Gladbeck. Die Kapitänsregel gilt ab sofort auch im Amateurfußball. Wir haben bei Protagonisten nachgefragt. In Gladbeck gibt es durchaus Skeptiker.

Lamentieren, diskutieren und am besten noch eine Rudelbildung auslösen: Der Umgang mit Fußball-Schiedsrichtern, insbesondere auf Amateurplätzen, war und ist, um es einmal freundlich auszudrücken, nicht immer vom größtmöglichen Respekt geprägt. Dagegen soll ab jetzt die Kapitänsregel wirken. Was hält Fußball-Gladbeck von der Einführung dieser Regel?

  • Die Kapitänsregel gilt ab sofort - und auch im Amateurfußball
  • Alexander Goronczy (Adler Ellinghorst) betont: „Ich sehe das zwiespältig.“
  • Das sagen Anil-Can Elemen (BV Rentfort) und Schiri-Sprecher Uli Sabellek

Sehr kurzfristig haben die DFB Schiri GmbH, der DFB und die DFL in Gesprächen gemeinsam und einmütig entschieden, die Kapitänsregel im gesamten deutschen Spielbetrieb zu übernehmen. Sie besagt, dass sich nur der Mannschaftskapitän an den Schiedsrichter oder die Schiedsrichterin wenden darf, um eine wichtige Entscheidung erklärt zu bekommen. Die Kapitäne sind außerdem verantwortlich dafür, dass ihre Mitspieler die Unparteiischen respektieren, Abstand halten und sie nicht bedrängen. Ein Spieler, der die Rolle seines Kapitäns ignoriert, beim Referee reklamiert oder sich respektlos verhält, wird verwarnt.

„Ich sehe das zwiespältig“, meint Adler Ellinghorst-Trainer Alex Goronczy. „An sich finde ich es vollkommen in Ordnung, dass man sagt, es muss weniger diskutiert werden. Da bin ich voll bei.“ Aber, das schiebt er direkt hinterher: „Man hat schon bei der EM gesehen, dass viele Schiedsrichter es anders auslegen.“

Für Ellinghorsts Trainer Alex Goronczy ist Fingerspitzengefühl gefragt

Fingerspitzengefühl sei ab sofort gefragt, denn wenn ein Akteur sich nach einem Pfiff demnächst mal „eine Sekunde lang aufregt und sofort eine gelbe Karte sieht, ist das absoluter Schwachsinn“, so der Coach des A-Ligisten aus Ellinghorst.

Womit Alex Goronczy beim Kernproblem wäre, das er bei der Mecker-Regel sieht: „Bei EM- und Bundesliga-Schiedsrichtern ist das in Ordnung, die haben dieses Fingerspitzengefühl.“ Ob das aber immer für die Ordnungshüter in den Kreisklassen gelte, bezweifelt der Coach.

Alex Goronczy, Trainer des Gladbecker A-Ligisten Adler Ellinghorst, ist grundsätzlich dafür, dass weniger diskutiert wird mit den Schiedsrichtern. Die Kapitänsregel betrachtet er ungeachtet dessen skeptisch.
Alex Goronczy, Trainer des Gladbecker A-Ligisten Adler Ellinghorst, ist grundsätzlich dafür, dass weniger diskutiert wird mit den Schiedsrichtern. Die Kapitänsregel betrachtet er ungeachtet dessen skeptisch. © FUNKE Foto Servicews | Heinrich Jung

Goronczy: „Wenn du Schiedsrichter hast, die sagen, ich habe heute mal Lust, mit niemandem zu reden, wird es eine Kartenflut werden.“ Gerade erfahrenere Leute müssten weiterhin im normalen Ton mal eine Frage stellen dürfen. Prominentes Beispiel aus seinem eigenen Team: Der 40-jährige Sven Ingler, der „nur“ Co-Kapitän der Adler ist. „Er hat schon alles erlebt, dann darf er auch mal einfach mal fragen, warum der Schiedsrichter die Entscheidung so getroffen hat.“

Anil-Can Elemen vom BV Rentfort sieht eine persönliche Herausforderung

Es könnte also zu Anlaufschwierigkeiten kommen, von jetzt auf gleich das Quatschen mit dem Spielleiter einzustellen. So sieht es auch Anil-Can Elemen, Dauerbrenner des Bezirksligisten BV Rentfort, der bisher gerne mal in den Austausch mit Unparteiischen ging. Aber: In der vergangenen Meisterschaftsrunde kam er auf 26 Einsätze in der Bezirksliga und hat gerade einmal zwei Gelbe Karten kassiert.

Der BVR-Verteidiger glaubt: „Das ist am Anfang wirklich eine Umstellung für jeden, der nicht seit gestern Fußball spielt.“ Sich selbst explizit mit einbegriffen: „Es kann wirklich kompliziert werden, wenn du gerade voll mit Emotionen geladen bist und irgendwie Dampf ablassen musst. Das wird für mich persönlich eine Herausforderung.“

Eine, die Anil-Can Elemen aber annehmen möchte. Schließlich sieht er auch die positiven Aspekte der neuen Regel „Damit wird sehr viel Hektik aus dem Spiel genommen. Man merkt häufig, dass sich so viele Menschen mit ins Spielgeschehen einmischen, dass man das Gefühl bekommt, der Schiedsrichter lässt sich beeinflussen.“

Schiedsrichter-Sprecher Ulrich Sabellek verweist auf fehlende Erfahrung

Die Hoffnungen liegen darauf, dass sich der Fokus wieder mehr aufs Spiel legt. Elemen: „Es wird aber schwierig, es von jetzt auf gleich umzusetzen, einfach weil es diese Regel bislang nie gegeben hat.“

Ulrich Sabellek, der Sprecher der Schiedsrichter des Kreises 12 (Gelsenkirchen, Gladbeck und Kirchhellen), hatte sich schon während die Europameisterschaft lief, als Anhänger der „Kapitänsregel“ zu erkennen gegeben. „Ich halte das für eine gute Sache“, so der Kirchhellener Mitte Juni in einem Gespräch mit der WAZ. Daran hat sich nichts geändert: „Vom Grundsatz her ist es in Ordnung, dass jeweils nur ein Spieler jeder Mannschaft mit dem Spielleiter spricht.“

Wird der Amateurfußball nun erst einmal eine Kartenflut erleben? Werden jetzt vielleicht die diskussionsfreudigsten Spieler zu Kapitänen ernannt oder gewählt werden? Diese Fragen beantwortet Sabellek nicht, weil er sie nicht beantworten kann. Die Regel sei neu, sagt er. Und: „Wir haben mit ihr noch überhaupt keine Erfahrung.“

Die „Kapitänsregel“ gilt ab sofort, also auch schon in den Testspielen

Ausdrücklich weist Ulrich Sabellek im Gespräch mit der WAZ darauf hin, dass die Kapitänsregel ab sofort gilt, also auch schon in den derzeit stattfindenden Testspielen und daher natürlich auch bei der Gladbecker Feldstadtmeisterschaft Ende des Monats. Weil die Regel kurzfristig eingeführt wurde, sei es ratsam, so der Schiedsrichter-Sprecher des Kreises, dass Unparteiische vor dem Anpfiff darauf ausdrücklich noch einmal hinweisen.

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