Duisburg/Essen. In Duisburg haben 500 Kinder eine Woche vor Start des Kitajahres keinen Betreuungsplatz. Doch in anderen Städten ist die Lage ebenso angespannt.

Eigentlich hatte Nadine Brunner vor, nun eine Qualifizierung zur Physiotherapeutin zu beginnen – doch der Plan der medizinischen Bademeisterin liegt auf Eis, da die Stadt Duisburg ihr partout keinen Kitaplatz für ihren Sohn Damian zuweist. Dabei hat die alleinerziehende Mutter ihn schon kurz nach seiner Geburt vor fast drei Jahren angemeldet beim städtischen Vergabe-Portal „Kita-Place“, hat bei Kitas vorgesprochen und zuletzt auch mehrfach beim Jugendamt. Es ist kein Einzelfall: Rund 500 Kinder warten auf Nachricht zu einem Betreuungsplatz – und das zum Start des Kitajahres.

Natürlich fehlen Kitaplätze in fast allen Städten des Ruhrgebiets. Doch die Situation in Duisburg ist speziell, denn einerseits hat die Stadt es bislang durchaus geschafft, ausreichend Plätze anzubieten. Doch nun hapert es schon bei der Vergabe und der Information darüber. Jugenddezernent Thomas Krützberg hat kürzlich zwar versprochen, allen Eltern noch einen Platz in Kita oder Tagespflege zu organisieren. Doch durch das Vergabe-Chaos fehlt Planungssicherheit – zum Beispiel für den Wiedereinstieg in den Beruf. Krützberg schreibt die massiven Probleme auch dem Online-Portal Kita-Place zu. Allerdings liegt das eigentliche Problem eher im Jugendamt, das wie viele andere Ämter in Duisburg unter Personalmangel leidet.

Die Software ist nicht an allem schuld

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Was die Software angeht, setzen die Städte auf unterschiedliche Lösungen. Gemein ist ihnen, dass den Eltern die Anmeldung erleichtert werden soll. Da die verschiedenen Kita-Träger ihre Plätze selbst vergeben, müssen die Eltern weiterhin in ihren Wunscheinrichtungen vorsprechen – und das Jugendamt muss die Meldungen der Träger über vergebene Plätze koordinieren.

Durch Software-Probleme ist vor allem das System „Little Bird“ vor drei Jahren aufgefallen, als es in Essen Anmeldungen verweigerte, falsche Bescheide verschickte und den Mailversand verweigerte. Doch das ist aus Duisburg nicht bekannt. Allerdings können Eltern bei Little Bird nur drei Wunsch-Einrichtungen angeben und bei Kita-Place gar acht, was den Koordinierungsaufwand noch verschärfen dürfte.

Die Gewerkschaft Verdi vermutet denn auch, dass der Fehlbedarf in Duisburg eher bei über 1000 Plätzen liegt als bei den 500, die Jugenddezernent Thomas Krützberg meldet. Doch tatsächlich sieht es in anderen Städten noch düsterer aus. In Marl zum Beispiel haben 382 Kinder keinen Platz bekommen, was auf die Größe der Stadt gesehen eine fast so schlechte Quote wie in Essen ist.

Die Betreuungsquoten sind schlecht

Betreuungsquoten in ausgewählten Städten.
Betreuungsquoten in ausgewählten Städten. © funkegrafik nrw | Miriam Fischer

Hier fehlen rund 2.600 Betreuungsplätze, allerdings ist das ein rein rechnerischer Wert, der sich ergibt, wenn man das Ziel einer Betreuungsquote von 40 Prozent im Bereich der Unter-Dreijährigen und 100 Prozent bei den Älteren zugrunde legt. Theoretisch kann eine niedrige Betreuungsquote auch bedeuten, dass mehr Familien ihre Kinder selbst betreuen wollen. Praktisch fehlen Kita-Plätze an allen Orten. In Witten haben Eltern Ende März vor dem Rathaus für mehr Plätze demonstriert. Die Stadt richtete darauf tatsächlich eine Notgruppe ein.

Die Betreuungsquote sei „in NRW unterirdisch“, sagt Katja Wegner-Hens vom Landeselternbeirat der Kindertageseinrichtungen. Für die Unter-Drei-Betreuung ist das Land mit 27,2 Prozent Schlusslicht in Deutschland und auch bei den Älteren bis 6 Jahre schneiden nur Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein schlechter ab als NRW mit seinen 92 Prozent. Deutlich unter diesem Durchschnitt liegen wiederum die Ruhrgebietsstädte mit Ausnahme Bottrops und Velberts, wobei die Quote in Oberhausen, Duisburg, Herne, Essen, Gelsenkirchen und Mülheim besonders schlecht ist.

So ist die Kita-Situation in den Städten in der Region:

Der Bedarf wurde völlig falsch vorhergesagt, was nur zum Teil am Zuzug von Flüchtlingen liege, erklärt Barbara Nolte, Referatsleiterin beim Verband Bildung und Erziehung. Es liege vor allem an der gestiegenen Berufstätigkeit von Müttern und der lokal sehr unterschiedlichen Wirtschaftsdynamik. „Der Bedarf steigt und man kommt kaum hinterher.“ Wünschenswert wäre ein Puffer, sagt Nolte dennoch. „Eltern müssen auch während des Kitajahres Plätze bekommen, wenn sie umziehen.“

Es gibt einen Bauboom bei Kitas

Das muss nicht nur Wunschmusik sein. Denn in NRW werden wieder so viel Kitas gebaut wie seit zehn Jahren nicht mehr, meldete das Familienministerium am Donnerstag. Knapp 26.100 Plätze kommen zum Start des neuen Kitajahres hinzu.

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, weitere 52 Kitas sind bis Ende 2026 in Vorbereitung. Witten plant 200 neue Plätze, um bei der U3-Betreuung eine 45%-Abdeckung zu erreichen. Und in Duisburg sollten neue Kitas bereits diese Saison an den Start gehen, nur verzögert sich ihre Fertigstellung um einige Wochen. Somit besteht durchaus noch Hoffnung für Nadine Brunner.