Bochum. Mehr als 600 Flüchtlinge monatlich kamen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle nach Bochum. Stadt und Menschen haben sich enorm engagiert.
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle nahmen die Zahlen in Bochum schwindelerregende Höhen an. Kosten von 100 Millionen Euro wurden allein für das Jahr 2016 kalkuliert. Bis Jahresende sollte Platz für insgesamt 6000 Flüchtlinge in Heimen, Containern und Wohnungen geschaffen werden.
Es kam anders. Die Grenzen in Europa wurden geschlossen, der Zuzug aus Afrika, aus dem Nahen Osten, aus Südeuropa ebbte ab. Und die gerade erst aufgebaute und zum Teil noch im Planungsstadium steckende Infrastruktur wurde wieder abgebaut. Oder verändert. So wurde für 205 überzählige Container, die für drei bereits beschlossene neue Flüchtlingsunterkünfte angeschafft wurden, im März 2017 kurzerhand eine andere Verwendung gesucht. 1,2 Millionen Euro sollte der Umbau von 138 Containern für Kita- und Klassenräume kosten. Es war die Zeit, als die letzte von insgesamt 18 vorübergehend für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzte und zum Teil sanierte Turnhalle wieder für den Schul- und Sportbetrieb geöffnet wurde.
Sammelunterkünfte zu 60 Prozent belegt
Mehr als 600 Flüchtlinge pro Monat kamen im Winter 2015/2016 in die Stadt. Insgesamt 5817 Menschen hatte die Stadt im März 2016 in Heimen, Containern, Leichtbauhallen, Turnhallen und provisorischen Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes NRW untergebracht. Mehr sollten es seit dem nicht mehr werden. Zum Vergleich: Ende Mai waren noch 1906 Frauen, Männer und Kinder aus fast 70 Ländern der Erde, darunter vor allem aus Syrien (415), Irak (176) und Serbien (127), in städtischer Obhut. Zuvor hatte das Land der Stadt im März den vorläufig letzten Flüchtling zugewiesen. Coronabedingt sind die Sammelunterkünfte momentan zu 60 Prozent belegt, so Sozialdezernentin Britta Anger.
Etwa 400 offene Plätze hält die Stadt derzeit noch vor. Als letzte der angemieteten Containeranlagen ist die Unterkunft an der Emil-Weitz-Straße (Wattenscheid) mit insgesamt 268 Plätzen noch in Betrieb. Zwei Einrichtungen wurden nie in Betrieb genommen. Sie werden als Kommunales Integrationszentrum (Bessemer Straße) und als Amt für Finanzsteuerung (Rensingstraße) genutzt.
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Mehr als 1000 geduldete Personen
Allerdings ist die Zahl der in Bochum lebenden Flüchtlinge weitaus höher. Im Februar 2020 hatten nach Auskunft der Stadt insgesamt 7949 ausländische Staatsangehörige einen Status als Asylberechtigter, als Flüchtling und/oder als Schutzberechtigter. Weitere 589 haben einen Asylantrag gestellt. Anerkannt als Flüchtlinge wurden seit 2015 insgesamt etwa 5000 Personen (Stand Mai 2020), abgeschoben wurden 492. Als Geduldete gelten 1069 Menschen (Juni 2020).
Vor allem ihren Aufenthalt muss die Stadt schultern. Bund und Land übernehmen nach einem abgelehnten Asylantrag nur noch für drei Monate die Kosten der Unterbringung. 16,5 Millionen Euro stemmt Bochum jährlich für die geduldeten Ausländer. Insgesamt sind zwischen 2015 und 2019 etwa knapp 100 Millionen aus dem städtischen Haushalt in die Unterbringung, Verpflegung, Betreuung und den Schutz von Flüchtlingen geflossen.
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20 Millionen Euro allein für Sicherheitsdienste
Vor allem der Bau, der Kauf und die Anmietung von Unterbringungsmöglichkeiten hat Zeit und Geld gekostet. Allein für den Bau der Flüchtlingseinrichtung „Am Nordbad“ in Harpen wurden 10,8 Millionen Euro aufgewendet. Für Unterhaltung, Instandhaltung und Bewirtschaftung diverser Gebäude hat die Stadt von 2015 bis 2019 insgesamt mehr als 92 Millionen Euro ausgegeben – aus eigenen Mitteln und aus Töpfen von Bund und Land. Knapp 20 Millionen Euro wurden für Sicherheitsdienste aufgewendet, allein jeweils sieben Millionen Euro in den Jahren 2015 und 2016.
Stemmen können hätte Bochum die Flüchtlingsaufgabe allerdings nie ohne das außerordentliche Engagement vieler ehrenamtlicher Helfer. Bis zur Gründung der Bochumer Ehrenamtsagentur (BEA) hatte die Stadt in einer Datenbank etwa 1300 ehrenamtliche Helfer registriert (April 2018).
73.000 Erstanträge in der LEA bis 2019
Bochum spielt bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen aber auch darüber hinaus eine besondere Rolle in NRW. Seit Mitte 2016 gibt es eine Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der Stadt. Etwa 200 Mitarbeiter umfasst die Dienststelle im früheren Krupp-Hochhaus an der Kohlenstraße. Im November 2017 hat außerdem das Land NRW in der früheren Polizeikaserne am Gersteinring eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) installiert. Dort haben bis Ende 2019 insgesamt mehr als 73.000 Personen einen Erstantrag auf Aufnahme in Deutschland gestellt.
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Das Land hat die LEA zunächst als Provisorium in Leichtbauzelten auf dem Gelände der Kaserne eingerichtet und sieben Monate später den umgebauten Altbau bezogen. 13,4 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet. Die monatlichen Betriebskosten belaufen sich nach Auskunft der Bezirksregierung auf 780.000 Euro. Bochums Vorteil bei der Standortvergabe: Die Stadt muss 1000 Flüchtlinge weniger aufnehmen, als das Landeskontingent es eigentlich vorsieht.
Ende 2017 hat das Qualifizierungszentrum Quaz-Ruhr in der früheren Opel-Ausbildungswerkstatt in Langendreer seinen Betrieb aufgenommen. Binnen drei Jahren wurden dort mehr als 1500 Flüchtlinge aus Bochum, Herne, Hattingen und Witten fit für die Berufswelt gemacht. Mittlerweile hat das Land eine Fortsetzung der Förderung bis 2022 bewilligt – nicht zuletzt wegen der guten Vermittlungsquote auf dem Arbeitsmarkt.
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