bis 2025 saniert sein und dann ohne städtische Zuschüsse betrieben werden; Zweitere benötigen momentan wegen des hohen Sanierungs- und Modernisierungsbedarfs Geld, das die jährlichen Einnahmen bei Weitem übersteigt. 2022 waren es 9,9 Millionen Euro.
Immerhin: Es gibt auch weitere Gewinnbringer, so etwa die Sparkasse und die überwiegend städtische Wohnungsgesellschaft VBW. Kritiker monieren, dass deren Gewinne zurück an die jeweiligen Kunden fließen müssten bzw. Kontogebühren und Mieten gesenkt werden müssten, statt in den städtischen Haushalt zu fließen.
Bochum hält fast die Hälfte an der Gelsenwasser AG
Die Stadtwerke Bochum halten seit 1964 Anteile an der Gelsenwasser AG bzw. dem Vorgänger der Gelsenwasser, der „Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlerevier AG“.
Im Jahr 2003 wurden gemeinsam mit den Dortmunder Stadtwerken (DSW21) die Anteile von Eon an Gelsenwasser übernommen. Über die Wasser und Gas Westfalen GmbH (WGW), an der DSW21 und Stadtwerke Bochum zu jeweils 50 Prozent beteiligt sind, halten Bochum und Dortmund 92,93 Prozent an der Gelsenwasser.
Dazu kommt eine direkte Beteiligung der Stadtwerke Bochum von 1,09 Prozent. Das heißt, insgesamt hält Bochum über seine Stadtwerke 47,56 Prozent an der Gelsenwasser AG.
Die beiden Stadtwerke haben über eine Erwerbsgesellschaft (WGW) ein Darlehen aufgenommen, „das den Großteil der Finanzierung abdeckte“, so Jascha Dröge, Sprecher der Stadtwerke Bochum. Die Stadtwerke Bochum wiederum haben für ihre Einlage Darlehen in Höhe von 80 Millionen Euro aufgenommen „und als Eigenkapital in die Erwerbsgesellschaft eingebracht“. Und: „Die Zinslast für diese Darlehen der Stadtwerke Bochum beträgt bis einschließlich 2023 insgesamt 76,8 Millionen Euro“, so Dröge.
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