Bochum. Der VfL Bochum passt sein Profil bei Zugängen an - und tut gut daran, seine Linie nicht komplett zu verlassen. Eine kommentierende Einordnung.
Den Schwung ins neue Jahr mitnehmen wollte der VfL Bochum nach dem 2:0 gegen Heidenheim, die Aussicht auf zwei weitere Punkte nach dem Urteil des DFB-Sportgerichts nährte weitere Hoffnung, den Klassenerhalt doch noch zu schaffen. Doch die Leistung in Mainz war ein herber Rückschlag.
Fußball aber ist ein Spiel der Momente. Zwischen Euphorie und großer Tristesse liegt mittlerweile oft nur noch eine Partie. Nicht nur in Bochum.
Fakt ist: Gewinnt der VfL am Mittwoch gegen den FC St. Pauli, bleibt er im Rennen. Mutmaßung ist: Verliert der VfL sein Heimspiel gegen den Abstiegskonkurrenten, wäre die Rettung ein Wunder im XXL-Format.
Hecking kann nicht alle Probleme lösen
Trainer Dieter Hecking hat den Klub, das Team, viele Fans mit seiner Ausstrahlung mitgenommen, wiederbelebt, als alles am Boden lag. Alle sportlichen Probleme aber, die sich durch diese verkorkste Saison ziehen von Anfang an, kann er nicht alleine mal eben so einfach lösen. Nicht in Tagen, nicht in Wochen, auch nicht in Monaten. Es geht nur über Kampf und Geschlossenheit.
Hecking hat die Mannschaft defensiv stabilisiert, ihr neuen Halt und Struktur gegeben, klare Hierarchien geschaffen oder wiederhergestellt. Die Harmlosigkeit bleibt. Und die Wankelmütigkeit auch.
In Mainz versagte im Spiel mit Ball auf ganzer Linie ja die gleiche Elf, die gegen die vor Weihnachten allerdings auch völlig ausgepumpten Heidenheimer noch für Festtags-Stimmung sorgte. So viele leichte Fehlpässe kann sich ein Bundesligist nicht erlauben. Mainz reichte viel Intensität und eine Durchschnitts-Leistung zum hochverdienten Sieg, zumal sich der VfL auch zu früh aufgab. Punkte, an denen Hecking anknüpfen kann und wird.
Rufe nach Verstärkungen beim VfL werden noch lauter
Nach vorne lief fast gar nichts beim VfL, ein einziger Torschuss ist der Liga nicht würdig. Neu ist das Problem nicht, die Offensive sollte und soll verstärkt werden. Geld sei vorhanden im Rahmen der VfL-Mittel, hat Geschäftsführer Ilja Kaenzig stets betont. Die Rufe nach Verstärkungen werden unter dem Mainz-Eindruck natürlich noch lauter.
Dieter Hecking aber hat die Anforderungen an Zugänge enorm hoch angesetzt. Bundesliga-Erfahrung, Soforthilfe, Abstiegskampf-Mentalität, hohe Akzeptanz im Team, all das sollte der Neue oder besser: sollten die Neuen mitbringen.
Anforderungen an Neuzugänge: Ausland im Visier
Mittlerweile ist klar: Alle Punkte kann ein Zugang nicht erfüllen, das Thema Bundesliga-Erfahrung etwa spielt bei den Bemühungen des VfL keine große Rolle mehr. Der ausländische Markt ist in den Fokus gerückt. Kein Bundesliga-Spieler der Kategorie Florian Neuhaus will zum Schlusslicht wechseln, noch dazu - auch bei einer Leihe - zu bezahlbaren Konditionen.
Georgios Masouras ist ein Kandidat, ein international erfahrener Stürmer, eben ohne Bundesliga-Erfahrung. Aber auch hier gilt: Will der 30-Jährige das griechische Piräus, wo er trotz Reservisten-Rolle als Kapitän geschätzt wird und viel Geld verdient, wirklich tauschen gegen eine Runde knallhartem Abstiegskampf? Zweifel sind angebracht.
Zeit drängt: Panikkäufe aber würden nur Geld vernichten
Die Zeit drängt, das wissen auch Ilja Kaenzig und Dieter Hecking. Topkandidaten aber spielen eben auch oft auf Zeit, ihre Berater warten auf ein noch besseres Angebot. Der VfL tut gut daran, seine Linie nicht zu verlassen und keinen Spieler zu holen, der nicht sofort weiterhelfen kann - mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit, denn eine Garantie gibt es ja nie.
Ob ein Stratege mit Torgefahr, der das Spiel nach vorne lenkt und entscheidende Pässe spielt, oder ein Außenstürmer oder ein Mittelstürmer: Sie müssen unumstritten besser sein als Myron Boadu, als Dani de Wit, als Lukas Daschner, als Koji Miyoshi, natürlich auch als Moritz Broschinski und Philipp Hofmann, die in Mainz erneut keine Torgefahr ausstrahlten. Sonst würde der VfL seinen Kader lediglich sinnlos aufblähen und weiteres Geld verbrennen wie beispielsweise bei Aliou Balde schon, Stand jetzt auch bei Dani de Wit, der einfach seine bestmögliche Leistung nicht abrufen kann für Bochum. Geld, das im schlimmsten, aktuell aber recht wahrscheinlichen Abstiegsfall in der 2. Liga enorm helfen könnte.
2. Liga: VfL Bochum stürzt nicht ins Bodenlose
Ins Bodenlose stürzt der VfL im Abstiegsfall nach vier Jahren Bundesliga zwar nicht ab, müssten sich aber ein Stück weit neu erfinden beim Team, beim Trainer, auch ein Sportchef fehlt ja noch.
Ilja Kaenzig und sein Team, auch das Präsidium haben in den letzten Jahren gut gewirtschaftet, der Klub ist in allen Bereichen enorm gewachsen. Doch wie schwer es ist, sich in der 2. Liga zu behaupten, geschweige denn wieder aufzusteigen, weiß Bochum selbst aus elfjähriger, zumeist leidvoller Erfahrung bis zum Aufstiegsjahr. Das wissen finanzstarke Klubs mit großen Stadien wie der Hamburger SV oder Hertha BSC.
VfL Bochum hat den Kampf längst nicht aufgegeben
Verschläft der VfL die Wintertransferphase also? Hat er damit gar den Abstieg schon billigend in Kauf genommen? Nein. Aber er vermeidet Panikkäufe wie einst beim Last-Minute-Sommerzugang Lys Mousset. Die Kandidatenlisten sind mal länger, mal werden sie kürzer, das hört man an vielen Ecken. Sie ändern sich täglich. Vieles zerschlägt sich, das ist Alltagsgeschäft.
Derzeit dient die volle Arbeitskraft und Konzentration dem laufenden Transferfenster. Noch hat sich der VfL Bochum nicht aufgegeben, zumal das DFB-Sportgericht dem VfL Recht gegeben und den Sieg bei Union Berlin zugesprochen hat.
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Dass die zwei Punkte aufs Konto wandern, ist wegen der Berufung von Union Berlin aber noch nicht sicher. Dass gefühlt halb Fußball-Deutschland Bochum mehr oder minder als unsportlich darstellt, die Täter-Opfer-Rollen umkehrt, macht die Lage für den VfL aktuell nicht einfacher - auch nicht bei Transfers.
Neuzugänge retten nicht alles: Team muss im Fokus sein
Ein Neuzugang, besser zwei also sollen noch kommen. Alles retten werden sie nicht. Gefordert ist vor allem die Mannschaft, die da ist. Ein Team, das für VfL-Verhältnisse nicht gerade billig ist, das gefordert ist, immer alles aus sich herauszuholen, mit Dieter Hecking wirklich zu einer verschworenen Einheit zu werden. Auf die Fans, das haben sie in Mainz erneut bewiesen, können sich die Bochumer weiterhin verlassen. Was nicht selbstverständlich ist nach dieser Serie.
Ein Myron Boadu wird von Hecking nicht öffentlich angezählt, dass er mehr tun müsse, weil der Trainer gerne Schlagzeilen produziert. Das Gegenteil ist bei Hecking ja der Fall. Boadu, beispielhaft, muss endlich professioneller mit der Situation umgehen. Zu viel verlangt ist das nicht. Und dann wäre er fast so gut wie ein Neuzugang, ein echter Hoffnungsträger.
VfL Bochum: Gegen St. Pauli muss ein Sieg her
Kurzum: Der FC St. Pauli, der Abstiegskonkurrent, kommt am Mittwoch ins Ruhrstadion, danach ist die Hinrunde beendet. St. Pauli hat nicht die individuelle Qualität wie Mainz. Bochum hat sich erst sechs Punkte erspielt. Der FC St. Pauli hat bereits 14 Zähler.
Der Druck liegt klar beim VfL - dass er damit umgehen kann, hat er schon bewiesen. Das gilt es am Mittwoch erneut zu zeigen. Dann kehrt die Hoffnung auf den Klassenerhalt so schnell zurück wie sie in Mainz verloren ging. Auch - noch - ohne Neuzugang.
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