Bochum. . Seit April gibt es die Bamf-Außenstelle in Bochum. 210 Mitarbeiter und 100 Dolmetscher führen dort täglich 200 Anhörungsgespräche.

  • Mit langen Wartezeiten für die Flüchtlinge ist das Bamf Bochum in die Kritik geraten
  • 200 Anhörungen gibt es mittlerweile täglich in der Außenstelle
  • Die WAZ durfte bei einem der Gespräche dabei sein

Sieben Monate nach seiner Eröffnung läuft die Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im ehemaligen Thyssen-Hochhaus an der Alleestraße unter Volllast. Mit 200 Flüchtlingen werden täglich Anhörungsgespräche im Rahmen des Asylverfahrens geführt.

20 000 Fälle, die meisten von ihnen aufzuarbeitende „Altfälle“ von Menschen, die zum größten seit mehreren Monaten auf das oft entscheidende Gespräch beim Bamf warten, haben die Außenstelle Dortmund und deren Außenstelle Bochum gemeinsam in diesem Jahr bereits bearbeitet. Etwa 17 000 Anhörungsgespräche und Entscheidungen stehen noch aus, schätzt der Bochumer Dienststellenleiter Frank Schimmelpfennig. Sofern es keine Neuaufnahmen im nennenswerten Umfang gibt. Danach werde die erst im April eingerichtete Behörde aber nicht wieder das Feld räumen. „Wir sind auch für die Zulassung der Integrationskurse zuständig“, erklärt der 48-jährige.

Insgesamt 210 Beschäftigte

Seit September arbeitet seine Dienststelle in voller Stärke. 210 Frauen und Männer, zum Teil in der Behörde ausgebildetes Personal – wie Frank Schimmelpfennig, der an der Fachhochschule des Bundes in Brühl einen Master-Abschluss in Public Administration erlangt hat; zum Teil aber auch kurzfristig verpflichtete Verwaltungsexperten aus anderen Bereichen und vor allem Juristen. 50 Entscheider und 80 Anhörer sprechen täglich mit den Antragstellern. Dazu kommen 70 Mitarbeiter für Sekretariatsarbeiten und den Erkennungsdienst sowie neun Mitarbeiter für die innere Verwaltung.

Frank Schimmelpfennig (48) leitet die Dienststellen mit ihren 210 Mitarbeitern.
Frank Schimmelpfennig (48) leitet die Dienststellen mit ihren 210 Mitarbeitern. © Ingo Otto

Es sei nicht einfach gewesen, so der Dienststellenleiter, genügend qualifiziertes Personal zu finden und zu integrieren. Das gelte auch für die Sprachvermittler. Dolmetscher für Arabisch und Kurdisch seien besonders schwer zu bekommen („Da war der Markt schnell leer gefegt“). Das Bamf Bochum arbeitet mit annähernd 100 Dolmetscher für fast 30 Sprachen. Und mittlerweile laufe der Betrieb gut.

Kritik an der Behörde

Zwischen 40 und 50 Prozent der täglich 200 Anhörungen werden vor Ort entschieden. „Das sind A- oder B-Fälle“, erklärt Kira Gehrmann, Pressesprecherin des Bamf. A-Fälle betreffen Personen aus Ländern mit einer Bleiberechtperspektive wie Syrien, Iran, Irak, Somalia und Eritrea. B-Fälle betreffen Personen aus anderen Ländern. Sogenannte C-Fälle sind besonders komplex. D-Fälle sind solche, bei denen geprüft wird, welcher europäische Staat für einen Asylantrag zuständig ist.

Die Kritik an seiner Dienststelle, sie bestelle viele Flüchtlinge zu früh und lasse sie stundenlang auf ihre Anhörung warten (die WAZ berichtete), kann Frank Schimmelpfennig zum Teil verstehen. Das sei misslich.

Aber da jeder Antragsteller das Recht habe, seine Geschichte zu erzählen und ihm dafür Zeit eingeräumt werde, sei es schwierig, die Termine genau zu takten. Die WAZ hatte die Gelegenheit, sich ein Bild von der Arbeit in der Außenstelle zu machen und war unter anderem auch bei einer Anhörung dabei.

Auf die Anhörung kommt es an 

Bassam R. (Name von der Redaktion geändert) hat keine Bedenken. Ja, wir können bei seiner Anhörung ruhig dabei sein. Der 27-Jährige nimmt Platz an der Seite einer Dolmetscherin und sitzt Bamf-Anhörer Dominik Christiani (31) direkt gegenüber. Blickt er an ihm vorbei, hat er einen herrlichen Blick über das Jahrhunderthaus hinweg in Richtung Innenstadt.

Minuten vorher hat er noch unten im Warteraum des in die Jahre gekommenen, grauen Thyssen-Verwaltungsturms an der Alleestraße gesessen, der 1964 für den Bochumer Verein errichtet wurde, später dann Krupp als Verwaltungssitz diente und bis 2006 Arbeitsplatz für Hunderte von Thyssen-Krupp-Angestellten war. Dutzende von Augenpaaren hatten abrupt durch den schmucklosen Raum herübergeblickt, als die WAZ-Redakteure mit dem Dienststellenleiter einen Blick herein werfen. „Was die wohl wollen?“, mögen sich viele gedacht haben.

Ein karger Raum, ein freundlicher Anhörer. Dominik Christiani führt in der Bamf-Außenstelle ein Anhörungsgespräch mit einem Flüchtling.
Ein karger Raum, ein freundlicher Anhörer. Dominik Christiani führt in der Bamf-Außenstelle ein Anhörungsgespräch mit einem Flüchtling. © Ingo Otto

Tagtäglich wird frühmorgens für 7.30 Uhr die erste Gruppe der Antragsteller bei der Bamf-Außenstelle bestellt, für 10 Uhr die zweite. Glück hat, wer von den Anhörern zuerst aus dem Warteraum nach oben gebeten wird. Für alle anderen fängt wieder das an, was viele der Frauen, Männer und Kinder schon seit Tagen, Wochen und Monaten tun. Sie warten. Für sie ist die Anhörung der Tag der Entscheidung. Viel hänge von dem Gespräch ab, so Frank Schimmelpfennig, der Leiter der Außenstelle. Jeder habe hier die Chance, seine Geschichte zu erzählen.

Formalien zu Gesprächsbeginn

„Lassen Sie nichts weg und fügen Sie nichts hinzu“, erklärt Dominik Christiani oben in seinem schmucklosen Büro im sechsten Stock seinem Gegenüber. Bassam R., geboren 1989 in Beirut, schaut herüber und nickt. Er versteht und spricht gut Deutsch, nutzt aber wie die meisten Antragsteller die Chance, einen Dolmetscher an seiner Seite zu haben.

Draußen auf dem Flur sind hin und wieder Schritte zu hören. Aber die meiste Zeit ist es still und leer in den Gängen der zwölf Etagen, von denen das Bamf zehn gemietet hat – einen Teil bis 2017, einen anderen sogar bis 2019. „Anhörung. Bitte nicht stören!“, steht auf roten Pappschildern, die an vielen Türen kleben. Stundenlang bleiben bisweilen die Türen zu.

Zehn der zwölf Etagen der früheren Thyssen-Verwaltung an der Alleestraße hat das Bamf gemietet.
Zehn der zwölf Etagen der früheren Thyssen-Verwaltung an der Alleestraße hat das Bamf gemietet. © Ingo Otto

Weniger verschwiegen geht es unten im großzügigen Eingangsbereich zu. Wer die Empfangshalle an der Alleestraße 166 betritt, wird von zwei Bamf-Mitarbeiterinnen hinter einem repräsentativen Tresen und bis zu vier dunkel gekleideten Sicherheitskräften empfangen. Passieren darf nur, wer seine Einladung vorlegen und seine Identität nachweisen kann. Jeder Gast muss sich in eine Liste antragen.

Sicherheitskräfte am Eingang

Etwas bedrohlich wirkt das schon. Und so ganz genau will Dienststellenleiter Frank Schimmelpfennig auch nicht heraus mit der Sprache, warum so viel Security sein muss. Es geht sowohl um den Schutz der Mitarbeiter als auch der Antragsteller. Wer weiß, wer sonst hier hinein kommen könnte.

Oben in der sechsten Etage beginnt die Anhörung. Wie heißen Sie? Wo wurden Sie geboren? Wie lautete Ihre letzte Anschrift? Mit diesen Einstiegsfragen klären Anhörer wie Dominik Christiani zunächst einige Formalien. Sie helfen auch, erklärt Frank Schimmelpfennig, den Antragstellern die Nervosität zu nehmen.

Entscheidung fällt später

Und dann geht es ans Eingemachte. Wie sind Sie nach Deutschland gekommen? „Über die Türkei, Griechenland, Mazedonien.“ Kennen Sie Namen und Telefonnummern der Schleuser? „Nein.“ Wie viel Geld hatten Sie auf Ihrer Reise dabei? „Ich hatte 3000 Euro, die ich von meiner Familie bekommen habe.“

Bassam R. antwortet schnell und präzise, Dominik Christiani hört aufmerksam zu, protokolliert die von der Dolmetscherin übersetzten Antworten und tippt sie in den PC ein. Ein Entscheider wird später das Protokoll lesen und das tun, was seine Funktionsbezeichnung schon verrät. Er entscheidet.

Mit einer Ausnahme nie Probleme

Wie immer sein Votum ausfällt, das Bamf ist danach nicht mehr zuständig. Es sind die Ausländerämter der Städte, in denen die Antragsteller entweder integriert, geduldet oder aus denen sie abgeschoben werden.

Dominik Christiani ist studierter Politikwissenschaftler und einer der vielen Quereinsteiger beim Bamf, die in der Projektgruppe „Erweitertes Instrumentarium“ (EI) helfen, die vielen Altfälle aufzuarbeiten. Im internen Jargon werden sie „EIer“ genannt. Etwa zweieinhalb Stunden wird er sich am Ende mit dem Antragsteller unterhalten haben. Der Ausgang ist noch offen. Als Libanese hat Bassam R. eher weniger gute Chancen auf ein Bleiberecht. „Das wusste er auch“, so Christiani. Das Gespräch sei angenehm verlaufen. Seine Erfahrungen als Anhörer sind fast durchweg positiv. Es habe bislang mit einer Ausnahme nie Probleme bei den Anhörungen gegeben.