Essen. “Putsche“ Helmig war 1995 beim Drama gegen Bayer Leverkusen der überragende Akteur. Dennoch reichte es nicht für Außenseiter RWE.

Diese Spielzeit ist eine ganz außergewöhnliche für Rot-Weiss Essen. In der Regionalliga sind die Rot-Weissen ungeschlagen und unterwegs in Richtung 3. Liga.

Im DFB-Pokal sind sie Favoritenschreck und haben bereits den Erstligisten Arminia Bielefeld und den Zweitligisten Fortuna Düsseldorf ausgeschaltet. Am kommenden Dienstag (18.30 Uhr) steigt nun an der Hafenstraße das Achtelfinale gegen den Champions-League-Aspiranten Bayer Leverkusen.

Rot-Weiss-Fans erleben rauschende Ballnacht

Gegen Leverkusen im Pokal? Da war doch was... Die RWE-Fans erinnern sich nur allzu gern an diesen 4. Oktober 1995 und bekommen glänzende Augen. Mein Gott, was war das nur für ein Knaller, eine rauschende Ballnacht, ein hitziger Pokalfight, wie man ihn sich wünscht.

Die Rot-Weissen, ebenfalls Regionalligist, was damals noch drittklassig war, empfingen exakt wie diesmal im Achtelfinale eben jene Leverkusener, die mit einem edlen Ensemble anreisten: Paulo Sérgio, Rudi Völler, Bernd Schuster - Weltklasse.

Youtube-Video mit den entscheidenden Momenten

Trotzdem kam es zu einem spektakulären Duell, einem Match, das man nicht vergisst. Das Georg-Melches-Stadion kochte vor Begeisterung, weil der Kleine über sich hinauswuchs und dem Großen die Stirn bot.

Ein Youtube-Video im Netz hat die entscheidenden Momente festgehalten. Dieses Drama mit all seinen Wendungen hätte gleich mehrere Oscars verdient gehabt: für die besten Darsteller, das beste Bühnenbild, die Regie und natürlich den besten Film.

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"Das ist so ein Video, das ich mir ein paar Mal im Jahr anschaue", gibt Dirk Helmig (55) zu, einer der Hauptdarsteller in seiner womöglich besten Rolle. Natürlich hat sich das Ereignis bei den RWE-Fans ins Gedächtnis eingebrannt. Nur Sekunden nach der aktuellen Auslosung hatte Helmig bereits den Link von diesem Video auf dem Handy zugeschickt bekommen.

Enttäuschung beim Außenseiter war riesig

"Natürlich war das etwas ganz Besonderes", sagt "Putsche" Helmig, der heute im Nachwuchsleistungszentrum an der Seumannstraße als Sportlicher Leiter für die U11 bis U17 verantwortlich ist. "Aber trotzdem sind wir ausgeschieden. Die Enttäuschung war sehr, sehr groß."

5:8 hieß es nach Elfmeterschießen und ausgerechnete Helmig, der zuvor zweimal getroffen hatte und von ZDF-Reporter Rolf Töpperwien als bester Spieler auf dem Platz geadelt wurde, war als erster Schütze gescheitert. Es goss aus Kübeln, sinnbildlich für die traurigen Gastgeber.

"Putsche" Helmig macht Spiel seines Lebens

"Der war einfach schwach geschossen", sagt Helmig heute. Er sei danach schnurstracks in die Kabine gegangen, weil er geahnt habe, dass es der Anfang vom Ende war. "Leverkusen war beim Elfmeterschießen einfach abgezockter als wir." Dirk Helmig habe damals das Spiel seines Lebens gemacht, schwärmten die Beobachter. "Ich denke, das ist wohl auch so. Aber man darf auch nie vergessen, dass das auch nur mit einer super Mannschaft möglich war."

Noch viele Szenen vor Augen von diesem Spektakel

Gut 25 Jahre ist das Spektakel nun her. "Ich habe aber trotzdem noch so viele Szene vor Augen, weil ja auch so viel passiert ist." Als die Mannschaft von Trainer Rudi Gores zum Anpfiff auflief, wurde sie von den 25.000 Fans mit Bengalos und Feuerwerk überrascht. Kurze Zeit später fiel für kurze Zeit das Flutlicht an zwei Masten aus.

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"Und dann hatten wir zu Beginn sogar die besseren Chancen und gleich gezeigt, dass hier was geht für uns." Die Fans flippten aus, die Hafenstraße in Höchstform.

Leverkusen erzielte das 1:0, aber RWE blieb dran. Helmig köpfte noch vor der Pause den Ausgleich. In Hälfte zwei wieder die Führung für den Favoriten, Christian Dondera, der bereits in der Anfangsphase eingewechselt worden war, egalisierte. Und das Stadion tobte.

Gastgeber erzwingen zum dritten Mal den Gleichstand

Als Rudi Völler zum 4:2 für den Bundesligisten traf, schallte es trotzig von den Rängen: „Rot-Weiss Essen, shala-lala-lala".

"Alle dachten, das Ding sei durch, aber wir haben alles versucht und es geschafft", schildert Helmig. Dondera, Helmig - 4:4 innerhalb von zwei Minuten. Zum dritten Mal Gleichstand - Wahnsinn. "Damit hatten wir natürlich auch unsere Fans belohnt."

„Putsche“ war an jenem Abend an allen Essener Toren beteiligt, war überall und verpasste sogar Superstar Schuster, mit dem er damals den Trainerlehrgang absolvierte, einen Beinschuss.

Bayer-Manager Reiner Calmund lädt RWE ein

Nach dem Schlusspfiff tauchte der einstige Bayer-Manager Reiner „Calli“ Calmund in der Essener Kabine auf und lud die Rot-Weissen als Anerkennung für diese großartige Leistung spontan nach Berlin ein, sollte seine Mannschaft das Pokalfinale erreichen. Leverkusen aber scheiterte, und Dirk Helmig war es nicht vergönnt, wenigstens als Zuschauer dabei zu sein.

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Dabei hatte er bereits im Jahr zuvor aus der Ferne mitansehen müssen, wie sich sein RWE und Werder Bremen im Berliner Olympiastadion im Finale gegenüberstanden. "In der Saison durfte ich noch mit dem VfL Bochum in der 1.Liga spielen", klärt der Stürmer auf. Auch nicht schlecht, aber schon schmerzhaft für einen Fußballer, der seit fast 50 Jahren ein Rot-Weisser ist.

So haben sie gespielt

Rot-Weiss Essen - Bayer Leverkusen 5:8 n.E. (4:4, 1:1).

RWE: Marc Petrick - Pickenäcker, Landgraf, Zedi, Helmig, Margref (115. Thiele), Ratkowski, Schreier, Schwartz, Wuckel (15. Dondera), Beyel (63. Grein).
Trainer: Rudi Gores.

Bayer: Heinen - Fach, Happe, Münch, Wörns, Lupescu, Rodrigo (119. Ramon), Schuster, Feldhoff (97. Neuendorf), Sérgio (108. Barnes), Völler.
Trainer: Erich Ribbeck.

Tore: 0:1 Feldhoff (36.), 1:1 Helmig (42.), 1:2 Sérgio (48.), 2:2 Donders (57.), 2:3 Fach (63.), 2:4 Völler (73.), 3:4 Dondera (74.), 4:4 Helmig (76.).

Elfmeterschießen - RWE: Schreier/ Helmig, Thiele verschießen. Bayer: Lupescu, Neuendorf, Ramon, Schuster.

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