Bochum. Lange waren die RWE-Aktien ein Zankapfel in Bochum. Nun sind sie verkauft – nachdem Stadt und Stadtwerke Millionen mit ihnen erzielt haben.
Einst gehörten die RWE-Aktien zum Tafelsilber Bochums. Zwischenzeitlich war das Paket mit exakt 6.648.637 Stück weit mehr als 600 Millionen Euro wert – also etwa drei Mal so viel wie derzeit die jährlichen Gewerbesteuereinnahmen der Stadt. Ein wirtschaftliches Pfund.
Nach dem Absturz des Papiers an der Börse indes wurde der Ruf nach einem Verkauf der RWE-Anteile immer lauter. Und den hat der Rat der Stadt 2016 schließlich auch beschlossen. Dieser Tage wurde die letzte Tranche veräußert. Ein Fazit.
Buchwert von nur noch 10,11 Euro
65,5 Millionen Euro Gewinn sind am Ende für die Stadtwerke Bochum übrig geblieben, in deren Besitz das Aktienpaket war. Es ist die Differenz zwischen der Verkaufssumme zum jeweiligen Zeitpunkt der insgesamt drei Tranchen (Grafik) von insgesamt mehr als 130 Millionen Euro und dem Buchwert von etwa 10,11 Euro. Verwendet wurden die Erlöse der ersten beiden Pakete von jeweils 2,2 Millionen Stück nach Auskunft de Stadtwerke als Rücklage für Investitionen vor allem in Erneuerbare Energie. Ob der Gewinn von etwa 35 Millionen der dritten Tranche ebenfalls dazu verwendet wird, steht noch dahin.
Damit nicht genug. Auch vom Geschäftserfolg von RWE haben die Anteilseigner, darunter Bochum und etliche andere Städte, zwischenzeitlich profitiert. Ehe es 2016 zum ersten Mal überhaupt keine Ausschüttung gegeben hat, flossen in all den Jahren zum Teil erhebliche Dividenden.
Dividende und Verkaufserlöse
Für Bochum summiert sich die Gewinnausschüttung vom Jahr 2000 bis heute auf insgesamt 210,3 Millionen Euro – so die Stadtwerke auf Anfrage dieser Zeitung. Geld, das über die Holding für Versorgung und Verkehr entweder in den städtischen Haushalt geflossen ist oder aber Bochums finanzielle Verpflichtungen an seinen Beteiligungen mit abgedeckt hat. Unterm Strich sind also in 19 Jahren 275,8 Millionen Euro aus Dividenden und Verkaufserlösen an die Stadt und ihre Tochtergesellschaft geflossen. Gekostet haben die Papiere Bochum „nichts“. Sie war im Rahmen der Fusion von VEW AG und RWE AG im Jahr 2000 durch Aktientausch in den Besitz von Aktien der RWE AG gekommen.
Millionen-Einnahmen entgangen
Ein gutes Geschäft? Darüber werden sich die Geister streiten – vor allem die politischen. Wäre der Rat Anfang 2007 dem Vorschlag des damaligen Kämmerers Manfred Busch gefolgt und hätte das gesamten Aktienpaket zum damaligen Kurs von etwa 100 Euro verkauft, die Stadtwerke hätten 660 Millionen Euro eingenommen und hätten sich die später folgenden Belastungen durch die Abwertung des Papiers sparen können. „Die Verlustspanne hat weh getan“, räumte Busch dieser Tage bei einer Podiumsdiskussion ein. Er sagt aber auch: „Wir haben mit dem Verkauf gestalten können. Wenn man eine Strategie für eine Investition hat, kann man auch verkaufen.“
Bedingungen für den Verkauf
Mit Vorgaben hatte der Rat der Stadt Bochum 2016 den Verkauf der 6,6 Millionen RWE-Aktien beschlossen. Das erste Drittel sollte verkauft werden, sobald der Aktienkurs bei mindestens 15 Euro je Aktien lag. Beim zweiten zweiten Drittel sollte spätestens bei 19 Euro verkauft werden.
Über den Verkauf des dritten Drittels sollte der Aufsichtsrat entscheiden. Dieser hat im August beschlossen, die restlichen 2,2 Millionen Stück zu verkaufen. Sie wechselten in mehreren Margen zu Kursen zwischen 25 und 27 Euro je Stück den Besitzer.
Die Stadt selbst ist von den finanziellen Belastungen verschont geblieben. Die Wertberichtigungen haben die Stadtwerke gestemmt – insgesamt ein dreistelliger Millionen-Betrag, der u. a. durch stille Rücklagen aus einer anderen Beteiligung, nämlich der Gelsenwasser AG, finanziert wurde.
Auch Steag-Anteil in der Diskussion
Damit ist das Kapitel RWE-Aktien für Bochum erledigt, zumal nicht nur die 6,6 Millionen Aktien aus dem Paket der Stadtwerke verkauft wurden, sondern auch die 9489 Stück, die die Stadt selbst gehalten hat. Als Nächstes könnte es nun darum gehen, sich möglichst ohne große Verlust von den Anteilen am Energieunternehmen Steag zu trennen – auch das fordern große Teile der Politik seit geraumer Zeit.
Offen spricht von den Entscheidungsträgern darüber niemand, um die Steag, die über eine Beteiligungsgesellschaft im Besitz von fünf Revierstädten ist, und mögliche Verkaufshandlungen nicht zu beschädigen. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass Bochum sich über kurz oder lang auch von seiner Steag- Beteiligung trennen will. Die formalen Voraussetzungen dafür sind mittlerweile gegeben. Die Anteilseigener haben sich mittlerweile darauf geeinigt, dass einzelne Städte von 2020 an ihr Paket auch ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter verkaufen können.