Essen. Sie fressen Bäume kahl und können dem Menschen gefährlich werden. Die Eichenprozessionsspinner machen sich nun vermehrt in NRW breit. Mit Raupensaugern gehen Schädlingsbekämpfer gegen die “Spinner“ vor. Inzwischen werden die Tier zum Kostenfaktor für die Städte.
Thomas Berger trägt einen Ganzkörper-Schutzanzug mit Atemmaske. In seinen Händen: eine Art überdimensionierter Staubsauger. Man könnte meinen, er bekämpft Killerviren in einer Hollywood-Kulisse.
Tatsächlich steht der Schädlingsbekämpfer vor einer Eiche in Mülheim-Winkhausen. Sein Ziel ist eine Schmetterlingsraupe. Der Eichenprozessionsspinner. Zu sehen ist ein Gespinst, dichter als jedes Spinnennetz, eine ganze Traube von Raupen hat sich an den Baum gekettet. Gerade jetzt, im Mai und Juni, trägt der „Spinner“ eine für den Menschen gefährliche Fracht mit sich herum.
Seine Härchen enthalten ein Nesselgift, das Haut und Augen reizt, das Atmen erschwert und allergische Reaktionen hervorrufen kann. Ein dichter, weißer, giftiger Pelz. Brechen Haare ab oder häutet sich die Larve, weht dieses Gift in alle Winde.
„Im Wald zählen wir das zu den natürlichen Gefahren und brauchen meist nicht tätig zu werden“, sagt Dr. Mathias Niesar, Waldschutzmanager beim NRW-Landesbetrieb Wald und Holz. „Aber überall, wo Nester im öffentlichen Grün auftauchen, müssen wir ran.“ Gerade in der Nähe von Kindergärten und Schulen. Immer öfter auch im Ruhrgebiet.
Mit dem Raupensauger gegen den Eichenprozessionsspinner
„2010 mussten wir zum ersten Mal Nester entfernen, zwanzig Stück, die alle an derselben Straße hingen“, sagt Robin Knoll, „2011 waren es schon viermal so viele, in der ganzen Stadt.“ Der Mülheimer Förster begutachtet eines der ersten gefährlichen „Spinnernester“ des Jahres. Woanders sieht es schlimmer aus: In einer Stadt am Niederrhein hätten sie zu dieser Zeit schon bis zu 300 Nester gefunden, sagt Knoll. Neben ihm setzt Thomas Berger seinen Raupensauger an. Ein relativ einfacher Fall, da sind sich beide einig. Die Nester hängen nicht hoch. „Sonst kann es schon mal richtig spektakulär werden. Dann muss man mit dem Gerät schon mal bis in die Kronen klettern“, meint Knoll. Thomas Berger besprüht die Larven zunächst mit einem Leim, um die Gifthärchen zu verkleben. Danach saugt er das Nest ab. „Man kann die Nester auch abflämmen“, sagt Knoll, „aber dabei schädigt man die Bäume und pustet ein paar Härchen noch weiter weg.“
Auch Buchsbaumzünsler aktiv
Ein weiterer Schädling treibt derzeit sein Unwesen: der aus Ostasien eingeschleppte Buchsbaumzünsler. Er frisst Blätter und Rinde, im Extremfall bis der Baum abstirbt. Kennzeichen sind hellbeige gefärbte Blätter. Teilweise bleiben auch nur die Blattrippen oder der Stiel übrig.
Hobbygärtner sollten Bäume regelmäßig absuchen, Gespinste herausschneiden, die Raupen absammeln. Chemie hilft kaum in den ersten Raupenstadien.
Seit gut einem Jahrzehnt ist der ungeliebte Falter auf dem Vormarsch. „Es hat zuletzt viele warme Frühjahre und Sommer gegeben. Davon hat das wärmeliebende Tier profitiert“, erklärt Dr. Nadine Bräsicke. Sie ist Forstwissenschaftlerin beim Julius-Kühn-Institut, das dem Eichenprozessionsspinner Anfang März in Berlin eine ganze Tagung widmete. Im Süden und Nordosten Deutschlands bedroht er ganze Wälder. Frisst die Blätter, entkleidet die Bäume, tötet sie oder lässt sie verkümmern.
Der "Spinner" wird zum Kostenfaktor
In NRW ist es noch nicht ganz so schlimm. 2002 fand man den Eichenprozessionsspinner lediglich nahe der niederländischen Grenze. Doch mittlerweile hat er sich breit gemacht, in alle Richtungen, hat schon mehr als die Hälfte des Bundeslands bevölkert. Und er wird zum Kostenfaktor: 15.000 Euro musste Mülheim 2011 bezahlen, um ihn zu bekämpfen.
In diesem Sommer werden Robin Knoll und seine Berufsgenossen in anderen Städten wieder so manches Nest beseitigen müssen. „Die Temperaturen im Frühjahr waren wieder günstig für das Tier“, weiß Nadine Bräsicke. Mülheim wartet also auf weitere Funde, Essen ebenso, wo sich die ungeliebte Raupe zuletzt vermehrt niederließ. Und Bochum, bislang ohne Raupen-Problem, ist gewarnt. „Eigentlich sind wir an der Reihe“, sagt Förster Marcel Möller, „auch wenn wir gut darauf verzichten könnten.“