Essen. . Tausende Eltern in Essen haben keinen Betreuungsplatz für ihr Kind. Viele haben uns ihre Erfahrungen erzählt. Vor allem Alleinerziehende leiden.

Tausende Eltern in Essen warten immer noch auf einen Kita-Platz. Zahlreiche haben sich über Facebook bei uns gemeldet, um uns ihre Geschichte zu erzählen. Manche von ihnen stehen schon seit Jahren auf der Warteliste.

Rund 3500 Kinder hatten Anfang April noch keinen Betreuungsplatz. 1000 Plätze sind noch offen und werden in den nächsten Monaten vergeben. Allerdings fehlen in Essen fast 3000 Kita-Plätze, wenn man mit einer Versorgungsquote von 40 Prozent bei unter Dreijährigen und von 100 Prozent bei Drei- bis Sechsjährigen ausgeht.

Hinter diesem Mangel stecken tausende Einzelschicksale. Wir haben einige gesammelt:

„Meiner Tochter und mir fällt die Decke auf den Kopf“

Janine Diebener: „Meine Tochter ist vier Jahre alt und wir haben wieder nur Absagen erhalten. Das macht mich als Alleinerziehende mehr als fertig, da nicht nur mir die Decke auf den Kopf fällt, sondern auch meiner Tochter. Mir, weil ich nicht arbeiten kann, und meiner Tochter, weil sie sich einfach langweilt.

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Bei den Anmeldungen hat sie sich sofort in die Gruppen eingefügt, als ob sie ewig dazu gehören würde. Es bricht mir das Herz. All ihre Freundinnen sind im Kindergarten, nur wir haben Jahr für Jahr Pech.“

„Wir sind keiner guten Hoffnung, einen Platz zu bekommen“

Mona Hübner: „Mein Sohn Leo Ulrich wurde im November 2016 geboren. Kurz danach kam jemand vom Jugendamt und hat mir Little Bird erklärt. Im Januar 2017 kam mein Kinderpass mit der Nummer, die ich für Little Bird brauche. Als ich diese hatte, haben wir unseren Sohn direkt angemeldet. Wir sind auch zu einigen Kitas in der Nähe persönlich hingegangen, um ihn anzumelden, haben aber bis jetzt nur Absagen erhalten. Wir haben ihn nun wieder angemeldet über Little Bird und wieder nur Absagen bekommen.

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Wir haben zwar im Oktober 2018 einen Platz bei einer Tagesmutter gefunden, sind aber auch nicht wirklich zufrieden, da manchmal die Betreuungszeiten nicht so sind, dass man sich eine neue Arbeit suchen kann. Ich bin zwar noch bis dieses Jahr November in Elternzeit, aber ich habe mich jetzt am Berufskolleg angemeldet, um eine Ausbildung als staatlich geprüfte Kinderpflegerin zu absolvieren, aber die Tagesmutter ist ja auch nur eine Übergangslösung bis zum dritten Lebensjahr. Wir haben nun wieder nur Absagen bekommen und sind auch keiner guten Hoffnung, dass wir nächstes Jahr einen Platz bekommen. Angemeldet haben wir ihn trotzdem, da er dann vier Jahre alt wird.“

„Ich möchte gerne arbeiten, aber wie?“

Fati Zah: „Ich habe meine Tochter nach der Geburt 2016 bei Little Bird angemeldet, aber immer wieder Absagen bekommen. Man muss sich jedes Jahr wieder anmelden, das finde ich ganz blöd. Ich bin sehr enttäuscht. Ich bin alleinerziehend mit zwei Kindern und für meinen Großen habe ich keine Chance auf eine Betreuung im Offenen Ganztag, für meine Kleine keinen Kindergartenplatz.

Wie kann ich da arbeiten? Und was sagen die im Kindergarten und in der Schule: Wir haben nur Plätze für berufstätige Eltern. Ich möchte gerne eine von denen sein, aber wie?“

„Einfach nur traurig und ärgerlich“

Sanja Fin: „Die Situation ist einfach nur traurig und ärgerlich. Wir haben unsere Ida direkt nach der Geburt via Little Bird in den auserwählten Kindergärten angemeldet und uns dort dann auch nach und nach persönlich vorgestellt – alles Absagen, eventuelle Aussicht auf einen Platz ein Jahr später.

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In den persönlichen Gesprächen wurde uns vorab schon jegliche Hoffnung auf einen freien Platz genommen. Wir wollten bis zum zweiten Lebensjahr die Betreuung mit den Großeltern überbrücken und dann mit dem Kindergarten starten. Leider liegt bei den Großeltern nun ein schwerer Krankheitsfall vor und wenn wir nicht noch eine Tagesmutter finden, muss ich meinen sehr geliebten Job aufgeben.

Man ist sauer und fängt immer mehr an, die aktuelle Politik zu hinterfragen. Was wird schon für uns normale Bürger getan? Für die, die in den Augen des Staates immer alles richtig gemacht haben, arbeiten gehen seit sie arbeiten dürfen, eine vernünftige Bildung haben und sich nie was zu Schulden kommen lassen haben?!“

„Wir haben den Bedarf eingeklagt“

Maren Düsterloh: „Wir haben unseren Sohn direkt nach der Geburt (2017) in allen Kitas rund um unseren Wohnort für das Jahr 2018 angemeldet. Alle haben abgesagt. Ich bin ein weiteres Jahr zuhause geblieben. Wir haben sofort nach den Absagen wieder in allen Kitas für 2019 angemeldet und haben sogar noch weitere Einrichtungen hinzugefügt – wieder nur Absagen. Da ich in diesem Jahr aber wieder arbeiten muss, haben ich den Bedarf eingeklagt.

Aber wozu dieses System, das sieht: Diese Familie hat in 2018 Bedarf, bekommt keinen Platz, meldet 2019 wieder an und bekommt wieder nichts. Wie wird denn der Bedarf seitens des Jugendamtes ermittelt? Warum reicht die Anmeldung nicht, warum muss erst Bedarf „eingeklagt“ werden? Wenn ich mich bei Little Bird anmelde, habe ich Bedarf, sonst würde ich nicht anmelden. Das ist doch sinnfrei. Es fühlt sich als Eltern sehr unbefriedigend an, das Kind „irgendwo unterzubringen, wo noch Platz ist“.“

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„Wenn sich die Situation nicht ändert, ziehen wir weg“

Ivana Marinovic (aus dem Englischen übersetzt): „Meine Tochter ist fünf Jahre alt und wir warten auf einen Kindergartenplatz seit Februar 2018. Meine Familie und ich überlegen, aus Essen wegzuziehen, weil meine Tochter Deutsch lernen muss und mit anderen Kindern im Kindergarten spielen soll. Wir kommen aus Kroatien. Ich studiere Jagd und Naturschutz und habe keine Chance, Deutsch zu lernen, weil ich mit meiner Tochter zu Hause bin.

Ich möchte arbeiten und lernen. Mein Mann hat einen Job, ich habe einen Mini-Job und gehe am Nachmittag putzen. Aber wenn sich die Situation in den nächsten fünf Monaten nicht ändert, werden wir wegziehen. Dann ist es nicht mehr möglich für uns, hier zu bleiben.“

„Ich fühle mich richtig verarscht“

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Carina Mülders: „Es fing mit der Anmeldung im Little-Bird Portal an. Der erste Kindergarten (an St. Marien) hatte sich letztes Jahr im Sommer bei uns gemeldet und uns mitgeteilt, dass die Vergabe der Plätze erst im März dieses Jahres passiert und sie deshalb nicht wüssten, ob unsere Kleine angenommen wird. Daraufhin sind wir hin und wieder zu Veranstaltungen zum Kindergarten gegangen. Dort hatten wir die Leiterin immer wieder angesprochen, ob sie vielleicht schon etwas wüsste. Sie sagte uns, dass wir ihr jeden Monat eine Mail schreiben und fragen sollen, ob ein Platz frei wäre, dass meine Tochter vielleicht schon vorher in die Kita kommt. Dies tat ich auch jeden Monat, bis ich im Januar dieses Jahres auf einmal keine Antwort mehr bekam.

Daraufhin schrieb ich sie des Öfteren an und fragte immer wieder nach. Nach etwa einer Woche kam eine unverschämte Antwort, dass ja kein Platz frei wäre und auch bis Sommer keiner frei werden würde. Daraufhin habe ich eine Nachbarin, deren Kind auch in den Kindergarten an St. Marien gehen sollte, gefragt, ob sie schon etwas vom Kindergarten gehört habe. Die Antwort von ihr hieß, dass sie ja schon Bescheid wüsste, dass ihr Kind dort in den Kindergarten kommt, weil die Leiterin das Kind unbedingt bei sich im Kindergarten haben möchte, seit sie noch mit dem Kind in Umständen war.

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Darauf hin habe ich mich richtig verarscht gefühlt, denn solche Aussagen kann man noch gar nicht vorher treffen. Ich melde mein Kind ordnungsgerecht an, bekomme eine Absage und andere bekommen einfach so aus Bekanntschaft der Familie von früher eine Zusage.“

„Ich kann nur noch vor Gericht gehen“

Emmy Hartmann: „Wir sind seit 2015 auf der Suche nach einem Kita-Platz für meinen Sohn. Wir haben uns bei Little Bird angemeldet, E-Mails geschrieben, sind persönlich in die Kitas gegangen – überall Absagen. Oder man sagt uns, wir stehen auf der Warteliste, man meldet sich bei uns. Wenn ich nicht selbst nochmal anrufe, kommt noch nicht mal eine Absage.

Beim Familienpunkt haben sie uns gesagt, dass wir bis zu sechs Monate warten müssen und dass ich nach sechs Monaten nochmal anrufen sollte, wenn ich nichts höre. Das habe ich getan und sie sagten mir, dass sie leider keinen Platz gefunden hätten und wenig Hoffnung hätten, dass mein Sohn noch einen Kita-Platz bekommt. Nun kann ich nur noch vor Gericht gehen, das wird mein letzter Weg sein – in der Hoffnung, dass mein Sohn mit fünf Jahren doch endlich in die Kita kann.“

„Nicht mehr nur enttäuscht, sondern sehr verärgert“

Christian Krause: „Wir suchen seit der Geburt unseres Sohnes nach einem Kitplatz. Sobald wir damals (2016) alle Unterlagen zusammen hatten, meldeten wir ihn in sieben Kitas, wie es maximal möglich ist, an. Das war im Jahr 2016, für das Kita-Jahr 2017/2018.

Jetzt schreiben wir April 2019 und wir haben leider immer noch keinen Kitaplatz. Mittlerweile sind wir nicht mehr nur enttäuscht, sondern sehr verärgert über die Situation.“