Bochum. Der öffentliche Nahverkehr im Ruhrgebiet soll besser werden. Bogestra und Ruhrbahn wollen zusammenarbeiten. Eine Fusion ist noch weit weg.
Ein besserer Bus- und Bahnverkehr im Ruhrgebiet: Mit einem Kooperationsvertrag wollen zwei der großen Nahverkehrsunternehmen der Region, Bogestra (Bochum, Gelsenkirchen) und Ruhrbahn (Essen, Mülheim), den ersten Schritt in diese Richtung unternehmen. Voraussetzung dafür: Die Politik in den vier betroffenen Städten sagt „Ja“ zu den Plänen.
Bochums Rat entscheidet am 1. Februar über 11-Punkte-Plan
In Bochum entscheidet der Rat am 1. Februar. Dabei zeichnet sich eine breite Zustimmung für den 11-Punkte-Plan ab, in dem u.a. ein günstiger und einfacher Tarif, eine App für alle sowie gemeinsamer Einkauf und Ausbildung von Personal vereinbart werden. Wenngleich einigen Fraktionen die Zusammenarbeit nicht weit genug geht. „Ziel muss für uns ganz klar eine Vereinheitlichung des ÖPNV im Ruhrgebiet sein“, sagt FDP-Fraktionschef Leon Beck. So könnten auch Posten und Positionen eingespart und das Angebot effizienter gemacht werden.
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Ähnlich argumentieren die Stadtgestalter. Sie sehen in Bochum zwar „einen grundsätzlichen Willen, die Nahverkehrsbetriebe stärker kooperieren zu lassen“, so Volker Steude, Sprecher der Wählervereinigung. Das reiche aber nicht aus. Es müsse einen gemeinsamen Nahverkehrsplan für das gesamte Ruhrgebiet geben. Und: „Wir brauchen auch nicht unzählige Wasserköpfe wie Geschäftsführer und Aufsichtsräte sowie weitere Mehrfachstrukturen wie z. B. Marketing, Vertrieb oder Personalabteilungen der vielen Nahverkehrsbetriebe im Ruhrgebiet.“ Ein einheitliches Verkehrsunternehmen sei auch wettbewerbsfähiger.
Personelle Verschränkung ist offenbar kein Thema mehr
So weit wird es auf absehbare Zeit aber wohl nicht kommen. Aus den Städten der kleineren Partner beider Unternehmen, Mülheim (Ruhrbahn) und Gelsenkirchen (Bogestra), hat es bereits Vorbehalte gegeben. Wie auch bei der Bogestra selbst. Nach dem Treffen der Oberbürgermeister aller vier beteiligten Städte am 20. Oktober 2023 heißt es im Intranet des Unternehmens: „Es hat sich herausgestellt, dass es aufgrund der momentanen unklaren Situation zur Fortführung des Deutschland-Tickets sowie der Finanzierung des ÖPNV in Gänze zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll erscheint, die angedachte personelle Verschränkung auf Unternehmensleiterebene sowie die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft kurzfristig umzusetzen.“ Hinzu komme, dass die rechtlichen Prüfungen aufgezeigt hätten, „dass zur Klärung vielfältiger gesetzlicher Rahmenbedingungen deutlich mehr Zeit benötigt wird“.
Überlegungen zu einer Doppelspitze
Zwischenzeitlich hatte es geheißen, es könne zu einer Doppelspitze kommen. Ruhrbahn-Vorstand Michael Feller könne in Personalunion auch Chef der Bogestra werden – als Nachfolger für das Ende 2024 scheidende Vorstandsmitglied Andreas Kerber. Im Gegenzug sollte Bogestra-Vorstand Jörg Filter neben Feller Vorstand bei der Ruhrbahn werden.
Städte sollen weiterhin Verluste aus anderen Töpfen ausgleichen können
Einer der Knackpunke: Die getrennten Nahverkehrsgesellschaften ermöglichen es den Städten weiterhin, Verluste durch Einnahmen an anderer Stelle auszugleichen. Bochum etwa finanziert den in der Regel durch Ticketverkäufe nicht auskömmlich finanzierten Nahverkehr jährlich mit vielen Millionen Euro, u.a. aus den Gewinnen der Stadtwerke.
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Tatsächlich ist die „Mobilität aus einem Guss“ das Ziel der engeren Zusammenarbeit beider Nahverkehrsunternehmen. Aber: Es bleibe weiterhin bei einer Direktvergabe des ÖPNV an die Unternehmen durch die Städte und beim „Erhalt der steuerlichen Querverbünde mit den jeweiligen Stadtwerken“, wie es einer Vorlage der Stadtverwaltung Bochum heißt. Bochum und Gelsenkirchen hatten zuletzt 2019 die Bogestra mit Organisation des Nahverkehrs in ihren Städten bis zum Jahr 2041 beauftragt.
Zwei große Unternehmen
Bei der Bochum-Gelsenkirchener Staßenbahnen AG (Bogestra) arbeiten etwa 2400 Beschäftigte. Mit etwa 400 Bussen und Bahnen werden 83 Linien mit einer Länge von etwa 1170 Kilometer bedient – hauptsächlich in Bochum und Gelsenkirchen, aber auch in angrenzenden Städten.
Die Ruhrbahn GmbH beschäftigt etwa 2600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hat eine Flotte mit 283 Bussen und 160 Bahnen und bedient in Essen und Mülheim ein Streckennetz von insgesamt 580 Kilometern.
Betriebsrat begrüßt Kooperation, lehnt Fusion aber ab
Der Bogestra-Betriebsrat äußert sich derweil positiv über eine mögliche Zusammenarbeit. Er befürworte „jegliche Kooperationen, um Synergieeffekte zu erzielen, um unser Dienstleistungsangebot aufrechtzuerhalten und den Bestand der Arbeits- und Ausbildungsplätze langfristig zu sichern“, heißt es auf eine Anfrage dieser Redaktion. Vorteile seien eine größere Arbeitsplatzsicherheit. Und: „Für Kunden können Qualitätsverbesserungen forciert werden.“ Eine Fusion lehnt die Arbeitnehmervertretung aber ab.