Witten. Holger Stemmann lebte den Profi-Traum und trainierte bei Rot-Weiss Essen, dem DFB und Werder Bremen. Mit TuRa Rüdinghausen hat er viel vor.

Holger Stemmann wird in der kommenden Saison den Trainerposten beim ambitionierten A-Ligisten TuRa Rüdinghausen übernehmen. Der 49-jährige ist gebürtiger Niedersachse, studierter Sportwissenschaftler und berät für die Bundesagentur für Arbeit Jugendliche an Schulen. Er spielte einst für Eintracht Braunschweig und trainierte unter anderem Rot-Weiss Essens U23.

Holger Stemmann, wissen Sie, dass Sie beim beliebtesten Kreisligaklub Westfalens anheuern?

Ist das so, ehrlich?

Zumindest hat dies eine Abstimmung des „Fußballportals Deutschland“ im Januar so ergeben. Hatten Sie damals schon einen Blick auf TuRa Rüdinghausen?

So habe ich den Verein noch gar nicht wahrgenommen. Als sympathisch natürlich. Aber dass er der beliebteste ist, ist neu für mich. Der Kontakt ist über Dmitrij Barsukovskij und David Jürgens zustande gekommen. Die haben beim TuS Esborn schon einmal unter mir gelitten (lacht). Dimi hat mich Mitte November über WhatsApp gefragt, wie es aussieht, weil TuRa zur neuen Saison einen neuen Trainer sucht. Und dann ging es relativ schnell. Ich habe erst mit Dennis Pleuger gesprochen (Sportlicher Leiter, Anm. d. Red.), danach mit den Vorstandsmitgliedern Uli Engelmann und Christian Stiefken. Normalerweise hätte man sich danach bei einem Heimspiel getroffen, das ging aber ja nicht.

Der Verein ist für seine Kreativität bekannt. Ihm wurde ein eigenes Kapitel im Amateurfußballbuch „Wir müssen doch alle Montag wieder arbeiten – Heldengeschichten aus Deutschlands untersten Fußball-Ligen“ gewidmet, er bot im Mai vergangenen Jahres Geisterware mit einigen Gags während der Coronazeit an und schickte zu Ostern seiner ersten Mannschaft ein Überlebenspaket samt TuRa-Bier. Wie viel Kreativität steckt denn in Ihnen?

Das würde ich schon Dennis Pleuger überlassen (lacht). Meine Kernaufgabe sehe ich auf dem Platz. Da würde ich mich aber durchaus als kreativ bezeichnen, was das Training und das Spiel angeht. Da liebe ich auch kreativen Fußball.

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Können den auch die Anhänger von TuRa bald von Ihrer Mannschaft erwarten? Auf was für eine Art Fußball stehen Sie?

Die Frage finde ich schwer. Klar, am liebsten hätte ich 90 Prozent Ballbesitz und würde Tiki-Taka-Fußball sehen. Aber ich würde die Frage anders angehen. Ich bin anpassungsfähig. Ich muss schauen, was die Mannschaft kann und was nicht. Und dann muss man den Fußball daran anpassen. Alles andere wäre für mich Quatsch. Ich würde am liebsten sofort loslegen und dann können mich alle kennenlernen. Das Reden über Fußball ist immer schwer sonst. Besonders jetzt, ich habe die Mannschaft ja noch nicht einmal spielen sehen.

Zuletzt tat sie das erfolgreich, stand in der Kreisliga A auf dem zweiten Tabellenplatz ein Punkt hinter RW Stiepel bei einem Spiel weniger. Nach der Saisonannullierung des FLVWs und dem zu erwartenden Nachzug der Kreise greifen Sie nun aber wohl trotzdem in der Kreisliga A ins Geschehen ein. Sind sie darüber enttäuscht?

Nein, unsere Gespräche waren davon völlig unabhängig. Ich habe einfach Bock, Trainer bei einem guten Verein und einer ambitionierten Mannschaft zu sein. Und das meine ich aus der Tabelle lesen zu können und aus den Erzählungen und Berichten. Es geht nun darum, die gute Arbeit, die hier gemacht wurde, fortzusetzen.

Hauptverantwortlich war dafür zuletzt Fabian Kordel. Nun könnte der alte Coach Spieler des neuen Trainers werden. Kann das gut gehen?

Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Ich würde es toll finden, wenn er bleibt. Er ist in seinem Studium stärker eingebunden, nur dadurch ist der Posten freigeworden. Ich würde mich freuen, von Fabian zu hören, wie es ist, diese Mannschaft zu führen. Er hat hier tolle Arbeit geleistet, davor habe ich Respekt und daran wollen wir anknüpfen. Dazu gehört ein gutes Vertrauensverhältnis, die Chemie muss stimmen. Ich bin ein umgänglicher Typ. Das sind die ersten Ziele, die ich habe. Aber klar, ich werde sicherlich das eine oder andere anders machen als er. Dafür bin durch meine Erfahrung als Spieler und Trainer auch selbstbewusst genug.

Erfahrung sammelten Sie auch in höheren Ligen. Ihr Talent hätte als Spieler durchaus in den Profifußball führen können. Sie spielten für Eintracht Braunschweig.

Ja, ich wollte Fußballprofi werden, auf jeden Fall. Ich war auch ganz talentiert, aber das waren viele. Am Ende muss man ehrlich sagen, dass ich es nicht gepackt habe. Ich war in der Jugend immer gut unterwegs und habe zum Beispiel in der Niedersachsen-Auswahl gespielt. Die A-Jugend-Jahre waren aber schon nicht mehr top. Ich habe dann noch ein Jahr in der U23 für Eintracht Braunschweig gespielt, zu mehr hat es aber nicht gereicht. Ich habe dann viel Landesliga, Verbandsliga oder Bezirksliga gespielt, je nachdem, wo ich gelebt habe.

Später waren Sie als Trainer auch für die U19 von Preußen Münster, die U23 von Rot-Weiss Essen, die Juniorinnen und die Zweitliga-Fußballerinnen von Werder Bremen aktiv und arbeiteten als Nachwuchs-Koordinator am DFB-Stützpunkt in Bremen. Für die kommende Saison hat TuRa Rüdinghausen mit Jannik Lubowitzki und Finn Schubert nun zwei junge Spieler verpflichtet. Ist die Arbeit mit Talenten ihr Steckenpferd?

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Schon ein bisschen, ich bilde gerne aus, mache Spieler besser. Mal gelingt es mir, mal nicht. Ich glaube schon, dass junge Spieler bei mir immer eine Chance haben. Ich finde, das muss sich auch jeder Verein auf die Fahne schreiben. Wenn ich immer nur daran festhalte, was ich habe, werde ich links und rechts überholt. Ich muss auf junge Leute bauen und arbeite gerne mit ihnen, wenn sie Lust haben, sich zu verbessern.

Läuft TuRa also bald nur noch mit 20-Jährigen auf?

Nein, der Übergang aus dem Jugend- in den Seniorenbereich ist immer ein schwerer Schritt. Da ist es ganz egal, über welche Liga wir sprechen. Wenn ich es richtig verstanden habe, laufen in Rüdinghausen auch ein paar alte Hasen herum und es ist eine gute Mischung. Am Ende möchte ich am nächsten Wochenende das Spiel gewinnen. Da werde ich nicht nach Alter aufstellen.

Rot-Weiss Essens U23 trainierten Sie in der Landesliga, später waren Sie unter anderem für den FSV Gevelsberg und den SC Hennen in der Bezirksliga aktiv. Ist die Kreisliga A da kein Rückschritt?

Das sehe ich nicht so. Zum einen hat Dennis Pleuger bei mir echt Begeisterung entfacht. Und zum anderen hatte ich mich auch mit dem Gedanken angefreundet, eine Fußballpause einzulegen. Bei Rot-Weiss Essen trainierten wir zum Beispiel fast jeden Tag. Aber ich werde auch älter. Diese große Belastung, nach der täglichen Arbeit immer auf dem Trainingsplatz zu gehen, geht an die Grenzen. Da fahre ich die Belastung etwas runter und trainiere nur zweimal die Woche. Das heißt aber nicht, dass ich weniger ambitioniert bin.

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