Bochum. Rund 400 Verdachtsfälle von Tierschutzverstößen prüfte das Veterinäramt in Bochum im vorigen Jahr. Der Nachweis ist aber nicht so einfach.
Keine artgerechte Ernährung, schlechte Hygiene, Bewegungs- und Platzmangel, Gewalt, chaotische Unterbringung: Diese und ähnliche Zustände bei privaten Tierhalterinnen und Tierhaltern beschäftigen regelmäßig das Bochumer Veterinäramt. Im vorigen Jahr gingen die Mitarbeitenden dort rund 400 Fällen nach, teilweise nach mehrfachen Beschwerden.
Neun Menschen wurde ein Tierhalte- und Betreuungsverbot erteilt, bei rund 50 Vorgängen wurden Tiere den Eigentümern auch weggenommen und sichergestellt. Diese Zahlen nannte Stadtsprecherin Charlotte Meitler auf WAZ-Anfrage.
Für die Bochumer Behörde gilt zunächst die Unschuldsvermutung
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Allerdings: „Sobald für eine artgerechte Unterbringung gesorgt ist, gehen die Tiere häufig gegen Entrichtung der angefallenen Kosten wieder zurück an die Besitzer.“ Teilweise musste das Amt auch einschreiten, weil alleinstehende Menschen im höheren Alter notfallmäßig ins Krankenhaus kamen und die Versorgung der Tiere sonst nicht gewährleistet gewesen wäre.
Beschwerden kommen meist von Zeugen aus der Nachbarschaft oder von Bekannten: teils berechtigt, teils unberechtigt. Tierschutz ist ein sehr emotionales Thema, das macht es nicht leichter, die Beschwerden sofort objektiv zu bewerten. Die Grenzen, was einem Tier ernsthaft schadet und was noch nicht, sind oft fließend. Charlotte Meitler: „Laut Rechtsstaatsprinzip muss zunächst von der Unschuld einer Person ausgegangen werden, bis ein Verstoß durch die Behörde nachgewiesen werden kann. In der Regel genügen Aussagen von Personen nicht als Beweis alleine.“ Das führt bei Hinweisgebern mitunter zu Enttäuschung und Verärgerung.
Sanktionen reichen von Belehrung bis hin zu Haltungsverbot und Zwangsgeldern
Sobald ein Hinweis auf einen mutmaßlichen Tierschutzverstoß kommt, prüft das Amt zunächst, ob der oder die Beschuldigte bereits wegen der Tierhaltung aufgefallen ist, ob es andere Beschwerden gab und ob schon einmal Anordnungen getroffen werden mussten. Danach erscheint das Amt in der Regel unangekündigt direkt vor Ort. Wenn der Aufenthaltsbereich des Tieres nicht zu beanstanden ist oder keine Auffälligkeiten am Tier selbst festzustellen sind – Schäden, Verletzungen, merkwürdiges Verhalten – liegen aus Sicht des Amtes „keine belastbaren Informationen für Anordnungen vor“. Dennoch erfolge eine Belehrung, „um die tierhaltende Person für die Thematik zu sensibilisieren“.
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Wenn aber ein Tier erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, kann es dem Eigentümer weggenommen werden. Und das ist nicht alles: Gibt es Anhaltspunkte, dass wohl auch ein neu angeschafftes Tier wieder misshandelt würde, kann das Halten und Betreuen unbefristet verboten werden. Erneute Verstöße gegen das Tierhalte- und Betreuungsverbot würden mit erneuter Wegnahme und zusätzlich Zwangsgeldern sanktioniert.
Kot, Urin und Unrat lagen in einigen Wohnungen herum
Auch die Stadt Bochum selbst wird kritisiert
Mitunter gerät auch die Stadt Bochum selbst in die Kritik.
Eine beschuldigte Pferdehalterin, die wegen Haltungsverhältnissen sanktioniert werden soll, spricht von „Schikane“. Ihre Pferde hätten drei Morgen Weide als Auslauf.
Kritik kam auch von einem WAZ-Leser an einer „desaströsen Pferdehaltung auf dem städtischen Abenteuerspielplatz Hüller Straße“. Die Stadt solle sich „an die eigene Nase packen“. Es geht um zwei Pferde in Paddockboxen: zu wenig Kontakt, zu wenig Auslauf.
Die Stadt weist dies zurück. Die beiden Pferde hätten täglich Auslauf auf den Paddocks oder Weidegang.
Meistens ging es bei den Tierhalte- und Betreuungsverboten um verwahrloste und unhygienische Wohnverhältnisse. „Oft waren überall in den entsprechenden Wohnungen Kot, Urin und Unrat verteilt“, so die Stadtsprecherin.
Einer der krassesten Fälle wurde 2019 in der nördlichen Innenstadt entdeckt: Eine Hauseigentümerin (48) hielt 39 Katzen in katastrophalen Zuständen. Dafür kam sie sogar vor Gericht. Urteil: 3190 Euro Geldstrafe (55 Tagessätze).