Bochum. Es drehen sich zu wenig Baukräne in Bochum. Nur einmal hat die Stadt ihre Neubauzielmarke erreicht. Ausgerechnet jetzt explodieren die Kosten.
Bauen im großen Stil hat sich Bochum vorgenommen. 800 neue Wohnungen sollten jedes Jahr entstehen, um den Nachholbedarf in allen Bereichen zu decken. Davon sind Stadt, Wohnungsunternehmen und Investoren allerdings weit entfernt (Grafik). Warum das so ist, muss auch bei der gerade angelaufenen Überprüfung des 2017 verabschiedeten Handlungskonzepts Wohnen auf den Tisch.
In Bochum werden nur halb so viele Sozialwohnungen gebaut wie erhofft
730 neue Wohnungen wurden 2020 nach Angaben des Statistischen Landesamts IT.NRW neu gebaut und damit tatsächlich fast doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Die Stadtverwaltung hat sogar 832 neue Wohnungen gezählt. Das sind viele. Von Dauer war dieser Höhenflug allerdings nicht.Weit entfernt von seinen Zielen ist die Stadt vor allem beim sozialen Wohnungsbau.
Jede vierte neue Wohnung sollte eigentlich eine Sozialwohnung sein, um den seit Jahren sinkenden Bestand wenigstens halbwegs zu halten. Tatsächlich wurden in den vergangenen drei Jahren nur etwa zwölf Prozent der Neubauten mit Fördermitteln des Landes finanziert. Zum Vergleich: In den Jahren 2007 bis 2009 waren es noch 26 Prozent. Das geht es aus dem aktuellen Wohnungsmarktbericht hervor.
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Wohnungsbestand ist seit 2021 nur um 1,8 Prozent gestiegen
Insgesamt ist der Wohnungsbestand in der Stadt zwischen 2012 und 2021 um gerade einmal 1,8 Prozent auf 200.665 Einheiten gewachsen. Zu wenig, um den wachsenden Wünschen nach großen, nach günstigen, nach barrierearmen, nach attraktiven Wohnungen auch nur halbwegs nachzukommen.
Und die Lage dürfte kaum besser werden. „Es bleibt abzuwarten, wie sich die weiteren gravierenden Verschlechterungen der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen … auf künftige Investitionen bzw. die Neubautätigkeit auswirken werden“, heißt es im besagten Bericht. Und: „Für die nächsten zwei bis fünf Jahre gehen die Experten weiterhin von einer angespannten bis sehr angespannten Marktlage aus.“ Das dürfte sich auf die Ausbauziele auswirken.
Vonovia stoppt 2023 alle Neubauprojekte
Zumal einige Akteure die Notbremse ziehen. Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia hat angekündigt, 2023 alle Neubauprojekte zu stoppen. „Die Inflation und die Zinsen sind enorm gestiegen und davor können wir nicht die Augen verschließen“, sagt Vorstandsmitglied Daniel Riedl. Auch wegen der steigenden Baukosten müsse der Dax-Konzern die Reißleine ziehen und warten, bis bessere Rahmenbedingungen oder eine entsprechende Förderpolitik das Bauen wieder rentabel machten.
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Instandhaltungen seien davon nicht betroffen, versichert Pressesprecherin Bettina Benner. Auch würden insgesamt 112 Wohnungen in der Weitmarer Straße, der Holbeinstraße. der Kaulbachstraße, der Knoopstraße und auf der Straße „Lange Malterse“ gebaut. Mehr aber nicht.
In Wartestellung bleiben Projekte des Dachgeschossausbaus, bei denen 78 neue Wohnungen entstehen. Und: „Wir haben aber die Entwicklungsarbeiten nicht eingestellt und streben bei unseren Projekten an, dass wir Baugenehmigungen einholen und letztendlich startbereit sind, wenn die Rahmenbedingungen wieder passen. Wir werden die Dinge baureif machen“, so Benner. Und auf bessere Zeiten warten.
Genossenschaft hofft auf gute Rahmenbedingungen beim Bau geförderter Wohnungen
Eine Strategie, die auch andere wichtige Player in Bochum verfolgen. So etwa der Gemeinnützige Wohnungsverein (GWV) Bochum. Dessen großes Projekt an der Wasserstraße wird er zu Ende bauen – trotz einer Kostensteigerung von 15 bis 18 Prozent im vergangenen Jahr.
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Wie es weitergeht? „Wir lehnen uns nicht zurück, sondern planen weiter das, was wir in Zukunft vorhaben und hoffen auf bessere Rahmenbedingungen“, sagt Geschäftsführer Christian Knibbe. Aber ob es tatsächlich sofort umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt.
300 Experten sprechen übers Wohnen
Der erste Fachkongress für Innovative Quartiersentwicklung hat sich am 2./3. Februar im Europäischen Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) in Bochum damit beschäftigt, wie es gelingen kann, lebenswertes Wohnen und Arbeiten in attraktiven Quartieren zu verbinden mit Klimazielen, Energie- und Mobilitätswende, Digitalisierung und demografischem Wandel.
300 Teilnehmer waren bei der Veranstaltung dabei, die künftig als Austauschplattform für urbane Transformation und innovative Quartiersentwicklung dienen soll, die Wissenschaft und private sowie öffentliche Immobilienwirtschaft ganzheitlich zusammenbringt.
In diesem Fall könnte es glücken. Denn: Das nächste Neubauprojekt mit 44 Wohnungen soll zu 100 Prozent mit Fördermitteln entstehen. Und sollten es die neuen, noch in diesem Februar erwarteten Förderbedingungen hergeben, werde – Stand jetzt – auch gebaut.
In der Baubranche gilt: Alles nur unter Vorbehalt
Genauer geht es nicht. In der Branche gilt momentan: Alles nur unter Vorbehalt. Geplant werde weiter langfristig, entschieden aber kurzfristig. Auch bei den energetischen Sanierungen von Altbeständen „Wir investieren da massiv weiter“, sagt Knibbes Geschäftsführer-Kollege Micha Heimbucher. Allerdings: „Bei unserem nächsten Projekt mit 85 Wohnungen werden einige Gewerke mehr als 30 Prozent teurer als ursprünglich geplant; Heizung Sanitär, Elektro, aber auch andere“.
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Steigen die Kosten weiter, kann sich VBW Neubauten nicht mehr leisten
Auch das städtische Tochterunternehmen VBW, mit mehr als 12.600 von insgesamt gut 200.000 Wohnungen der größte Anbieter in Bochum, steckt in dieser Situation. 277 Wohnungen, die noch im Bau sind, sollen noch dieses Jahr fertiggestellt werden; z. B. in der Lennershofsiedlung, der Voedestraße und der Weser- sowie der Werrastraße in der Flüssesiedlung. Für einige Objekte an der Rhönstraße, Freie Vogelstraße sowie Heckertstraße sei es gelungen, nun doch mit öffentlichen Fördermitteln des Landes NRW zu bauen.
Und: „Wir bauen weiter“, so VBW-Sprecher Dominik Neugebauer. Allerdings: „Wenn es keine Veränderungen mit Blick auf die Baukosten gibt und das Preisniveau weiterhin so bleibt oder sogar steigen wird, dann wird bei uns Neubau wirtschaftlich nicht mehr möglich sein.“
Damit nicht genug. Die schwierige Lage ist noch viel komplexer: „Wir haben steigende Energiekosten, technische Änderungen bei den Heizungen, wir haben die Baukostenentwicklung und wir haben das Personal nicht mehr, das alles umsetzen soll“, sagen die GWV-Geschäftsführer Knibbe und Heimbucher. Das klingt nicht so, als sollten Bochums ehrgeizige Ziele auf absehbare Sicht zu erreichen sein.